Juristische Methodik

Juristische Auslegung

Wortlautauslegung

Warum reicht das allgemeine Sprachverständnis bei der juristischen Auslegung oft nicht aus?

Warum reicht das allgemeine Sprachverständnis bei der juristischen Auslegung oft nicht aus?

24. Juni 2025

5,0(20 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ferdinand Freiherr von und zu Lindenmulch (F) ist aus der Wannsee-Villa seiner Eltern in eine WG in Berlin gezogen. Nachbarin N klingelt eines Sonntagnachmittags bei F und „leiht“ sich ein Ei. Ein paar Tage später fragt F bei N nach, wann er sein Ei zurückbekommt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Warum reicht das allgemeine Sprachverständnis bei der juristischen Auslegung oft nicht aus?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F meint, wenn man sich etwas leiht, dann müsse man das auch stets zurückgeben. Wird der Begriff der „Leihe“ im alltäglichen Gebrauch immer in diesem Sinne verwendet?

Nein!

Gerade, wenn es in Deiner Klausur darum geht, was zwei Personen (vertraglich) vereinbart haben, musst Du Dich regelmäßig in die Perspektive der „Laien“ versetzen. Nur, weil sich jemand etwas „leihen“ möchte, heißt das noch nicht, dass diese Person eine „Leihe“ i.S.v. § 598 BGB meint. Zur Auslegung von Verträgen später mehr! Zwar definiert der Duden das Verb „leihen“ unter anderem mit „(gegen das Versprechen der Rückgabe) vorübergehend aus seinem Besitz zur Verfügung stellen“. Wobei es bereits hier bemerkenswert ist, dass der erste Teil der Definition in Klammern steht. Zudem gibt es alltägliche Situationen, in denen Personen den Begriff verwenden, ohne damit zum Ausdruck bringen zu wollen, den Gegenstand zurückgeben zu wollen. „Kann ich mir ein Taschentuch borgen?“ oder die Frage beim Nachbarn nach einem Ei sind alltägliche Fragen. Gerade, wenn es um Verbrauchsgegenstände wie ein Ei oder ein Taschentuch geht, ist nach dem natürlichen Sprachverständnis klar, dass die konkrete Sache nicht zurückgegeben werden soll.
Rechtsgebiet-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Rechtsgebiet-Wissen in nur 5 Minuten.

2. N geht davon aus, das Ei nicht an F zurückgeben zu müssen. Entspricht das dem Verständnis einer „Leihe“ im juristischen Sinne (vgl. §§ 598, 604 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es gibt eine Vielzahl von Begriffen, die man sowohl in der juristischen Fachsprache als auch in der Alltagssprache verwendet. Hierbei kann es vorkommen, dass die Begriffe in den verschiedenen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen haben bzw. verschieden gemeint sind oder verstanden werden. Aus diesem Grund kannst Du Dich bei der Auslegung juristischer Texte oftmals nicht allein auf den allgemeinen Sprachgebrauch eines Wortes stützen. Ein Beispiel hierfür ist die „Leihe“, die nach § 604 Abs. 1 BGB eine Rückgabepflicht des Entleihers begründet. Der Begriff der Leihe wird im allgemeinen Sprachgebrauch aber oft als i.S.e. „Schenkung“ verwendet (§ 516 Abs. 1 BGB). Die Auslegung der Vereinbarung zwischen F und N würde wohl dazu kommen, dass F und N keinen Leihvertrag geschlossen haben. An dieser Stelle geht es uns aber erst einmal darum, die verschiedenen Aspekte der wörtlichen Auslegung aufzuzeigen. Zur Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen später mehr!
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!

Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen