Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Weitere Sekundäransprüche

Fehlender Ursachenzusammenhang zu Zweckverfehlung

Fehlender Ursachenzusammenhang zu Zweckverfehlung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

L mietet zu seinem 30.Geburtstag Vs größten Saal für €500. L verschickt für €700 Einladungen an seine 300 Gäste. Statt Geschenken bittet er um gute Laune. V überbucht den Saal versehentlich und sagt L deshalb kurzfristig ab. Seine Gäste hatten schon vorher alle abgesagt.

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Einordnung des Falls

Fehlender Ursachenzusammenhang zu Zweckverfehlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L könnte gegen V einen Anspruch auf Ersatz der Einladungskosten nach § 284 BGB haben.

Ja!

Der Anspruch auf Aufwendungsersatz setzt voraus: (1) Bestehen eines Anspruches auf Schadensersatz statt der Leistung dem Grunde nach, (2) „billige“ Aufwendungen im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung, (3) Verfehlung des Zwecks der Aufwendungen aufgrund der Pflichtverletzung des Schuldners.Ein Teil der Literatur sieht in § 284 BGB lediglich eine zusätzliche Rechtsfolge des Schadensersatzes statt der Leistung. In diesem Fall wäre als Anspruchsgrundlage auf §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 284 BGB abzustellen.
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2. L steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu.

Genau, so ist das!

Der Anspruch setzt dem Grunde nach voraus, dass (1) ein Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner - trotz Möglichkeit - nicht ordnungsgemäß leistet und (3) eine vom Gläubiger gesetzte, angemessene Nachfrist erfolglos abgelaufen ist. Ferner muss (4) der Schuldner seine Pflichtverletzung zu vertreten haben und schließlich (5) dem Gläubiger hierdurch ein Schaden entstanden sein.L und V haben einen Mietvertrag geschlossen, den V nicht erfüllt. Eine Fristsetzung war aufgrund seiner Weigerung entbehrlich. V hat im Hinblick auf die Überbuchung jedenfalls fahrlässig gehandelt. Das Ausbleiben der Leistung stellt einen Schaden dar.

3. Bei den Kosten für die Einladungen handelt es sich um Aufwendungen.

Ja, in der Tat!

Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der (vertragsgemäßen) Leistung erbracht hat. Maßgeblich ist eine wertende Betrachtung. Beruht die freiwillige Einbuße auf dem schädigenden Ereignis, so liegt ein Schaden vor (z.B. Aufwendungen zur Schadensabwehr, -feststellung, -minderung und -beseitigung). Handelt es sich dagegen um eine Einbuße, die ausschließlich auf dem autonomen und unabhängigen Entschluss des Geschädigten beruht, so handelt es sich um eine Aufwendung.L hat die Einladungen aus autonomen Gründen und unabhängig von Vs Pflichtverletzung versandt.

4. L durfte die Aufwendungen für die Einladungen „billigerweise“ tätigen.

Ja!

Durch die Beschränkung auf die „billigen“ Aufwendungen ist sichergestellt, dass der Gläubiger keine voreiligen oder im krassen Missverhältnis zur Leistung stehenden Aufwendungen tätigt. Hier kommt der allgemeine Rechtsgedanke des § 254 BGB zum Tragen, dass den Gläubiger die Obliegenheit trifft, die Belastung des Schuldners zu begrenzen.Zwar übersteigen die Einladungskosten die Saalmiete. Angesichts der Anzahl der Gäste kann im Hinblick auf die Kosten der Einladung aber nicht von einem krassen Missverhältnis der Kosten gesprochen werden.

5. Die Einladunskosten haben ihren Zweck aufgrund von Vs Pflichtverletzung verfehlt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Ersatz frustrierter Aufwendungen ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger diese trotz der Pflichtverletzung nutzt (Zweck nicht verfehlt) oder der Zweck auch ohne die Pflichtverletzung des Gläubigers nicht erreicht worden wäre (keine Kausalität).Selbst wenn V den Saal bereitgestellt hätte, wäre die Party ausgefallen, da alle Gäste abgesagt hatten.

6. L kann die Einladungskosten von V nach § 284 BGB ersetzt verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anspruch auf Aufwendungsersatz setzt voraus: (1) Bestehen eines Anspruches auf Schadensersatz statt der Leistung dem Grunde nach, (2) „billige“ Aufwendungen im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung, (3) Verfehlung des Zwecks der Aufwendungen aufgrund der Pflichtverletzung des Schuldners.Da Vs Pflichtverletzung nicht kausal dafür war, dass der Zweck der Einladungen verfehlt wurde, kann L die Einladungskosten nicht von V erstattet verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

19.1.2022, 16:42:05

Natürlich jetzt sehr hypothetisch: was wäre, wenn alle außer einem der Freunde abgesagt haben. Wären dann die Einladungskosten für alle zu ersetzen oder nur für den einen Freund der gekommen wäre? Oder etwas genereller: kommt es bei der Kausalität darauf an, ob die gesamten Kosten kausal verfehlt sind, oder werden die Kosten getrennt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 12:39:34

Hallo Helena, in der Tat eine spannende Frage, die auch in der Literatur nur sehr obeflächlich behandelt wird. Sofern der Gläubiger aber 1) billigerweise die Aufwendungen für die Einladungen tätigen durfte und 2) die Feier auch mit nur einem Gast stattgefunden hätte, spricht wenig dagegen ihm diese auch zu ersetzen. Denn die Rentabilität des Geschäfts spielt bei ideeler oder konsumtiver Zwecksetzung gerade keine Rolle. In der Praxis wird der Einwand in der Regel schon daran scheitern, dass der Schuldner beweisen müsste, dass der ideele Zweck nicht erreicht worden wäre. Dies dürfte ihm regelmäßig nicht gelingen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Blackpanther

Blackpanther

1.2.2023, 13:14:02

Aber könnte er dann nicht die fehlende Kausalität für der Pflichtverletzung für die restlichen 299 Gäste abstellen?

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

3.1.2023, 16:11:49

Finde das Ergebnis fragwürdig, der Zweck der Aufwendung war ja die Einladung an sich, nicht dagegen die Anwesenheit der Gäste zu sichern. Mit der dargestellten Argumentationen liefen solche Ansprüche regelmäßig - jedenfalls zu einem großen Prozentsatz - ins Leere. Vielmehr müsste darauf abgestellt werden, dass die Zusage des Saals ursächlich für die Anschaffung bzw. Versendung der Einladungen geworden ist. Es geht hier ja gerade um den Vertrauensschutz, der sonst entfiele.


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