Sicherungsverfügung (Beispielsfall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Heinz (H) hat Anneliese (A) sein geliebtes Fahrrad geliehen. Da A das Rad nach Ende der Leihzeit nicht an H herausgegeben hat, will H seinen Herausgabeanspruch aus § 604 Abs. 1 BGB gerichtlich geltend machen. H erfährt, dass A plant, das Rad an den gutgläubigen G zu veräußern.

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Einordnung des Falls

Sicherungsverfügung (Beispielsfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Reicht es zur Sicherung seines Herausgabeanspruchs aus, wenn H Klage auf Herausgabe vor dem zuständigen Gericht erhebt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Oft dauert es sehr lange, bis im allgemeinen Erkenntnisverfahren über eine Klage entschieden ist. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn der Verlust eines Rechts droht oder eine Entscheidung im allgemeinen Erkenntnisverfahren zu spät kommen würde. Hier droht der Verlust des Eigentumsrechts des H aufgrund der geplanten Veräußerung des Rads durch A an einen gutgläubigen Erwerber (§§ 929, 932 Abs. 1 BGB). Wenn H kein Eigentümer des Fahrrads mehr wäre, stünde ihm auch der Herausgabeanspruch aus § 604 Abs. 1 BGB nicht mehr zu. Mit anderen Worten: Der Herausgabeanspruch würde vereitelt werden. Dies gilt es zu verhindern.
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2. H sollte daher den Erlass einer einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) beantragen.

Ja, in der Tat!

Für den Fall, dass der Verlust oder Vereitelung eines Rechts droht und dem nicht rechtzeitig durch das oft langwierige Hauptsacheverfahren begegnet werden kann, sieht die ZPO in §§ 916 ff. ZPO ein Eilverfahren (sog. einstweiliger Rechtsschutz) vor. Dies ist ein beschleunigtes Verfahren und damit Ausprägung der Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Die einstweilige Verfügung kommt in Betracht, wenn es um die vorläufige Sicherung von anderen, als der in § 916 Abs. 1 ZPO aufgeführten, Ansprüchen geht (z.B. auf Herausgabe oder Unterlassung).Hier geht es um einen Herausgabeanspruch.

3. Es sind zwei Arten von einstweiligen Verfügungen zu unterscheiden (§§ 935 ff. ZPO).

Nein!

Zu unterscheiden ist zwischen drei Arten von einstweiligen Verfügungen: Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO), die der Sicherung eines Individualanspruchs auf gegenständliche Leistung dient, Regelungsverfügung (§ 940 ZPO), die dazu dient, einen Zustand zu erhalten oder zu gestalten, bis eine Entscheidung über ein streitiges Rechtsverhältnis ergeht und Leistungsverfügung (§§ 935, 940 ZPO analog), mit der ausnahmsweise eine vorläufige Befriedigung des Anspruchs erreicht wird.

4. Hier ist die Sicherungsverfügung gemäß § 935 ZPO statthaft.

Genau, so ist das!

Die Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO) dient der Sicherung eines Individualanspruchs auf gegenständliche Leistung (z.B. Herausgabe, Lieferung, Übereignung, Duldung, Unterlassung, Sicherung eines Pfandrechts). Der Herausgabeanspruch des H gegen A ist Individualanspruch auf eine gegenständliche Leistung. Somit ist eine Sicherungsverfügung nach § 935 ZPO statthaft.

5. Damit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Sicherungsverfügung in der Sache Erfolg hat, muss insbesondere auch ein Verfügungsgrund nach § 935 ZPO vorliegen. Ist das hier der Fall?

Ja, in der Tat!

Ein Verfügungsgrund ist nach § 935 ZPO gegeben, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts oder einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Beispiele: Veräußerung, Wegschaffung, Belastung, Veräußerung von Sachen (an gutgläubige Erwerber), Verbringen einer Sache an einen unbekannten Ort. Hier plant A das Fahrrad an den gutgläubigen G zu veräußern. Infolgedessen droht ein Verlust des Eigentumsrechts des H und damit eine Vereitelung der Verwirklichung seines Herausgabeanspruchs.

6. Ein Antrag auf Erlass der Sicherungsverfügung des H hat demnach Aussicht auf Erfolg. Sollte H daher mit dem Antrag auf Erlass einer Sicherungsverfügung die Herausgabe des Fahrrads an sich selbst beantragen?

Nein!

Das einstweilige Verfügungsverfahren ist nur auf vorläufige Regelungen gerichtet. Daher ist eine einstweilige Verfügung, die die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt, grundsätzlich nicht zulässig. Eine Ausnahme gilt nur bei der Leistungsverfügung. Dazu später mehr. Dies muss auch bei der Antragstellung berücksichtigt werden. H sollte bezüglich seines Herausgabeanspruchs, die Herausgabe an einen Sequester beantragt werden. Dieser muss die Sache verwahren, bis in der Hauptsache entschieden ist. Damit vermeidet H, dass sein Antrag wegen Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig ist.
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