Nachträgliche Gesamtstrafenbildung - Auflösung einer alten Gesamtstrafe

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen dreifachen Diebstahls zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr verurteilt (Einzelstrafen: 6 Monate, zwei Mal 4 Monate). Nun wird er erneut wegen zwei Diebstählen zu 6 Monaten (Einzelstrafen: je 4 Monate) verurteilt. Eine der Taten beging er vor dem ersten Urteil.

Diesen Fall lösen 92,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung - Auflösung einer alten Gesamtstrafe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Revision des A gegen das zweite Urteil hat Erfolg, wenn das Tatgericht eine Gesamtstrafe mit der früheren Verurteilung bilden musste.

Ja!

Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB ist obligatorisch. Liegen die Voraussetzungen vor, muss zwingend eine Gesamtstrafe gebildet werden. Tut das Gericht dies nicht, liegt ein reversibler Rechtsfehler vor (§ 337 Abs. 1 StPO). Da die Gesamtstrafenbildung zumindest nicht ausschließbar zu einer milderen Strafe führt, würde das Urteil auf dem Fehler beruhen und A wäre beschwert.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Gesamtstrafenbildung scheidet aber aus, weil nur eine der Taten vor, die andere aber erst nach dem ersten Urteil begangen wurde.

Nein, das ist nicht der Fall!

Sind Taten teilweise vor und teilweise nach dem ersten Urteil begangen, können zumindest die Taten, die vor dem Urteil begangen wurden, in die nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen werden. Auch hier hindert es die Gesamtstrafenbildung nicht, dass die eine Tat vor, die andere Tat nach dem ursprünglichen Urteil begangen wurde. Vielmehr ist Tat 4 vorliegend gesamtstrafenfähig mit dem ersten Urteil, Tat 5 dagegen nicht.

3. Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 Abs. 1 StGB) scheidet aber aus, weil schon im ersten Urteil eine Gesamtstrafe verhängt wurde.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine nachträgliche Gesamtstrafe muss auch gebildet werden, wenn im ersten Urteil bereits eine Gesamtstrafe verhängt wurde. Liegen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vor, ist die alte Gesamtstrafe dann aufzulösen und eine neue Gesamtstrafe unter Einbeziehung der im früheren Urteil genannten Einzelstrafen zu verhängen. Hier ist die alte Gesamtstrafe von einem Jahr ausdrücklich aufzulösen und mit Tat 4 unter Einbeziehung der im ersten Urteil genannten Einzelstrafen (1x6, 2x 4 Monate) eine neue Gesamtstrafe zu bilden. An die Einzelstrafen aus dem ursprünglichen Urteil ist der Tatrichter also gebunden. Die Gesamtstrafenbildung nimmt er durch eine eigene Gesamtwürdigung vor, muss aber die Feststellungen des ersten Urteils dabei berücksichtigen.

4. Das Urteil ist rechtsfehlerhaft.

Ja!

Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB liegen vor. Eine Gesamtstrafenbildung wird weder durch die frühere Gesamtstrafenbildung gehindert, noch durch den Fakt, dass nur eine der Taten gesamtstrafenfähig ist. Das Gericht hat die Pflicht zur Gesamtstrafenbildung aus den Taten 1 bis 4 (§ 55 Abs. 1 StGB) missachtet. Damit ist das Urteil rechtsfehlerhaft.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FC

Friedrich Der Chiller

3.7.2024, 15:19:14

hier wäre es jeweils klasse, wenn noch immer ein positivbeispiel angefügt wird. also wie es hätte richtig lauten müssen.


© Jurafuchs 2024