Öffentliches Recht

Grundrechte

Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)

Staatliches Informationshandeln II - Schutzerklärungen

Staatliches Informationshandeln II - Schutzerklärungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Stadt H empfiehlt Unternehmen, ihre Geschäftspartner zu Beziehungen zu Scientology auszufragen, und veröffentlicht dafür eine vorgedruckte Schutzerklärung. Scientology-Mitglied S betreibt ein Wickelstudio. Ihr Windellieferant W bittet sie, die Schutzerklärung zu unterschreiben. S verweigert dies. W kündigt daraufhin die Geschäftsbeziehung.

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Einordnung des Falls

Staatliches Informationshandeln II - Schutzerklärungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vorausgesetzt Scientology ist als Weltanschauung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einzuordnen: Stellt die staatliche Schutzerklärung einen klassischen Eingriff in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit dar?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach dem klassischen Eingriffsbegriff muss das staatliche Handeln, das zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt, final, unmittelbar und durch Rechtsakt geschehen sowie mit Zwang durchsetzbar sein. Die staatliche Empfehlung für Geschäftsleute zur Verwendung eines Erklärungsvordrucks im Geschäftsverkehr mit potenziellen Scientology-Mitgliedern erfüllt keines der Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffs. Sie ist lediglich als schlichtes Verwaltungshandelneinzustufen.
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2. Stellt die staatliche Schutzempfehlung als rein tatsächliches staatliches Handeln einen Eingriff in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit dar?

Ja!

In den Schutzbereich der Glaubensfreiheit wird nach dem modernen Eingriffsbegriff eingegriffen, wenn der Staat eine der geschützten Verhaltensweisen in irgendeiner Weise regelt oder faktisch behindert. Darunter fallen auch schlichtes Verwaltungshandeln und mittelbar-faktische Eingriffe. Die staatliche Empfehlung an Unternehmen, von ihren Geschäftspartnern eine Schutzerklärung unterschreiben zu lassen, stellt einen mittelbar-faktischen Eingriff dar. Denn sie verfolgt das erklärte Ziel, Scientology-Mitglieder im Geschäftsverkehr zu „enttarnen“, was in der Folge regelmäßig zu einer geschäftlichen Benachteiligung und damit einer Beeinträchtigung im Geschäftsverkehr führen soll. Dies behindert faktisch die Zugehörigkeit zur Weltanschauungsgemeinschaft der Scientology. Nach Ansicht des BVerwG war diese Schutzerklärung rechtswidrig, weil ihr die erforderliche Ermächtigungsgrundlage fehlte und sie die Herausgabe der Schutzerklärung auch nicht auf ihre verfassungsunmittelbare Aufgabe der Staatsleitung (staatliches Informationshandeln) stützen konnte. Deshalb konnte S hier, gestützt auf die Glaubensfreiheit, von H Unterlassung verlangen.
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