Strafrecht

BT 7: Nachtatdelikte u.a.

Strafvereitelung (§ 258 StGB)

Außerdienstliche Kenntniserlangung von Straftaten

Außerdienstliche Kenntniserlangung von Straftaten

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Staatsanwältin S ist erschöpft auf dem Weg in den Feierabend. In der U-Bahn-Station sieht sie, wie jemand einen Mann ausraubt (§ 249 StGB). S findet, sie müsse jetzt nicht auch noch ihre Freizeit der Strafverfolgung opfern. Ohne etwas zu unternehmen, fährt S nach Hause.

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Einordnung des Falls

Außerdienstliche Kenntniserlangung von Straftaten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Als Staatsanwältin ist S Amtsträgerin und zur Mitwirkung an der Strafverfolgung berufen (§ 258a StGB).

Ja, in der Tat!

Der Begriff des Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert. Als Staatsanwältin ist S Beamtin und damit Amtsträgerin im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 a StGB. Eine Staatsanwältin ist dienstlich dazu verpflichtet, an der Sanktionierung von Straftaten mitzuwirken.
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2. S hat im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit Kenntnis von dem Raub erlangt.

Nein!

Erlangt ein Amtsträger, der zur Mitwirkung in dem Strafverfahren berufen ist, im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit Kenntnis von einer Straftat, ist er verpflichtet, gegen die Straftat einzuschreiten und die Täter zu verfolgen. Eine Garantenpflicht nach § 13 StGB wird begründet. Das gebietet das Legalitätsprinzip, §§ 152 Abs. 2, 160 StPO. Hier war S allerdings auf dem Heimweg und hat die Straftat damit als „Privatperson” bemerkt. Eine Pflicht zum Einschreiten ergibt sich damit jedenfalls nicht aus der Kenntniserlangung im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit.

3. Nach h.M. trifft Staatsanwälte ausschließlich bei dienstlich erlangter Kenntnisnahme von Straftaten eine Verfolgungspflicht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Inwieweit eine Pflicht zum Einschreiten bei außerdienstlicher Kenntniserlangung besteht, ist umstritten: BGH und h.M. nehmen eine Abwägung zwischen dem Recht auf einen gewissen privaten Freiraum des Amtsträgers und den Belangen der Strafrechtspflege vor. Eine Verfolgungspflicht bestehe damit bei außerdienstlicher Kenntniserlangung zumindest dann, wenn durch Art und Umfang der Straftat Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berührt werden. Das ist regelmäßig bei den Katalogtaten des § 138 StGB der Fall. Zudem können etwa auch erhebliche Straftaten gegen die Umwelt oder Taten mit hohem wirtschaftlichen Schaden verfolgungspflichtig sein.S hat einen Raub beobachtet. Dabei handelt es sich um eine Katalogtat nach § 138 Abs. 1 Nr. 7 StGB. Es ist deswegen anzunehmen, dass es sich um eine Straftat handelt, die Belange der Öffentlichkeit und Volksgesamtheit in besonderem Maße berührt. Bei einer solchen Straftat besteht für S nach Ansicht des BGH eine Verfolgungspflicht, der sie nicht nachgekommen ist. Sie hat sich demnach nach §§ 258a Abs. 1, 13 StGB strafbar gemacht.

4. Auch bei Amtsträgern muss der verfassungsrechtlich garantierte private Freiraum geschützt werden. Das spricht gegen eine Verfolgungspflicht bei Straftaten, von denen außerdienstlich Kenntnis erlangt wird.

Ja, in der Tat!

Nach einer teilweise vertretenen Ansicht ist eine Verfolgungspflicht generell zu verneinen. Aus Art. 1, 2 GG ergebe sich ein Anspruch auf einen privaten Freiraum des Amtsträgers. Müsste der Amtsträger auch in seiner Freizeit gegen Straftaten einschreiten, würde seine Privatsphäre durch allgegenwärtige Dienstpflichten übermäßig in Beschlag genommen. Zudem sei nicht klar gefasst, wann eine Straftat erheblich genug sei, um eine Verfolgungspflicht zu begründen. Diese Unklarheit widerspreche dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und müsse deswegen vermieden werden.S hat den Raub außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit bemerkt. Nach dieser Ansicht ist sie nicht verpflichtet, die Strafverfolgung zu betreiben. Sie hat sich nicht nach §§ 258a Abs. 1, 13 StGB strafbar gemacht.

5. Kommt für S noch eine Strafbarkeit wegen anderer Delikte in Betracht?

Ja!

S hat sich ferner nach § 323c Abs. 1 StGB wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht, indem sie nach Hause fuhr, ohne etwas zu unternehmen.Dein Wissen über die unterlassene Hilfeleistung kannst Du hier auffrischen.
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