Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Der Handelskauf (§§ 373ff. HGB)

Unterlassener Testlauf, hätte möglicherweise zur Entdeckung des Mangels geführt

Unterlassener Testlauf, hätte möglicherweise zur Entdeckung des Mangels geführt

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Supermarktbetreiberin S bestellt von Großhändlerin G 5.000 Dosensuppen. Hiervon waren 700 Dosen schon über dem Mindesthaltbarkeitsdatum. S unterlässt es, die Dosen zu überprüfen. Kunde K kauft zwei Monate später eine mangelhafte Dose von S und beschwert sich. S wendet sich an G.

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Einordnung des Falls

Unterlassener Testlauf, hätte möglicherweise zur Entdeckung des Mangels geführt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Damit S Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, müsste sie ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen sein (vgl. § 377 Abs. 2 HGB).

Ja!

Die Geltendmachung von Gewährleistungs- und Nichterfüllungsansprüchen kann ausgeschlossen sein, wenn ein Verstoß gegen die Rügeobliegenheit vorliegt (§ 377 Abs. 2 HGB). Der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit setzt (1) einen Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (vgl. § 343 Abs. 1 BGB) voraus. (2) Die Ware muss abgeliefert worden sein, (3) an dieser Ware muss ein Mangel vorliegen, (4) der nicht ordnungsgemäß gerügt worden ist. (5) Zuletzt darf die Rügeobliegenheit nicht ausgeschlossen sein.V und K sind beide Kaufleute, die einen Kaufvertrag über bewegliche Sachen geschlossen haben. Die Dosen wurden S geliefert und bereits bei Anlieferung über dem Mindesthaltbarkeitsdatum, sodass sie zumindest nicht den objektiven Anforderungen entsprachen.
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2. Zum Erhalt seiner Gewährleistungsrechte müsste S den Mangel ordnungsgemäß gerügt haben (§ 377 HGB).

Genau, so ist das!

Eine ordnungsgemäße Rüge setzt (1) die Anzeige des Mangels und (2) die Rechtzeitigkeit der Anzeige voraus. Indem S der G von der mangelhaften Dose berichtet hat, hat sie ihn „angezeigt“ i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB. Problematisch ist, ob dies auch rechtzeitig geschehen ist.Die Rüge selbst ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Regeln über Willenserklärungen zum großen Teil analog anwendbar sind.

3. Maßgeblich für die Bestimmung der Rügefrist ist die Frage, ob ein offener oder ein versteckter Mangel vorliegt.

Ja, in der Tat!

Offene Mängel treten bei einer Untersuchung, die den Anforderungen des § 377 Abs. 1 HGB entspricht, sofort zutage. Sie sind deshalb regelmäßig innerhalb von bis zu einer Woche zu rügen (§ 377 Abs. 1 HGB). Verdeckte Mängel sind dagegen solche, die bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht entdeckt worden sind bzw. bei einer hypothetischen Untersuchung mit Sicherheit nicht entdeckt worden wären. Sie sind unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach der tatsächlichen Entdeckung zu rügen (§ 377 Abs. 3 HGB).Maßgeblich für die Abgrenzung ist dabei insbesondere, welche Anforderungen an die Untersuchung gestellt werden (zB Stichproben, selbst wenn Teil der Ware dadurch beschädigt wird).

4. Ist eine rechtzeitige Rüge immer ausgeschlossen, wenn der Käufer die Ware gar nicht untersucht hat?

Nein!

Kommt der Käufer seiner Untersuchungsobliegenheit nicht nach, so knüpft das Gesetz daran erst einmal keine Rechtsfolgen. Lediglich die verspätete Rüge, also der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit, führt zur Genehmigung der Ware (§ 377 Abs. 2 BGB), nicht aber die unterlassene Untersuchung. Wenn der Mangel bei einer hypothetischen Untersuchungmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit  nicht entdeckt worden wäre, liegt ein versteckter Mangel vor. Dann ist die Rüge immer noch rechtzeitig und kann ordnungsgemäß erfolgen, wenn die Rüge unmittelbar nach dem Erkennen des Mangels geschieht (vgl. § 377 Abs. 3 HGB).

5. Wäre die Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums im Rahmen einer hypothetischen Untersuchung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unentdeckt geblieben, sodass ein versteckter Mangel vorliegt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein versteckter Mangel liegt bei unterlassener Untersuchung auch dann vor, wenn der Mangel bei einer hypothetischen, ordnungsgemäßen Untersuchung nicht entdeckt worden wäre. Im Rahmen der hypothetischen Untersuchung ist erforderlich, dass der Mangel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entdeckt worden wäre. Es sind hier 700 Dosen mangelhaft, also 14% der Gesamtbestellung. Die Überschreitung ist bereits durch oberflächliche Kontrolle erkennbar. Es bestand bei einer keine ganz unerhebliche Wahrscheinlichkeit der Entdeckung. Somit handelt es sich nicht um einen versteckten, sondern einen offenen Mangel.

6. Hat S den offenen Mangel rechtzeitig gerügt?

Nein, das trifft nicht zu!

Offene Mängel treten bei einer Untersuchung, die den Anforderungen des § 377 Abs. 1 HGB entspricht, sofort zutage. Sie sind regelmäßig innerhalb von bis zu einer Woche zu rügen (§ 377 Abs. 1 HGB). S hat die Dosen gar nicht untersucht. Sie ist also ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen und hat den Mangel nicht rechtzeitig gerügt. S kann sich nicht auf Gewährleistungsrechte berufen.Zu einer unverzüglichen Rüge gehört grundsätzlich auch eine unverzüglich erfolgte Untersuchung der Ware. Bei offenen Mängeln führt die unterlassene Untersuchung deshalb regelmäßig zu einem Verstoß gegen die Rügeobliegenheit.
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