Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Verwaltungsvollstreckung

Problem: Zwangsgeldandrohung „auf Vorrat“

Problem: Zwangsgeldandrohung „auf Vorrat“

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A bietet gewerblich an, Kinder auf Läuse zu untersuchen und zu behandeln. B meint, A bedürfe hierfür einer Erlaubnis. B untersagt daher As Tätigkeit, ordnet die sofortige Vollziehung an und droht ein Zwangsgeld von 1.000 Euro „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ an.

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Einordnung des Falls

Problem: Zwangsgeldandrohung „auf Vorrat“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A meint, die Zwangsgeldandrohung sei rechtswidrig. Dies wäre zunächst dann der Fall, wenn der Grundverwaltungsakt nicht vollstreckbar wäre.

Genau, so ist das!

Die Androhung (§ 13 VwVG) eines Zwangsmittels (§ 9 VwVG) ist nur dann rechtmäßig, wenn die restlichen allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen aus § 6 VwVG vorliegen. Im gestreckten Verfahren muss gem. § 6 Abs. 1 VwVG ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Verwaltungsakt bestandskräftig oder sofort vollziehbar ist. B hat die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung (= Verwaltungsakt) angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). B hat sich für das Zwangsgeld als Zwangsmittel entschieden (§§ 9 Abs. 1 lit. b), 11 VwVG). Die Androhung kann - unabhängig vom Grundverwaltungsakt - angefochten werden (§ 18 Abs. 1 VwVG).
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2. Die Androhung des Zwangsgeldes ist schon deswegen rechtswidrig, weil B sie mit dem Grundverwaltungsakt verbunden hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Bevor ein Zwangsmittel angewendet werden kann (§ 15 VwVG), muss es grundsätzlich angedroht (§ 13 VwVG) und festgesetzt (§ 14 VwVG) werden. Die Androhung kann bereits mit Erlass des Grundverwaltungsakts ausgesprochen werden (§ 13 Abs. 2 VwVG). Sie muss lediglich schriftlich erfolgen (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG) und inhaltlich den weiteren Anforderungen des § 13 VwVG entsprechen. B durfte die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 Euro mit der Untersagungsverfügung verbinden.

3. Dass das Zwangsgeld „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ angedroht wird, könnte gegen das Fristsetzungserfordernis aus § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG verstoßen.

Ja!

Die Anforderungen an die Androhung ergeben sich aus § 13 VwVG. Hiernach muss sie unter anderem eine Frist enthalten sein, „innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann“ (§ 13 Abs. 1 S. 2 VwVG). Bs Androhung enthält keine Frist. Hierin könnte ein Verstoß gegen § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG liegen. Dies würde dazu führen, dass die Androhung rechtswidrig ist.

4. Gerade bei Unterlassungsverfügungen ist eine Frist unstrittig immer erforderlich.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich muss die Androhung eine Frist zur Erfüllung der Verpflichtung enthalten (§ 13 Abs. 1 S. 2 VwVG). In Ausnahmefällen bedarf es dieser Frist allerdings nicht, z.B. bei der Ausführung der Maßnahme im sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG). Darüber hinaus wird bei Unterlassungsverfügungen allgemein davon ausgegangen, dass es einer besonderen Fristsetzung der Natur der Sache nach nicht bedarf. Denn die Unterlassung ist gerade nicht eine Verpflichtung, der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgekommen werden kann, sondern muss eher dauerhaft „erfüllt“ werden. Beachte immer, ob es landesrechtliche Normen gibt, die speziellere Vorschriften enthalten (vgl. z.B. § 14 Abs. 2 HmbVwVG). Eine Fristsetzung kann auch bzgl. Duldungsverfügungen entbehrlich sein. Hier ist aber nach einigen Gesetzen (zB § 17 Abs. 2 AEG, § 44 Abs. 2 EnWG, § 16a Abs. 2 FStrG, § 16 Abs. 2 WaStrG) die Setzung einer Frist vorgeschrieben, weil der Pflichtige in manchen Fällen Zeit braucht, um sich auf das zu duldende Verhalten vorzubereiten.

5. Bs Androhung ist rechtswidrig, weil sie keine Frist enthält.

Nein, das trifft nicht zu!

In Ausnahmefällen bedarf es einer Fristsetzung nach § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG nicht, z.B. bei Unterlassungsverfügungen. Hier ist es aufgrund der Natur der Sache angemessen, den Wortlaut des § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG dahingehend auszulegen, dass Unterlassungsverfügungen nicht von diesem umfasst sind. Etwas anderes gilt aber, wenn der Pflichtige zur Erfüllung der Unterlassung im konkreten Fall noch eine bestimmte Vorbereitungshandlung vornehmen müsste. Für die Vornahme dieser Handlung müsste eine Frist gesetzt werden. A soll es unterlassen, ihren „Entlausungsservice“ anzubieten. Es ist nicht ersichtlich, dass A hierzu Vorbereitungshandlungen vornehmen müsste. Es ist daher rechtmäßig, dass B ein Zwangsgeld für „jeden Fall der Zuwiderhandlung“ angedroht und damit keine Frist nach § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG gesetzt hat.
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