Bestehen eigener gleichartiger Geldansprüche II

31. Mai 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mandantin M erscheint bei Anwältin A. Sie trägt vor, dass K sie auf Zahlung von €10.000 verklagt. Weiter trägt M vor, dass sie seinerseits einen Zahlungsanspruch gegen K i.H.v. €10.000 hatte. Ms Anspruch ist aber mittlerweile verjährt.

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Einordnung des Falls

Bestehen eigener gleichartiger Geldansprüche II

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A wird M raten, aufgrund ihres bestehenden Gegenanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 320 BGB geltend zu machen.

Nein!

Wenn sich gleichartige Geldansprüche gegenüberstehen, ist die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht zulässig. Denn insoweit ist die Aufrechnung vorrangig (§§ 387ff. BGB).
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2. Als Ks Zahlungsanspruch entstanden ist, war Ms Forderung noch nicht verjährt. Scheidet aufgrund der inzwischen eingetretenen Verjährung von Ms Gegenforderung die Aufrechnung aus?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn sich zwei gleichartige Geldansprüche gegenüberstehen, kommt grundsätzlich eine Aufrechnung in Betracht (§§ 387ff.). Auch die Verjährung schließt die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte (§ 215 BGB). Zwar ist die Gegenforderung der M inzwischen verjährt. Sie stand dem Zahlungsanspruch des K jedoch zuvor schon aufrechenbar gegenüber. Die Aufrechnung ist somit trotz nunmehr eingetretener Verjährung wirksam (§ 215 BGB). M kann damit Ks Anspruch zum Erlöschen bringen (§ 389 BGB), sodass die Aufrechnung auch ein zweckmäßiges Verteidigungsmittel darstellt. A wird M daher raten, die Aufrechnung mit ihrer Forderung i.H.v. €10.000 gegen den Zahlungsanspruch des K zu erklären.

3. Alternativ wird A der M raten, ihre Gegenforderung im Wege der Widerklage (§ 33 ZPO) in den Prozess einzuführen.

Nein, das trifft nicht zu!

Vorsicht Falle! Da Ms Anspruch verjährt ist, könnte sich K im Falle einer Widerklage auf die Einrede der Verjährung berufen (§ 214 Abs. 1 BGB). Die Widerklage würde mangels Durchsetzbarkeit von Ms Forderung als unbegründet abgewiesen und M hätte hierfür die Kosten zu tragen. Im Falle einer verjährten Forderung ist deshalb die zusätzliche Erhebung einer Widerklage in der Regel nicht zweckmäßig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LO

Lorenz

26.3.2025, 16:26:41

Wie kann das denn gesetzgeberisch gewollt sein? Wieso kann man mit einer Forderung aufrechnen, die selbstständig gar nicht mehr durchsetzbar ist?

Sustainable Finance

Sustainable Finance

29.3.2025, 18:52:24

Möglicherweise liegt das daran, dass sich bei der

Aufrechnung

die Forderungen tatsächlich zu einem früheren Zeitpunkt aufrechenbar gegenüber standen und die

Aufrechnung

ex tunc wirkt. Bei einer isolierten Geltendmachung des verjährten Anspruchs ist die Situation insofern nicht vergleichbar, da die Forderung ‚jetzt‘ geltend gemacht wird und es keine Rückwirkungsfiktion in den unverjährten Zeitraum gibt. Der Anspruchsgegner ist auch nicht vergleichsweise schützenswert, da ihm die

Aufrechnungslage

bekannt sein musste. Vielleicht nicht im echten Leben, aber darum geht es bei uns ja nicht so häufig 😅…

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

29.3.2025, 19:50:38

Hallo @Lorenz, eine durchaus berechtigte Frage! Die Antwort von @[Sustainable Finance](6321) geht schon in die richtige Richtung. Zu den Details würde ich Dich zB an BeckOGK-BGB/Bach, Stand 1.3.2025, § 215 Rn 2 ff verweisen (oder jeden anderen größeren Kommentar), wo sehr umfassend auf den Normzweck und die Hintergründe des

§ 215 BGB

eingegangen wird. Stark verkürzt: Die

Aufrechnungslage

sei eine Art "Nicht

angriff

spakt" zwischen den Parteien, während der keiner seine Forderung geltend mache. Dieser "Pakt" solle nicht durch die Verjährung unterbrochen werden. Ließe man das zu, müsste bei drohender Verjährung Klage erhoben werden, was auch die Gerichte zusätzlich belaste. Diese Begründung kann man natürlich kritisch sehen, ein erheblicher TdL tut das auch (zB der zitierte BeckOGK oder auch MüKoBGB/Grothe, 10. Aufl 2025, § 215 Rn 1, die sich beide für eine ersatzlose Streichung der Norm aussprechen). Argumentiert wird ua mit Deinem Hinweis, Lorenz. Bildlich gesprochen (ähnlich wie BeckOGK-BGB/Bach, Stand 1.3.2025, § 215 Rn 7): Wenn man mit seiner Forderung nicht mehr "angreifen" kann, warum sollte man sich noch damit "verteidigen" dürfen? Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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