+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T hat versucht, O zu erstechen. Damit die Polizei ihm nicht auf die Schliche kommt, zerstört Ts Kumpel S das Tatmesser in einer Metallpresse auf seinem Schrottplatz. Mangels Tatwaffe kann T nicht überführt werden und wird nie bestraft.
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Einordnung des Falls
Grundfall zur Verfolgungsvereitelung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S hat sich wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag strafbar gemacht, indem er die Tatwaffe zerstörte, §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB.
Nein!
Für eine Strafbarkeit müsste S dem T zu dessen vorsätzlicher, rechtswidriger Tat Hilfe geleistet und zudem mit doppeltem Gehilfenvorsatz, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.In der versuchten Tötung des O liegt eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat, §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB. Allerdings hatte T bereits versucht, O zu töten und ist gescheitert. Die Tat war mithin abgeschlossen. Eine Hilfe nach Tatbeendigung kann die Tat nicht mehr fördern. Somit ist Beihilfe nach Beendigung der Haupttat nicht möglich.Fallen Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt auseinander, so ist nach der Rechtsprechung eine Beihilfe auch noch in diesem Zwischenstadium möglich (sog. sukzessive Beihilfe).
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2. S könnte sich aber wegen Strafvereitelung strafbar gemacht haben, indem er das Tatmesser zerstörte, § 258 Abs. 1 StGB.
Genau, so ist das!
Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 258 Abs. 1 StGB sind:
(1)Strafbare Vortat eines anderen
(2)Ganz oder teilweise Vereitelung der Bestrafung
S müsste subjektiv vorsätzlich bezüglich der Vortat und absichtlich oder wissentlich bezüglich des Vereitelns gehandelt haben. Zudem müsste die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein und kein persönlicher Strafausschließungsgrund nach § 258 Abs. 5 und 6 StGB eingreifen.
3. Hat S die Bestrafung von T ganz oder teilweise vereitelt, als er das Messer in die Metallpresse warf, § 258 Abs. 1 StGB?
Ja, in der Tat!
Eine Bestrafung ist dann ganz vereitelt, wenn sie für geraume Zeit unverwirklicht bleibt. Sie ist zum Teil vereitelt, wenn der Täter bewirkt, dass der Vortäter besser gestellt wird, als es der materiellen Rechtslage entspricht.S hat die Tatwaffe zerstört. Aus diesem Grund konnte T nicht überführt werden und wurde nie bestraft. S hat die Bestrafung des T damit ganz vereitelt.Wann auch eine Strafvereitelung „auf Zeit” vom Merkmal „ganz vereiteln” erfasst wird, ist umstritten. Dazu später mehr.
4. Hat S auch den subjektiven Tatbestand des § 258 Abs. 1 StGB erfüllt?
Ja!
Der subjektive Tatbestand weist zwei unterschiedliche Vorsatzerfordernisse auf: Bezüglich der Vortat eines anderen genügt dolus eventualis. In Hinblick auf die Vereitelung der Bestrafung muss der Täter hingegen mit Absicht oder Wissentlichkeit gehandelt haben.S wusste von Ts versuchter Tötung. Ihm kam es gerade darauf an, dass T durch die Zerstörung des Messers nicht der Tat überführt werden könnte. Damit handelte er bezüglich der Vereitelung der Bestrafung mit Absicht und auch hinsichtlich der Tathandlung vorsätzlich.
5. Für S greift aber ein persönlicher Strafausschließungsgrund aus § 258 Abs. 5 und 6 StGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
§ 258 StGB stellt die eigennützige Strafvereitelung nicht unter Strafe. § 258 Abs. 5 StGB dehnt diese Wertung auch auf Fälle aus, in denen der Täter zwar die Bestrafung eines anderen verhindert, aber zugleich auch eine eigene Bestrafung vereiteln will. § 258 Abs. 6 StGB sieht eine Straffreiheit für Angehörige des Vortäters vor.Im Sachverhalt finden sich keine Angaben darüber, dass S auch eine eigene Bestrafung vereiteln wollte oder ein Angehöriger des T ist. Persönliche Strafausschließungsgründe nach § 258 Abs. 5 und 6 StGB scheiden damit aus.