Öffentliches Recht
VwGO
Anfechtungsklage
Abgrenzung Inhaltsbestimmung / Nebenbestimmung; isolierte Anfechtung
Abgrenzung Inhaltsbestimmung / Nebenbestimmung; isolierte Anfechtung
4. Juli 2025
17 Kommentare
4,8 ★ (23.090 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
R möchte neben ihrem Wohnhaus einen Pferdestall errichten. Sie beantragt eine Baugenehmigung für einen Stall. Die zuständige Behörde genehmigt den Bau des Stalls unter der Maßgabe, dass zuvor alle Nachbarn der R dem Bau zustimmen. R will gegen das Zustimmungserfordernis vorgehen.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Abgrenzung Inhaltsbestimmung / Nebenbestimmung; isolierte Anfechtung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt R. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Vorliegend sind Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage voneinander abzugrenzen.
Genau, so ist das!
2. Bei der Maßgabe, dass R die Zustimmung der Nachbarn einholen muss, handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Frage, ob eine Nebenbestimmung unabhängig vom Hauptverwaltungsakt angefochten werden kann (= isolierte Anfechtbarkeit), ist umstritten.
Ja!
4. Nach der herrschenden Lehre ist die isolierte Anfechtungsklage bei Nebenbestimmungen ausnahmslos statthaft.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Die Baugenehmigung ist ohne das Zustimmungserfordernis offenkundig rechtswidrig. Eine isolierte Anfechtung des Zustimmungserfordernisses ist deshalb ausgeschlossen.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Paul
22.1.2024, 10:44:39
müsste man nicht noch die Art der Bedingung feststellen? also ob es sich um eine auflösende oder aufschiebende handelt. nur bei der auflösenden könnte ja die iso. AK statthaft sein, da bei Wegfall der aufschiebenden Bedingung der vA nicht wirksam wird.
okalinkk
13.5.2025, 11:14:49
Frage ich mich auch
vivien_ti
22.5.2024, 15:53:46
Geht es bei der hM nach der
Nebenbestimmungengrundsätzlich isoliert anfechtbar sind, nicht nur um die logische Teilbarkeit vom HauptVA? Und meines Erachtens kommt es doch auf die materielle Teilbarkeit in der
Begründetheitdurch die neue Rspr. gar nicht mehr an?

Maximilian Puschmann
23.5.2024, 09:42:59
Hallo vivientisch, in der Zulässigkeit ist gemäß der Rechtsprechung grundsätzlich jede Nebenbestimmung isoliert anfechtbar. Ausnahmsweise soll laut der Rechtsprechung eine
isolierte Anfechtungsklageschon nicht zulässig sein, wenn die isolierte Aufhebbarkeit der Nebenbestimmung offenkundig ausgeschlossen ist. Trotzdem würde man in der Examensklausur hier die anderen Meinungen ansprechen und diskutieren, um Problembewusstsein zu zeigen. In der
Begründetheitkommt es auch nach der neueren Rechtsprechung darauf an, dass der
Grundverwaltungsaktin sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann. Die neue Rechtssprechung bzw. die Einigung der Senate durch das Einlenken des 4. Senats im Beschl. v. 12.10.2022, BVerwG 8 AV 1.22, zielt auf die Problematik, dass der zurückbleibende
Grundverwaltungsaktrechtswidrig
ist, diese
Rechtswidrigkeit jedoch nicht kausal auf dem Wegfall der Nebenbestimmung beruht. Hier herrscht nun Einigkeit, dass die
Anfechtungsklagedann dennoch begründet ist. Hierzu gut und kompakt folgende Literaturempfehlung: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverwg-senat-isolierte-anfechtung-
nebenbestimmungen-verwaltungsakt-
rechtswidrig-streit/ Beste Grüße Max - Für das Jurafuchs-Team
Lorenz
18.7.2024, 18:32:21
Zunächst heißt es, dass
Nebenbestimmungengemäß hL und BVerfG anfechtbar sind. Danach ist die Frage dann aber, ob immer eine Anfechtbarkeit möglich ist, um dies dann zu verneinen mit Hinweis auf die eine Ausnahme bei offensichtlicher
Rechtswidrigkeit.

