Kein Verstoß gegen § 250 StPO bei Vorhalten

17. Februar 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Z wird im Prozess gegen A vernommen. Z leugnet, dass A den Geschädigten G schlug. Die Vorsitzende verweist auf Zs Vernehmungsprotokoll, wonach er ausgesagt hatte, A hätte G „mindestens drei Mal” geschlagen. Daraufhin gibt Z kleinlaut zu, dass er die Schläge gesehen hat. A wird verurteilt.

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Einordnung des Falls

Kein Verstoß gegen § 250 StPO bei Vorhalten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Ersetzung der Zeugenvernehmung durch Verlesung des Vernehmungsprotokolls ist nach § 250 StPO grundsätzlich unzulässig. Gilt § 250 StPO auch, wenn dem Zeugen in der Hauptverhandlung seine frühere Aussage lediglich „vorgehalten“ wird?

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar ist die Ersetzung der Zeugenvernehmung durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls unzulässig (§ 250 StPO). Zulässig ist es aber, einem Zeugen den Inhalt seiner früheren Vernehmung im Prozess vorzuhalten. Hier wird die Zeugenaussage gerade nicht durch die Verlesung ersetzt. Denn Beweisinhalt wird nicht das, was verlesen wird, sondern die Reaktion des Zeugen auf das Verlesene. Diese kann als Teil der Zeugenaussage dem Urteil zugrunde gelegt werden. Es handelt sich hierbei um einen sogenannte Vernehmungsbehelf.
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2. Durch die Verlesung des Protokolls von Zs Vernehmung verstößt das Gericht gegen § 250 StPO.

Nein!

Zwar ist die Ersetzung der Zeugenvernehmung durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls unzulässig (§ 250 StPO). Bei einem sog. „Vorhalt“ einer Aussage aus dem Vernehmungsprotokoll durch das Gericht, wird die Zeugenvernehmung aber gerade nicht i.S.v. § 250 StPO ersetzt. Denn Beweisinhalt wird in diesem Fall nicht das, was verlesen wird, sondern die Reaktion des Zeugen auf das Verlesene. Diese kann als Teil der Zeugenaussage dem Urteil zugrunde gelegt werden.Die Vorsitzende hielt der Z eine Diskrepanz zwischen ihrer früheren und der jetzigen Aussage vor. Beweisinhalt wurde danach nicht der Inhalt des Protokolls, sondern Zs Aussage, sie habe die Schläge tatsächlich wahrgenommen. Es handelt sich also um einen zulässigen Vorhalt, der nicht gegen § 250 StPO verstößt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KAT

Katharina

18.10.2024, 12:01:06

Hallo. Warum würde man hier dann nicht § 253 II StPO ansprechen? Es stellt doch ganz klar einen Widerspruch dar oder? LG!

LRF

LRf

26.11.2024, 18:36:01

Da die Richterin laut Sachverhalt das Vernehmungsprotokoll nicht verliest, sondern nur hierauf verweist, handelt es sich bereits grundsätzlich nicht um eine Abweichung von § 250 S. 2 StPO, der über § 253 II StPO gerechtfertigt werden müsste. Hier geht es mMn um den Unterschied zwischen Verlesung und

Vorhalt

.

PH

PhilippRhein

13.12.2024, 09:55:43

Zusätzlich zu dem von @[LRf](272049) vorgebrachten Aspekt lagen auch die Voraussetzungen des 253 Abs. 2 StPO gar nicht vor. Zwar bestand zwischen der

Aussage

des Zeugen in der HV und seiner früheren

Aussage

ein Widerspruch. Dieser konnte jedoch durch den

Vorhalt

des früheren Protokolls, aufgrund derer der Zeuge seine

Aussage

revidiert und den Widerspruch auflöste, bereits beseitigt werden. Weil der Widerspruch also bereits im Rahmen der Befragung behoben werden konnte, vgl. 253 Abs. 2 StPO aE, war kein Raum mehr für eine Einführung des Protokolls im Wege des Urkundenbeweises durch Verlesung nach 253 Abs. 2 StPO. (Hierfür wäre iÜ auch eine gegenüber dem

Vorhalt

erneute Verlesung erforderlich, vgl. OLG Köln NJW 1965, 830)


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