Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2023
Jurastudent will „Sekretärin“ werden - AGG-Hopping 2.0
Jurastudent will „Sekretärin“ werden - AGG-Hopping 2.0
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Kfz-Meisterin M schreibt eine Vollzeitstelle für eine „Sekretärin“ aus. Jurastudent J bewirbt sich ohne ernsthafte Absicht darauf, um an Geld zu kommen. Wie geplant, stellt M stattdessen eine Frau ein und lehnt Js Bewerbung ab. J verlangt nun Entschädigung wegen Geschlechterdiskriminierung.
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Einordnung des Falls
Jurastudent will „Sekretärin“ werden - AGG-Hopping 2.0
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Im Zivilrecht steht es Parteien im Grundsatz frei, ob und mit wem sie Verträge abschließen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wird Ms Vertragsfreiheit unmittelbar durch den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Allerdings muss M hier im Bewerbungsverfahren die Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) beachten.
Ja, in der Tat!
4. Steht J ein Anspruch auf Einstellung zu, wenn seine Ablehnung einen Verstoß gegen das im AGG geregelte Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 AGG) darstellt?
Nein!
5. J wäre mangels Qualifikation auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden. Könnte ihm aufgrund der unterbliebenen Anstellung gegen M trotzdem ein Anspruch auf Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG zustehen?
Genau, so ist das!
6. Wenn M den J nicht eingestellt hat, weil er ein Mann ist, liegt darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen seines Geschlechts (§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 1 AGG).
Ja, in der Tat!
7. Die Benachteiligung ist aber gerechtfertigt (§§ 8 ff. AGG), sodass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt (§ 7 Abs. 1 AGG).
Nein!
8. Muss J beweisen, dass M ihn zumindest auch wegen seines Geschlechts abgelehnt hat (§ 22 AGG)?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. J verlangt erst einen Monat nach der Ablehnung per Mail die Entschädigung. Hat er damit die Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs versäumt (§ 15 Abs. 4 S. 1 AGG)?
Nein, das trifft nicht zu!
10. J trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er sich ernsthaft und nicht rechtsmissbräuchlich beworben hat.
Nein!
11. Muss M an J eine Entschädigung zahlen, wenn sie ihm nachweisen kann, dass er im Hinblick auf sein Vollzeitstudium zu keiner Zeit Interesse an der Vollzeitstelle als Sekretärin hatte?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
falktghl
9.2.2024, 15:15:14
Als ob man nicht neben dem Jurastudium arbeiten gehen könnte.
Efecan Ö.
9.2.2024, 19:29:38
Zumindest nicht 40h/Woche
Friedrich CarI von Savigny
9.2.2024, 23:33:28
Eine Vollzeitstelle als Sekretär neben einem lässt sich kaum mit einem Jurastudium vereinbaren. Man könnte höchstens differenzieren wie weit fortgeschritten der Student ist. Der Anfang des Studiums bis zur Zwischenprüfung erfordert viel Zeit und Durchhaltevermögen, da man sich erstmal auf die juristische Sprache und Methodik einstellen muss. Und bis zu dem Examen wird es auch nicht besser mit der „freien Zeit“ für einen Vollzeitjob. Vor allem wenn man noch das Schwerpunktexamen vor dem Pflichtteil schreibt. Am realistischsten, wäre dann noch möglicherweise ein Jahr, wenn man sich auf einen Verbesserungsversuch (je nach Bundesland möglich) vorbereitet und diesen nicht allzu ernst nimmt. Aber so wie der Sachverhalt hier geschildert wird, lässt sich meiner Ansicht nach für ein ernstgemeintes Interesse nichts anführen. Dieser Fall schreit nahezu nach Rechtsmissbrauch wenn man mich fragt. Daher habe ich an der Subsumtion der Richter nichts auszusetzen.
DeliktusMaximus
10.2.2024, 04:11:46
"Ich arbeite Vollzeit, studiere Jura, bin selbstständig und hab noch einen Nebenjob..." 🫡
Leo Lee
10.2.2024, 11:17:48
Hallo falktg, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat wurde in der Entscheidung selbst auf den Vollzeitcharakters der Sekretärtätigkeit abgestellt. Sprich, Jurastudenten könnten zwar sehr wohl neben dem Vollzeitstudium arbeiten, freilich nicht in „Vollzeit“ (also als Sekretär), selbst wenn man von einem Fernstudium ausginge (so die Richter). Wir haben die Frage nun entsprechend angepasst (statt „Stelle“ nunmehr „Vollzeitstelle) und danken dir vielmals dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
CR7
10.2.2024, 14:55:23
@DeliktusMaximus und heute zeige ich euch, wie man mithilfe von ChatGPT in nur 2x25 min für das Examen lernt.
Lukas_Mengestu
12.2.2024, 13:50:15
@all: Salut zusammen, vielen Dank für die angeregte Diskussion. Angesichts des von uns gestellten Sachverhalts liegt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs tatsächlich sehr nahe. In dem von uns gebildeten, vereinfachten Fall hatte J von Anfang an nicht die Intention, als Sekräter zu arbeiten, sondern ihm ging es allein darum, eine Entschädigungszahlung zu erlanen ("wie geplant"). Bei der Bearbeitung ist dies dann als gegeben hinzunehmen. In der Praxis ist dies eine Tatsachenfrage und die Lage somit deutlich schwieriger. Beachtet dabei bitte, dass der Umfang der Beschäftigung (Vollzeitstelle) lediglich eines von vielen weiteren Indizien war, welche das LAG Hamm herangezogen hat, um die von uns im Sachverhalt dargestellte rechtsmissbräuchliche Absicht zu ermitteln. Ein weiteres zentrales Kriterium war der Umstand, dass J es nicht bei einzelnen Bewerbungen beließ, sondern sich systematisch auf diskriminierende Stellenanzeigen bewarb und dabei auch sein Verfahren optimierte. Schaut euch die Ausführungen gerne auch einmal in der verlinkten Entscheidung an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Natze
19.2.2024, 14:42:51
@[DeliktusMaximus](178154) @[CR7](145419) herrlich 😂