Linne Hempel
19.7.2024, 12:16:00
Hallo Lorenz, danke für Deine Rückmeldung. Die Aufgabe stellt zunächst einmal den Grundsatz dar: „Nach einer vierten Ansicht (BVerwG und hL) sollen
NebenbestimmungenGRUNDSÄTZLICH anfechtbar sein.“ um dann die von Dir angesprochene Ausnahme aufzuzeigen. Diese Darstellung ist m.E. gängig und sinnvoll. Ich habe jetzt aber in der Aufgabe noch deutlicher gemacht, dass es sich um einen Grundsatz handelt, von dem Ausnahmen gemacht werden können. Ich hoffe, ich habe Dir damit weitergeholfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team
isa_hh
12.8.2024, 11:32:12
Ich hätte vielmehr § 36 Abs. 1 angenommen und dass eine Zustimmung doch schon gar nicht verlangt werden kann? Ich verstehe irgendwie den Bogen zu § 36 Abs. 2 nicht und wieso überhaupt isoliert angefochten werden muss ..

Linne Hempel
12.8.2024, 14:58:18
Hallo @[
zur Baugenehmigung nur nach Maßgabe des § 36 Abs.
1 VwVfGrechtmäßig sein können, weil es es sich bei der Entscheidung, ob eine Baugenehmigung erteilt wird, um eine
gebundene Entscheidunghandelt. Allerdings können auch
Nebenbestimmungen, die nach Maßgabe des § 36 Abs.
1 VwVfGerlassen werden einer Art von Nebenbestimmung aus § 36 Abs. 2 VwVfG zugeordnet werden. § 36 Abs. 2 VwVfG ist nämlich nicht nur die Grundlage für den Erlass von
Nebenbestimmungenbei Ermesssensentscheidungen, sondern enthält auch die Legaldefinitionen der gängigen
Nebenbestimmungen. Diese gelten auch für § 36 Abs.
1 VwVfG. Eine Zuordnung zu einer der aufgezählten
Nebenbestimmungenist natürlich nicht zwingend. Es kann Dir aber in der Klausur bei der Einordnung einer Regelung als Nebenbestimmung helfen. Es ist in den Klausuren üblich, die Art der Nebenbestimmung zu nennen. Aus diesem grund taucht § 36 Abs. 2 VwVfG in unserem Fall auf, nicht, weil sich die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung nach dieser Norm richtet. Die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung beleuchten wir in diesem Fall gar nicht, weswegen wir auch keine Zuordnung zu § 36 Abs.
1 VwVfGvornehmen. Vorliegen kam es uns allein darauf an, die Frage des Rechtsschutzes gegen
Nebenbestimmungenzu beleuchten. Hier gelten sowohl für Fälle des § 36 Abs.
1 VwVfGals auch § 36 Abs. 2 VwVfG diesselben Grundüberlegungen. Zu Deiner Frage, warum die isolierte Anfechtbarkeit in diesem konkreten Fall auch relevant ist: Nur, weil die
Behördedie Nebenbestimmung nicht erlassen „durfte“, ändert dies ja erst einmal nichts daran, dass sie es (wirksam) getan hat (für eine Nichtigkeit der Nebenbestimmung gibt es hier keine Anhaltspunkte). Der Adressat muss die Nebenbestimmung also trotzdem „aus der Welt schaffen“. In diesem Zusammenhang stellt sich dann also die Frage, ob auf Neuerlass der begehrten Genehmigung geklagt werden muss (=
Verpflichtungsklage) oder allein die
rechtswidrige Nebenbestimmung angegriffen werden kann (=
Anfechtungsklage). Die letzte Variante ist für den Kläger in der Regel vorteilhafter, weil die
Begünstigung(hier: Baugenehmigung) bestandskräftig werden kann. Müsste auf den Neuerlass der Baugenehmigung geklagt werden, so wäre es ja z.B. denkbar, dass das Gericht i.R.d. Verfahrens zu dem Schluss kommt, dass tatsächlich gar kein Anspruch auf Erlass der begehrten Genehmigung besteht. In diesem Fall würde der Kläger mit leeren Händen ausgehen. Ficht er nur die Nebenbestimmung an, so wirkt sich die
Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nicht zu seinen Ungunsten aus, sofern materielle Teilbarkeit zwischen der Baugenehmigung und der Nebenbestimmung besteht. Schaue dir dazu gerne noch die anderen Aufgaben in diesem Kapitel an und melde Dich bei weiteren Unklarheiten. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team
_Andor_
28.8.2024, 19:21:23
In der Aufgabenbestellung wird pauschal behauptet, dass
Nebenbestimmungendie Voraussetzungen von § 35 S.
1 VwVfGerfüllten und daher Verwaltungsakte seien. Dies ist in seiner Pauschalität unzutreffend und wird bezüglich einzelner
Nebenbestimmungenteils mehr, teils weniger bestritten. Ein Hinweis auf den Streitstand/die Streitstände wäre m.E. sinnvoll.

