Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Der Handelskauf (§§ 373ff. HGB)

Unterlassener Testlauf, hätte aber auch nicht zur Entdeckung des Mangels geführt

Unterlassener Testlauf, hätte aber auch nicht zur Entdeckung des Mangels geführt

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft für ihr Elektronikfachgeschäft 200 Handys von Großhändler G. Diese lagert sie ohne Untersuchung ein. Einen Monat später verkauft sie eines an D. Zwei Monate später fordert D von K ein anderes Handy, da das Handy aufgrund eines fehlerhaften Akkus in Flammen aufgegangen war. Das meldet K sofort G.

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Einordnung des Falls

Unterlassener Testlauf, hätte aber auch nicht zur Entdeckung des Mangels geführt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K war verpflichtet, D das Handy zu ersetzen (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB).

Ja, in der Tat!

Ist die Kaufsache mangelhaft, kann der Käufer nach § 439 BGB Nacherfüllung verlangen (§ 437 Nr. 1 BGB). Er kann dabei als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) verlangen (§ 439 Abs. 1 BGB).Da das Handy sich aufgrund des fehlerhaften Akkus selbst entzündet hat, entsprach es jedenfalls nicht den objektiven Anforderungen (§ 434 Abs. 3 S. 1 BGB) und war somit mangelhaft. Der Mangel lag bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor. Zwar kommt eine Reparatur des zerstörten Handys nicht in Betracht. D hatte aber jedenfalls einen Anspruch auf Nachlieferung.
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2. K könnte nach erfolgter Nacherfüllung ihrerseits ein Anspruch auf Ersatz der mit der Nacherfüllung verbundenen Aufwendungen gegen G zustehen (§ 445a Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Der verschuldensunabhängige Regressanspruch des Verkäufers setzt voraus: (1) Wirksamer Kaufvertrag zur Zeit der Entstehung des Anspruches (Verkäufer-Lieferant), (2) Gewährleistungsaufwendungen des Verkäufers und identischer Mangel bereits bei Gefahrübergang auf Verkäufer, (3) Keine Präklusion (§§ 445a Abs. 4 BGB, 377 Abs. 2, Abs. 3 HGB).Zwischen G und K besteht ein Kaufvertrag. Aufgrund des mangelhaften Handys musste K dem D Ersatz beschaffen (Ersatzlieferungskosten). Dieser Mangel lag auch schon bei Lieferung an K vor. Aufgepasst!§ 445a Abs. 1 S. 1 BGB stellt eine selbstständige Anspruchsgrundlage dar. Dagegen modifiziert § 445a Abs. 2 BGB lediglich die Voraussetzungen für Mängelgewährleistungsrechte des Verkäufers. Eine Fristsetzung gegenüber dem Lieferanten ist danach entbehrlich. Achte also stets auf ein sauberes Gesetzeszitat!

3. Der Rückgriffsanspruch könnte aber aufgrund eines Verstoßes gegen die Rügeobliegenheit (§ 377 HGB) ausgeschlossen sein.

Genau, so ist das!

§ 445a Abs. 4 BGB stellt klar, dass die Rügeobliegenheit des § 377 HGB auch auf den Verkäuferregress Anwendung findet. Der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit setzt (1) einen Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (vgl. § 343 Abs. 1 HGB) voraus, (2) die Ware muss abgeliefert worden sein, (3) an dieser Ware muss ein Mangel vorliegen, (4) der nicht ordnungsgemäß gerügt worden ist. (5) Zuletzt darf die Rügeobliegenheit nicht ausgeschlossen sein.

4. Zur Erhaltung seiner Rechte gegenüber G, müsste K den Mangel ordnungsgemäß gerügt haben i.S.d. § 377 HGB.

Ja, in der Tat!

Eine ordnungsgemäße Rüge setzt (1) die Anzeige des Mangels und (2) die Rechtzeitigkeit der Anzeige voraus. Indem K der G den Mangel mitgeteilt hat, hat sie ihn „angezeigt“ i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB. Problematisch ist, ob dies auch rechtzeitig geschehen ist. Die Rüge selbst ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Regeln über Willenserklärungen zum großen Teil analog anwendbar sind.

5. Ein Verstoß gegen die Rügeobliegenheit liegt bereits darin, dass K die Ware nicht untersucht hat (§ 377 Abs. 2 HGB).

Nein!

Kommt der Käufer seiner Untersuchungsobliegenheit nicht nach, so knüpft das Gesetz daran erst einmal keine Rechtsfolgen. Lediglich die verspätete Rüge, also der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit, führt zur Genehmigung der Ware (§ 377 Abs. 2 BGB), nicht aber die unterlassene Untersuchung.Im Falle der offenen Mängeln ist eine rechtzeitige Rüge ohne vorherige Untersuchung der Ware in der Regel allerdings schwer vorstellbar. Hier führt die Verletzung der Untersuchungsobliegenheit regelmäßig zumindest mittelbar zur Präklusion.

6. Maßgeblich für die Bestimmung der Rügefrist ist die Frage, ob ein offener oder ein versteckter Mangel vorliegt.

Genau, so ist das!

Offene Mängel treten bei einer Untersuchung, die den Anforderungen des § 377 Abs. 1 HGB entspricht, sofort zutage. Sie sind deshalb regelmäßig innerhalb von bis zu einer Woche zu rügen (§ 377 Abs. 1 HGB). Verdeckte Mängel sind dagegen solche, die bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht entdeckt worden sind bzw. bei einer hypothetischen Untersuchung mit Sicherheit nicht entdeckt worden wären. Sie sind unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach der tatsächlichen Entdeckung zu rügen (§ 377 Abs. 3 HGB).Maßgeblich für die Abgrenzung ist dabei insbesondere, welche Anforderungen an die Untersuchung gestellt werden (zB Stichproben, selbst wenn Teil der Ware dadurch beschädigt wird).

7. K hat G unverzüglich über den defekten Akku informiert, nachdem D bei ihr war. Liegt darin eine rechtzeitige Rüge?

Ja, in der Tat!

Anders als bei offenen Mängeln, sind versteckte Mängel selbst bei ordnungsgemäßer Untersuchung nicht feststellbar. Unabhängig davon, ob eine Untersuchung erfolgte oder nicht, ist die Rüge hier rechtzeitig, wenn sie unverzüglich nach Entdeckung des Mangels erfolgt (§ 377 Abs. 3 HGB). Der Verkäufer von Handys ist nicht verpflichtet, die Akkus auf ihre Entflammbarkeit zu testen. Es liegt also ein versteckter Mangel vor. Diesen hat K unverzüglich nach Bekanntwerden bei G gerügt. Es liegt somit eine ordnungsgemäße Rüge vor. K kann G nach § 445a Abs. 1 S. 1 BGB in Regress nehmen.
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