Juristische Methodik

Juristische Auslegung

Wortlautauslegung

Allgemeines Sprachverständnis als Ausgangspunkt

Allgemeines Sprachverständnis als Ausgangspunkt

24. Juni 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Lawra (L) fährt nach der Uni mit ihrem Skateboard nach Hause. Nach einer scharfen Kurve fährt L versehentlich in den parkenden Porsche von Ferdinand Freiherr von und zu Lindenmulch (F). F meint, L hafte für den Schaden nach § 7 Abs. 1 StVG.

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Einordnung des Falls

Allgemeines Sprachverständnis als Ausgangspunkt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L ist der Meinung, dass § 7 Abs. 1 StVG den Unfall mit einem Skateboard nicht erfasst. Setzt § 7 Abs. 1 StVG voraus, dass der Schaden „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden sein muss?

Ja!

Bei der Frage, was unter den Tatbestand einer gesetzlichen Norm fällt, solltest Du Dir immer die entsprechende Norm anschauen und mit dem genauen Wortlaut der Norm arbeiten. Bereits kleine Abweichungen von der Formulierung des Gesetzes können einen schlechten Eindruck bei Prüfenden hinterlassen oder sogar zu „falschen“ Ergebnissen führen. § 7 Abs. 1 StVG lautet: „Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ Was unter den Begriff des „Kraftfahrzeugs“ fällt, ist nicht in § 7 Abs. 1 StVG, sondern in den allgemeinen Bestimmungen zum StVG geregelt.
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2. F meint, dass auch Ls Skateboard ein „Kraftfahrzeug“ sei. Ist der Begriff des Kraftfahrzeugs in § 1 Abs. 2 StVG definiert?

Genau, so ist das!

§ 1 Abs. 2 StVG enthält eine Definition des Begriffs „Kraftfahrzeug“, die für das gesamte StVG gilt („Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes gelten (…)“). Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob Lawras Skateboard ein Kraftfahrzeug i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ist, ist damit der Wortlaut von § 1 Abs. 2 StVG. Wir legen hier also den Wortlaut von § 1 Abs. 2 StVG aus. Ausgehend von § 7 Abs. 1 StVG ist der Rückgriff auf § 1 Abs. 2 StVG bereits Bestandteil der systematischen Auslegung.

3. Nach § 1 Abs. 2 StVG ist ein Kraftfahrzeug ein Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird. Ist die Fortbewegung mit einem Skateboard nach dem allgemeinen Sprachverständnis von dieser Regelung erfasst?

Nein, das trifft nicht zu!

§ 1 Abs. 2 StVG lautet: „Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.“ Ausgangspunkt dafür, eine Norm richtig zu verstehen, kann Dein Sprachgefühl bzw. der allgemeine Sprachgebrauch (in der „Welt der Laien“) sein. Dafür kannst Du z.B. im Duden nachschlagen, dort findet man an erster Stelle der Beschreibung oft die Bedeutung, die ein Wort im allgemeinen Sprachgebrauch hat. Ein klassisches Skateboard bewegt sich gerade nicht durch Maschinenkraft, sondern durch Muskelkraft. Die menschliche Muskelkraft ist gerade keine „Kraft, Leistung einer Maschine“ (vgl. Duden). Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 1 Abs. 2 StVG ist Ls Skateboard damit kein Kraftfahrzeug im Sinne des StVG und damit auch nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG. L hat also Recht, sie haftet gegenüber F nicht nach § 7 Abs. 1 StVG. Dass sich Maschinen- und Muskelkraft ausschließen, ergibt sich also bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Darüber hinaus findet sich dieses Wortlautverständnis auch noch in § 1 Abs. 3 StVG wieder. Diese Norm regelt ausdrücklich, dass Kraftfahrzeuge im Sinne des StVG keine Landfahrzeuge sind, die durch Muskelkraft fortbewegt werden und mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind. Dies könnte man als ergänzendes systematisches Argument heranziehen. Dazu später mehr.Dieser Fall soll Dir lediglich ein erstes Gefühl zum Thema Wortlautauslegung vermitteln. In einer Klausur würdest Du Dich in einem so klaren Fall viel kürzer halten! Dort steht Dir auch kein Duden zur Verfügung, Du solltest selbstbewusst von Deinem eigenen Sprachgefühl ausgehen.
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