Nocebo
5.1.2025, 12:32:36
Wichtiger Hinweis, der noch nicht eingearbeitet wurde!

luisahrn
13.1.2025, 23:27:58
In den vorherigen Aufgaben sowie in den Aufgaben bezüglich der
Nebenbestimmungenim Kapitel „
Verwaltungsrecht AT“ wird auch gesagt, dass
Nebenbestimmungenkeine Verwaltungsakte sind aber einen solchen Charakter aufweise. Das klang für mich auch per se plausibler

schwemmely
1.4.2025, 12:09:36
Ich bitte auch um Einarbeitung! Ich fände es wie luisahrn gut für die Einheitlichkeit, dass man wie in VwR AT schreibt, dass
Nebenbestimmungen"die Qualität eines Verwaltungsakts aufweisen" (man könnte zudem noch einen Vertiefungshinweis anbringen, in dem man unterscheidet zwischen selbstständigen und unselbstständigen
Nebenbestimmungen... und worin gerade ihr Unterschied besteht, was in dem Streit der isolierten Anfechtung wegen der einen vertretenen Ansicht durchaus relevant für das Verständnis wäre.) :))
Paul Hendewerk
10.4.2025, 18:27:55
Ich bitte auch um Einarbeitung!
fisko
11.6.2025, 15:38:07
push für die Überarbeitung

Tim Gottschalk
14.6.2025, 09:06:52
Hallo @[_Andor_](138198), @[Nocebo](222699), @[luisahrn](277412), @[schwemmely](114183), @[Paul Hendewerk](274540) und @[fisko](267457), ich stimme euch zu, dass das in der Aufgabe hier nicht gut dargestellt war. Wir haben die erste Frage daher jetzt umfassend angepasst und den anderen Aufgaben angeglichen. Hinsichtlich der Verwaltungsaktsqualität von
Nebenbestimmungenist der Streit im Wesentlichen der gleiche wie bezüglich der isolierten Anfechtbarkeit. Daher ist es auch nicht erforderlich, diesen an der Stelle darzustellen. Vielen Dank für eure Hinweise. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Zlatan1328
5.11.2024, 13:20:21
So wie ich es mit dem Skript von Prof. Kersten verstanden habe, hat das BVerwG die alte Rspr aufgegeben: Früher war die
Anfechtungsklageunbegründet, wenn zwar die Nebenbestimmung
rechtswidrigwar, der Hauptverwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung aber auch
rechtswidrigwar. Inzwischen ist dann die Klage troztdem begründet, die Rechtmäßigkeit des Haupt VA ist nämlich nicht Gegenstand der Klage und die
Behördekann den Haupt VA nach
§ 48 VwVfGzurücknehmen.

Linne Hempel
9.4.2025, 12:20:27
Hey @[Zlatan1328](215493), danke für die Anmerkung. Hier musst Du zwei Ebenen trennen: (1) Die Frage nach der statthaften Klageart: Hier diskutierst Du erst einmal, ob die isolierte Anfechtung überhaupt statthaft ist. An dieser Stelle wird die von Dir angesprochene Rechtsprechung noch nicht relevant. Darauf kommst Du – wie Du selbst schon richtig sagst – erst im Rahmen der (2)
Begründetheitder Klage zu sprechen. In dieser Aufgabe behandeln wir nur den Aspekt aus (1). Die
Begründetheitunter Berücksichtigung der Rspr. des BVerwG haben wir in dieser Aufgabe aufbereitet: https://applink.jurafuchs.de/q5uATRekqSb Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team