Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Abgrenzung zur VK bei Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen: Standardfall

Abgrenzung zur VK bei Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen: Standardfall

24. Oktober 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

R möchte neben seinem Wohnhaus einen Pferdestall errichten. Er beantragt eine Baugenehmigung für einen Stall mit Flachdach. Die zuständige Behörde genehmigt den Bau eines Stalls unter der Maßgabe, dass ein Satteldach statt des Flachdachs gebaut wird.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung zur VK bei Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen: Standardfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt R. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Vorliegend sind Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage voneinander abzugrenzen.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO).R begehrt den Erlass einer Baugenehmigung (= Verwaltungsakt) für einen Stall mit Flachdach. Vorliegend ist fraglich, ob R sein Klagebegehren mit der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) erreichen kann, gerichtet auf Erteilung der von ihm beantragten Baugenehmigung, oder ob er Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) erheben muss, gerichtet auf Beseitigung der behördlichen Maßgabe zur Errichtung eines Satteldachs. Dies hängt davon ab, wie die behördliche Maßgabe zur Errichtung eines Satteldachs verwaltungsrechtlich einzuordnen ist.
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2. Verwaltungsakte können mit Nebenbestimmungen erlassen werden. Diese müssen von Inhaltsbestimmungen des Verwaltungsakts abgegrenzt werden.

Ja!

Nebenbestimmungen unterscheiden sich von Inhaltsbestimmungen eines Verwaltungsakts. Die Abgrenzung erfolgt durch Auslegung aus Sicht des Empfängerhorizonts. Eine Nebenbestimmung liegt vor, wenn die Behörde den Kern des ursprünglichen Begehrens unberührt lässt und nur eine zusätzliche Regelung trifft. Eine Inhaltsbestimmung liegt vor, wenn die Behörde durch den Zusatz die Reichweite des beantragten Verwaltungsakts definiert. Wenn die Hauptregelung ohne den Zusatz sinnvoll bestehen bleiben kann, handelt es sich um eine Nebenbestimmung. Inhaltsbestimmungen werden auch als unechte Nebenbestimmungen bezeichnet - im Gegensatz zu echten Nebenbestimmungen.

3. Die behördliche Maßgabe, dass R ein Satteldach bauen muss, ist eine Nebenbestimmung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Maßgabe, dass R ein Satteldach bauen muss, könnte eine Nebenbestimmung in Form einer Auflage sein. Eine Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Die Maßgabe ist indes abzugrenzen von einer Inhaltsbestimmung. Ohne die Maßgabe über die Dachart bleibt R nur eine Genehmigung eines Stalls ohne Dach. Dies ist aus R's Sicht keine sinnvolle Genehmigung. Die Maßgabe der Behörde ist damit eine Inhaltsbestimmung. Eine solche Maßgabe wird oft als „modifizierende Auflage“ bezeichnet. Sie ist aber gerade keine Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG), sondern eine Inhaltsbestimmung.

4. R kann die Maßgabe, dass er ein Satteldach bauen muss, isoliert anfechten.

Nein, das trifft nicht zu!

Nur Nebenbestimmungen sind unabhängig (= isoliert) von der Hauptregelung anfechtbar. Die Inhaltsbestimmungen eines Hauptverwaltungsakts können nicht voneinander getrennt werden und daher auch nicht einzeln angefochten werden. Begehrt der Kläger eine andere Art von Inhaltsbestimmungen, ist daher die Verpflichtungsklage statthaft, gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem begehrten Inhalt. Die Maßgabe, dass R ein Satteldach bauen muss, ist eine Inhaltsbestimmung der Baugenehmigung. Diese kann er nicht isoliert anfechten.

5. R begehrt den Erlass eines Verwaltungsakts. Statthaft ist die Verpflichtungsklage.

Ja!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Begehrt der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts, ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft. R begehrt den Erlass der Baugenehmigung (=Verwaltungsakt) für einen Stall mit Flachdach. Die Behörde hat mit der Maßgabe, ein Satteldach zu errichten, eine Inhaltsbestimmung, also eine neue Hauptregelung des Verwaltungsakts getroffen. Würde R die Maßgabe zur Errichtung des Satteldachs beseitigen, so bliebe ihm nur eine Genehmigung für einen Stall ohne Dach. R kann sein Klagebegehren daher nur erreichen, indem er auf Erlass der Baugenehmigung in der von ihm beantragten Form – also mit Flachdach – klagt. Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), nicht die Anfechtungsklage.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Burumar🐸

Burumar🐸

25.2.2024, 11:25:56

Bei einer Frage fehlt der Rest der Frage. Dadurch kann man nur raten.

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 14:14:23

Hallo Burumar, vielen Dank für dein Feedback! Magst du uns noch kurz mitteilen, welche Aufgabe genau unvollständig ist :)? Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Burumar🐸

Burumar🐸

26.2.2024, 14:57:03

Diese Aufgabe/ bei der dritten Frage fehlt das Ende der Fragre

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 15:00:19

Inwiefern siehst du hierin eine unvollständige Aussage für „stimmt“/„stimmt nicht“? In der Frage ging es darum, ob die vorliegende Maßnahme eine

Nebenbestimmung

darstellt oder nicht :). Falls ich deine Frage missverstanden habe, bitte ich um Aufklärung :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Burumar🐸

Burumar🐸

26.2.2024, 15:08:17

Habe den Fehler jetzt gefunden, wenn die Schriftgröße auf groß eingestellt ist, dann verschwindet bei Frage 3 das Wort

Nebenbestimmung

, dadurch ist die Frage bei großer Schriftgröße nicht beantwortbar. Bei den anderen Schriftgrößen funktioniert es.

