Verdachtsrüge

10. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K betreibt eine Kneipe, für welche sie Wein bei Großhändler G kauft. Wegen Personalmangels untersucht K den gelieferten Wein nicht. Zwei Wochen später erfährt K aus der Zeitung, dass Gs Wein von einem nicht schmeckbaren Schadstoff befallen ist. Diesen Mangel rügt K vorsorglich.

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Einordnung des Falls

Verdachtsrüge

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Um Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können, müsste K den Mangel ordnungsgemäß gerügt haben i.S.d. § 377 HGB.

Genau, so ist das!

Eine ordnungsgemäße Rüge setzt (1) die Anzeige des Mangels und (2) die Rechtzeitigkeit der Anzeige voraus. Rügt der Käufer nicht ordnungsgemäß, verliert der Käufer seine Rechte aus §§ 434, 437 BGB. Mit der Rüge hat K dem G den Mangel angezeigt. Fraglich ist, ob dies auch rechtzeitig geschehen ist.
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2. Eine rechtzeitige Rüge kann nur vorliegen, wenn die Ware auch rechtzeitig untersucht wurde.

Nein, das trifft nicht zu!

Für die Rechtzeitigkeit kommt es auf die Rechtzeitigkeit der Rüge selbst an, nicht der Untersuchung. Eine Untersuchung kann sogar entbehrlich sein. Dies ist der Fall, wenn ein verdeckter Mangel vorlag, welcher bei einer hypothetischen Untersuchung nicht entdeckt worden wäre. Dann ist auch eine Rüge, welche ohne eine Untersuchung direkt nach Auftreten eines Mangels erfolgt ist, noch rechtzeitig. Auch ist eine Rüge möglich, wenn der Verkäufer noch gar keine Untersuchung vorgenommen hat, aber ein Verdacht auf einen Mangel vorliegt. Hier liegt ein verdeckter Mangel vor. Der Schadstoff war nicht schmeckbar oder von außen erkennbar. Er wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei einer hypothetischen Untersuchung nicht aufgefallen. Direkt nachdem K von dem (potentiellen) Mangel erfahren hat, hat K den Wein vorsorglich gerügt.

3. Muss der Käufer die Ware bereits bei dem bloßen Verdacht auf Mangelhaftigkeit rügen, um seine Gewährleistungsrechte zu behalten?

Nein!

Solange nicht feststeht, ob ein Mangel tatsächlich vorliegt, muss der Käufer auch nicht rügen. Liegt also ein bloßer Verdacht eines Mangels vor, ist eine Rüge zwar möglich, aber nicht verpflichtend. Besteht bei einer Verdachtsrüge tatsächlich der vermutete Mangel, liegt eine ordnungsgemäße Mangelrüge vor. Der Verdacht muss aber begründet sein. Es darf nicht einfach ins Blaue hinein vorsorglich gerügt werden. K war nicht verpflichtet, den Mangel vor der Rüge erst zu untersuchen. Auf einen begründetet Verdacht hin durfte sie auch rügen. Sie hat also ihre Gewährleistungsrechte nicht verwirkt. Rügt der Käufer nicht, ist er jedoch zumindest verpflichtet, die Ware auf den vermuteten Mangel hin zu untersuchen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

4. Ist es für den Käufer grundsätzlich ratsam bereits bei bloßem Verdacht und ohne eigene Untersuchung die gelieferte Ware zu rügen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Rügt der Käufer auf einen bloßen Verdacht einen Mangel, so besteht die Gefahr, sich hierdurch schadensersatzpflichtig zu machen (§ 280 Abs. 1 BGB). Die Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gebietet, das Vermögen des anderen vor unnötigen Belastungen zu schonen. Diese Pflicht ist regelmäßig verletzt, wenn der Käufer auf einen reinen Verdacht und ohne weitere Untersuchung, die Ware rügt. Da ihm bei einem versteckten Mangel auch kein Verlust seiner Gewährleistungsrechte droht, bis der Mangel zutage getreten ist, handelt er im Hinblick auf die verfrühte Rüge jedenfalls auch fahrlässig.Mögliche Schäden sind Kosten für unnötige Nacherfüllungsbemühungen, beispielsweise solche, die im Rahmen einer eignen Mangeluntersuchung entstehen oder unnötige Lieferantenkosten.
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