Strafrecht

Strafprozessrecht

Einführung

Ziele des Strafverfahrens - Wahrheit, aber nicht um jeden Preis

Ziele des Strafverfahrens - Wahrheit, aber nicht um jeden Preis

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird der Körperverletzung angeklagt. Er gestand die Tat im Prozess, nachdem Richter R ihn wegen des Fehlens anderer Beweismittel durch Ohrfeigen und die Drohung, As ganze Familie ins Gefängnis zu stecken, dazu gebracht hatte. A hat die Tat tatsächlich begangen.

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Einordnung des Falls

Ziele des Strafverfahrens - Wahrheit, aber nicht um jeden Preis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Ziel des Strafprozesses ist das Finden einer materiell richtigen Entscheidung (Wahrheitsermittlung).

Genau, so ist das!

Der Strafprozess soll den Sachverhalt vollumfänglich ergründen und am Ende eine materiell-rechtlich richtige und insofern gerechte Entscheidung herbeiführen. Nur eine Entscheidung, die auf dem wahren Sachverhalt beruht, ist eine gerechte Entscheidung. Wahrheit und Gerechtigkeit sind damit Leitprinzipien des Strafverfahrens. Hierfür bedarf es einer funktionstüchtigen Rechtspflege, die der Staat einrichten muss.
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2. Das Ziel der Wahrheitsfindung gilt absolut.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Strafprozess kann tief in die Rechte der Beschuldigten eingreifen. Vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) bedarf es daher eines wirksamen Schutzes vor übermäßigen, unverhältnismäßigen Eingriffen. Dies gilt insbesondere, da sich jederzeit die Unschuld des Beschuldigten herausstellen und der Staat die ihm gegebenen Machtmittel missbrauchen kann. Weiteres Ziel des Strafverfahrens ist so die Schaffung des Rechtsfriedens, der Gerechtigkeit auch im Sinne von Verfahrensgerechtigkeit, also dem prozessordnungsgemäßen Zustandekommen der Entscheidung versteht. Dieses Ziel muss mit dem Ziel der Wahrheitsfindung in Ausgleich gebracht werden. Dieser Konflikt findet sich in vielen Bereichen der StPO und wird entweder durch das Gesetz selbst oder durch die richterliche Rechtsfortbildung gelöst.

3. § 136a Abs. 1 StPO verbietet es, durch Misshandlung und Drohung die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Beschuldigten zu beeinträchtigen.

Ja!

Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Misshandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Die Drohung mit einer prozessrechtlich unzulässigen Maßnahme ist verboten.§ 136a StPO ist Ausfluss der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG). Der Beschuldigte ist Prozesssubjekt. Die Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verbietet es, ihn unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung zu machen, auch wenn dies der Wahrheitsfindung dient.

4. Das Handeln des Vorsitzenden verstößt hier gegen § 136a Abs. 1 StPO.

Genau, so ist das!

Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des A darf nicht durch Misshandlung beeinträchtigt werden (§ 136a Abs. 1 S. 1 StPO). Misshandlung ist jede erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder des körperlichen Wohlbefindens. Die Drohung mit einer für die konkrete Situation rechtlich nicht vorgesehenen und damit unstatthaften Maßnahme ist verboten (§ 136a Abs. 1 S. 3 StPO).Durch die Ohrfeigen beeinträchtigte V As körperliche Unversehrtheit und Wohlbefinden in erheblichem Maße. Das in Aussicht gestellte Inhaftieren von As gesamter Familie ist als „Sippenhaft” prozessordnungsgemäß natürlich nicht vorgesehen. Hierdurch wurde A zum Geständnis gezwungen, also seine Willensfreiheit beeinträchtigt. Damit liegt ein Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO vor.

5. Die Aussage des A durfte nicht im Urteil verwerten werden (§ 136a Abs. 3 S. 2 StPO).

Ja, in der Tat!

Aussagen, die unter Verletzung des Verbots nach § 136a Abs. 1 StPO zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.Da die Aussage des A durch Misshandlung (§ 136a Abs. 1 S. 1 StPO) und Drohung (§ 136a Abs. 1 S. 3 StPO) zustande kam, durfte sie im Urteil nicht verwertet werden. Da es keine anderen Beweismittel gibt, wird A das Urteil erfolgreich mit Rechtsmitteln angreifen können. Hier muss also die Wahrheitsfindung hinter dem Prinzip der Schaffung des Rechtsfriedens und dem Ziel des prozessordnungsgemäßen Zustandekommens von Entscheidungen zurücktreten.
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