G0D0FM

G0d0fMischief

13.7.2024, 16:16:05

Wäre es nicht sinnvoll hier noch auf die kassatorische Wirkung der Verpflichtungsklage im Hinblick auf den ursprünglich erlassenen VA hinzuweisen?

LELEE

Leo Lee

14.7.2024, 11:16:44

Hallo G0d0fMischief, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat hast du völlig Recht. Durch die Verpflichtungsklage wird der ursp. VA ersetzt, auch ohne dass eine AK erhoben werden muss. Wir haben jedoch generell darauf verzichtet, die „kassatorische“ Wirkung der VK zu erwähnen (generell bei den Aufgaben), da diese Wirkung zwar rechtsdogmatisch völlig richtig, jedoch kaum klausurrelevant ist. Bei den

verwaltungsrecht

lichen Klausuren geht es nämlich i.R.e. VK darum, das Vorliegen eines Anspruchs festzustellen. Hinzu kommt, dass wir unsere Nutzer und Nutzerinnen soweit wie möglich von Begriffen, die „Verwirrungspotenzial“ haben, verschonen möchten. Wir bitten dich daher insoweit um Nachsicht und wünschen dir noch viel Spaß mit den anderen sehr tollen Aufgaben bei Jurafuchs :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

BU✨

busy B 🐝 ✨

12.9.2024, 17:06:18

Hi :) ist das herrschende Meinung, dass

Inhaltsbestimmung

en nicht isoliert angefochten werden können? Ich habe eigentlich gelernt, dass das nur bei anfänglichen

Inhaltsbestimmung

en der Fall ist (wie ein diesem Fall). Allerdings können nachträgliche

Inhaltsbestimmung

en mit der Anfechtungsklage angegriffen werden, weil das nichts anderes als eine Teilaufhebung gem. §§ 48, 49 VwVfG sei? Würde mich freuen, wenn das kurz aufgeklärt werden könnte. Vielleicht hab ich da auch einfach etwas falsch verstanden 🙈

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

13.9.2024, 11:47:49

Hallo @[busy B 🐝 ✨](247318), danke für deine Frage. Leider habe ich in der mir zur Verfügung stehenden Kommentarliteratur nichts zum Thema der nachträglichen

Inhaltsbestimmung

en gefunden. Vielleicht hast du eine Quelle für mich? Ich würde das jetzt aber so verstehen:

Behörde

B erlässt die Baugenehmigung (uneingeschränkt). Nachträglich modifiziert B die Baugenehmigung inhaltlich dahingehend, dass A ein Sattel- statt Giebeldach bauen muss. Meines Erachtens wäre diese nachträgliche

Inhaltsbestimmung

ein neuer Verwaltungsakt, durch den die Regelung der vorher ergangenen Baugenehmigung ersetzt wird. Die nachträgliche

Inhaltsbestimmung

wäre dann m.E. sogleich eine Aufhebung (§§ 48, 49 VwVfG) der ersten Genehmigung. Gegen diesen zweiten Verwaltungsakt müsste A dann selbstverständlich mit einer Anfechtungsklage vorgehen: Denn die Aufhebung der nachträglichen

Inhaltsbestimmung

führt ja dazu, dass die ursprüngliche Baugenehmigung wieder wirksam wird. Meines Erachtens ist dies also kein „echter“ Fall der isolierten Anfechtbarkeit, sondern ein „normaler“ Fall einer Anfechtungsklage, die einen belastenden Verwaltungsakt zum Gegenstand hat. Aber korrigiere mich bitte, wenn du mit dem Begriff der „nachträglichen

Inhaltsbestimmung

“ etwas anderes meintest. Die Frage, ob anfängliche

Nebenbestimmung

en isoliert anfechtbar sind, stellt sich ja nur, weil es keine vorherige Regelung (durch einen Verwaltungsakt) gibt und die Anfechtung einzelner Bestimmungen letztlich dazu führt, dass der Verwaltungsakt keinen Sinn mehr ergibt und dies auch nicht dem Begehren des Adressaten entspricht (Anfechtung des Satteldachs führt dazu, dass eine Baugenehmigung für ein Haus ohne Dach übrig bliebe). Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

BU✨

busy B 🐝 ✨

13.9.2024, 12:20:33

Vielen Dank für deine schnelle Antwort! Ich hab die Unterscheidung aus den JuraIntensiv Karteikarten fürs Examen, die geben aber leider keine Quellen an. Deine Erklärung erscheint mir allerdings denklogisch schlüssiger und leichter nachvollziehbar. Und eine wirkliche examensrelevanz scheint ja eh nur die

isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen

zu haben :)


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