Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Verwaltungsvollstreckung

Ausnahmsweise Zwangsgeld bei vertretbarer Handlung

Ausnahmsweise Zwangsgeld bei vertretbarer Handlung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auf dem Hof der L steht eine alte Scheune, die mehr und mehr zerfällt, wobei auch immer wieder Bauteile auf den angrenzenden Fußweg stürzen. Behörde B erlässt eine sofort vollziehbarer Beseitigungsverfügung unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 Euro. Der Abriss durch eine Firma würde 15.000 Euro kosten. L steht kurz vor der Privatinsolvenz.

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Einordnung des Falls

Ausnahmsweise Zwangsgeld bei vertretbarer Handlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Zwangsgeld kommt vor allem als Zwangsmittel zur Durchsetzung einer unvertretbaren Handlung in Betracht.

Ja!

Das Zwangsmittel des Zwangsgeldes ist in § 11 VwVG geregelt. Ein Zwangsgeld ist im Regelfall dann das richtige Zwangsmittel, wenn die Handlung, das Tun oder Unterlassen unvertretbar ist, also nur vom Pflichtigen vorgenommen werden kann (§ 11 Abs. 1 S. 1 VwVG). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn es sich um höchstpersönliche Rechtsgeschäfte handelt oder die Erfüllung der Pflicht allein vom Willen des Pflichtigen abhängt. Dies können Fälle sein, in denen der Pflichtige ein bestimmtes Verhalten oder eine Tätigkeit unterlassen soll. Der Abriss der Scheune kann grundsätzlich auch durch eine andere Person als L vorgenommen werden, zum Beispiel durch ein Abrissunternehmen. Es handelt sich um eine vertretbare Handlung.
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2. Auch zur Durchsetzung von vertretbaren Handlungen greift die Behörde in der Regel auf das Zwangsmittel des Zwangsgeldes zurück.

Nein, das ist nicht der Fall!

Soll eine vertretbare Handlung durchgesetzt werden, wird die Behörde im Regelfall auf das Zwangsmittel der Ersatzvornahme (§ 10 VwVG) zurückgreifen. Führt der Pflichtige die auferlegte Handlung nicht durch, kann die Behörde diese dann einfach selbst vornehmen bzw. einen Dritten mit der Vornahme beauftragen und dem Pflichtigen die Kosten auferlegen. Dies führt somit effektiver zur Erreichung des Zweckes der Zwangsvollstreckung, als „nur“ ein Zwangsgeld zu vollstrecken. Denn damit bleibt die auferlegte Handlung weiterhin unerfüllt. Grundsätzlich wäre es effektiver, wenn B die Ersatzvornahme - nämlich den Abriss der Scheune durch einen Dritten - androhen, festsetzen und durchführen würde.

3. In manchen Fällen kommt auch bei vertretbaren Handlungen das Zwangsgeld als Zwangsmittel in Betracht.

Ja, in der Tat!

Das Zwangsgeld kommt als „richtiges“ Zwangsmittel auch bei vertretbaren Handlungen in Betracht, wenn eine Ersatzvornahme „untunlich” ist (§ 11 Abs. 1 S. 2 VwVG). Dies setzt voraus, dass die Ersatzvornahme für den Pflichtigen in besonders hohem Maße unangemessen oder unzweckmäßig ist. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Pflichtige die Kosten der Ersatzvornahme nicht tragen kann. Die Kosten einer Ersatzvornahme würde L finanziell stark belasten. Es ist davon auszugehen, dass L die Scheune selbst günstiger beseitigen kann, gerade weil von der Scheune nicht mehr viel übrig ist. Das Zwangsgeld ist in diesem Fall, gerade aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, vorzugswürdiger.
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