Mehrere Strafmilderungsgründe und Doppelverwertungsverbot

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird wegen Beihilfe zur Untreue (§§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) verurteilt. Das Gericht sieht A nicht als Mittäter an, weil er keine Vermögensbetreuungspflicht hatte. Das Gericht nimmt eine doppelte Strafrahmenmilderung vor (§§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB).

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Einordnung des Falls

Mehrere Strafmilderungsgründe und Doppelverwertungsverbot

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nimmt das Gericht mehrere Strafmilderungsgründe an, kann immer eine doppelte Strafrahmenverschiebung erfolgen (§ 49 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Treffen mehrere Strafmilderungsgründe zusammen, bei denen eine Herabsetzung der Strafe vorgeschrieben oder zugelassen ist, so ist eine mehrfache Herabsetzung des Strafrahmens nach § 49 Abs. 1 StGB möglich. Dies gilt jedoch nur, wenn die Milderungsgründe eine selbstständige tatsächliche Grundlage haben. Beruhen die Strafmilderungen auf demselben Umstand, scheidet eine doppelte Strafmilderung aus.
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2. Sowohl die Beihilfe (§ 27 Abs. 2 StGB) als auch das Fehlen besonderer persönlicher Merkmale beim Teilnehmer (§ 28 Abs. 1 StGB) führen für sich zwingend zu einer Strafmilderung.

Ja!

Im Falle der Beihilfe (§ 27 Abs. 2 StGB) und des Fehlens besonderer persönlicher Merkmale beim Teilnehmer, die die Strafbarkeit begründen (§§ 28 Abs. 1, 14 Abs. 1 StGB), muss der Strafrahmen jeweils gemildert werden, da beide Normen dem Tatgericht kein Ermessen eröffnen. Beides sind obligatorische Strafmilderungsgründe.Das besondere persönliche Merkmal (§ 14 Abs. 1 StGB) liegt hier in der Vermögensbetreuungspflicht, die das Gericht für A verneint.

3. Eine doppelte Strafrahmenmilderung ist vorliegend schon gemäß § 50 StGB (Doppelverwertungsverbot) ausgeschlossen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Hier treffen zwei Strafmilderungsgründe zusammen. § 50 StGB betrifft dagegen nur den Fall, dass ein tatsächlicher Umstand zugleich einen minder schweren Fall und einen Strafmilderungsgrund nach § 49 Abs. 1 StGB darstellt. Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn das Tatbild vom Durchschnittsfall der Norm so stark nach unten abweicht, dass eine Strafe nach dem Regelstrafrahmen eine unverhältnismäßige Härte bedeuten würde. Für minder schwere Fälle sind im Deliktstatbestand feste Strafrahmen festgeschrieben (vgl. § 213 StGB). Strafmilderungsgründe führen dagegen über §49 Abs. 1 StGB zur Strafrahmenverschiebung. Ein Fall des § 50 StGB liegt zB vor, wenn das Tatgericht einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB annimmt, weil die Tat mit psychischen Defekten des Täters zusammenhängt was auch die Strafmilderung nach § 21 StGB eröffnet.

4. Die doppelte Strafrahmenverschiebung durch das Tatgericht war hier rechtmäßig.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich ist bei Zusammentreffen mehrerer zwingender Strafmilderungsgründe eine doppelte Strafrahmenmilderung vorzunehmen. Dies gilt jedoch nur, wenn die Milderungsgründe eine selbstständige tatsächliche Grundlage haben. Hier führt aber dieselbe Tatsache, das Fehlen der Vermögensbetreuungspflicht, sowohl über § 28 Abs. 1 StGB wie über § 27 Abs. 2 StGB ohne Hinzutreten irgendeines anderen Umstandes zur Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB. Die doppelte Strafmilderung war rechtsfehlerhaft. Grund ist das Konkurrenzverhältnis des § 28 Abs. 1 StGB und § 27 Abs. 2 StGB. Bei Einführung des § 28 Abs. 1 StGB wollte der Gesetzgeber die damals noch fakultative Strafmilderung für Beihilfe Leistende (§ 27 Abs. 2 StGB) für den Fall des Fehlens besonderer persönlicher Merkmale zwingend machen und ging so insgesamt nur von einer möglichen Strafmilderung aus.
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