Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die zivilrechtliche Anwaltsklausur
Die Anwaltsklausur aus Beklagtensicht (Typ 2)
Bestehen eigener gleichartiger Geldansprüche II
Bestehen eigener gleichartiger Geldansprüche II
31. Mai 2025
5 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Mandantin M erscheint bei Anwältin A. Sie trägt vor, dass K sie auf Zahlung von €10.000 verklagt. Weiter trägt M vor, dass sie seinerseits einen Zahlungsanspruch gegen K i.H.v. €10.000 hatte. Ms Anspruch ist aber mittlerweile verjährt.
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Einordnung des Falls
Bestehen eigener gleichartiger Geldansprüche II
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A wird M raten, aufgrund ihres bestehenden Gegenanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 320 BGB geltend zu machen.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Als Ks Zahlungsanspruch entstanden ist, war Ms Forderung noch nicht verjährt. Scheidet aufgrund der inzwischen eingetretenen Verjährung von Ms Gegenforderung die Aufrechnung aus?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Alternativ wird A der M raten, ihre Gegenforderung im Wege der Widerklage (§ 33 ZPO) in den Prozess einzuführen.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lorenz
26.3.2025, 16:26:41
Wie kann das denn gesetzgeberisch gewollt sein? Wieso kann man mit einer Forderung aufrechnen, die selbstständig gar nicht mehr durchsetzbar ist?

Sustainable Finance
29.3.2025, 18:52:24
Möglicherweise liegt das daran, dass sich bei der
Aufrechnungdie Forderungen tatsächlich zu einem früheren Zeitpunkt aufrechenbar gegenüber standen und die
Aufrechnungex tunc wirkt. Bei einer isolierten Geltendmachung des verjährten Anspruchs ist die Situation insofern nicht vergleichbar, da die Forderung ‚jetzt‘ geltend gemacht wird und es keine Rückwirkungsfiktion in den unverjährten Zeitraum gibt. Der Anspruchsgegner ist auch nicht vergleichsweise schützenswert, da ihm die
Aufrechnungslagebekannt sein musste. Vielleicht nicht im echten Leben, aber darum geht es bei uns ja nicht so häufig 😅…

Sebastian Schmitt
29.3.2025, 19:50:38
Hallo @Lorenz, eine durchaus berechtigte Frage! Die Antwort von @[Sustainable Finance](6321) geht schon in die richtige Richtung. Zu den Details würde ich Dich zB an BeckOGK-BGB/Bach, Stand 1.3.2025, § 215 Rn 2 ff verweisen (oder jeden anderen größeren Kommentar), wo sehr umfassend auf den Normzweck und die Hintergründe des
§ 215 BGBeingegangen wird. Stark verkürzt: Die
Aufrechnungslagesei eine Art "Nicht
angriffspakt" zwischen den Parteien, während der keiner seine Forderung geltend mache. Dieser "Pakt" solle nicht durch die Verjährung unterbrochen werden. Ließe man das zu, müsste bei drohender Verjährung Klage erhoben werden, was auch die Gerichte zusätzlich belaste. Diese Begründung kann man natürlich kritisch sehen, ein erheblicher TdL tut das auch (zB der zitierte BeckOGK oder auch MüKoBGB/Grothe, 10. Aufl 2025, § 215 Rn 1, die sich beide für eine ersatzlose Streichung der Norm aussprechen). Argumentiert wird ua mit Deinem Hinweis, Lorenz. Bildlich gesprochen (ähnlich wie BeckOGK-BGB/Bach, Stand 1.3.2025, § 215 Rn 7): Wenn man mit seiner Forderung nicht mehr "angreifen" kann, warum sollte man sich noch damit "verteidigen" dürfen? Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team