Eine Willenserklärung als Rechtsgeschäft (Kündigung eines Mietvertrags)


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A hat sein Medizinstudium in Marburg beendet und möchte in seine Heimatstadt Hamburg zurückziehen. Deshalb kündigt er schriftlich seinen Mietvertrag (§§ 542 Abs. 1, 568 Abs. 1 BGB) für das Studentenwohnheim.

Einordnung des Falls

Eine Willenserklärung als Rechtsgeschäft (Kündigung eines Mietvertrags)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung des A ist eine Willenserklärung.

Genau, so ist das!

Eine Willenserklärung ist eine auf den Eintritt eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtete private Willensäußerung. Der Erklärende bringt zum Ausdruck, dass nach seinem Willen eine bestimmte Rechtsfolge (Begründung, Änderung oder Beendigung eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses) eintreten bzw. gelten soll. Mit der Kündigungserklärung bringt A zum Ausdruck, dass er das Mietverhältnis (§ 535 BGB) beenden möchte.

2. Die Kündigung des A ist ein Rechtsgeschäft.

Ja, in der Tat!

Die Willenserklärung ist Kern des Rechtsgeschäfts, sie ist aber nicht immer mit dem Rechtsgeschäft identisch. Rechtsgeschäft ist der Gesamttatbestand, der vorliegen muss, damit die gewollte Rechtsfolge eintreten kann. Jedes Rechtsgeschäft besteht mindestens aus einer Willenserklärung. Häufig sind noch weitere Elemente erforderlich (z.B. weitere Willenserklärungen für einen Vertrag oder Realakte, etwa die Übergabe der Sache bei einer Übereignung). Die Kündigung ist das Paradebeispiel für ein Rechtsgeschäft, das nur aus einer Willenserklärung besteht.

3. Die Kündigung des A ist ein Vertrag.

Nein!

Vertrag ist ein Rechtsgeschäft, das aus inhaltlich übereinstimmenden, mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen von mindestens zwei Personen besteht. Die Kündigung des A ist ein Rechtsgeschäft, das nur aus einer Willenserklärung besteht und damit kein Vertrag. Beispiele für einen Vertrag sind der Mietvertrag (§ 535 BGB) und der Kaufvertrag (§ 433 BGB).

4. Auf die Kündigung sind die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) anwendbar.

Genau, so ist das!

Das BGB enthält in Buch 1 (Allgemeiner Teil, §§ 1-240 BGB) Abschnitt 3 (Rechtsgeschäfte, §§ 104-185 BGB) spezielle Regeln für Willenserklärungen. Die Kündigungserklärung ist eine Willenserklärung. Diese Vorschriften sind direkt anwendbar.

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MARC

Marcoyayo

14.10.2019, 17:30:34

Wie kann 157 auf eine Kündigung direkt anwendbar sein, wenn er sich auf die Auslegung von Verträgen bezieht ?

INDUB

InDubioProsecco

20.10.2019, 11:44:04

Man wendet § 157 auch auf einseitige Willenserklärungen. Wenn du so willst, wird er dann analog angewendet bzw. über den Wortlaut hinaus ausgelegt. Man ist sich jedenfalls einig, dass man den Wortlaut nicht zu ernst nehmen darf.

MAC

Marcus Tullius Cicero

11.2.2020, 14:12:44

§ 133 BGB normiert das Ziel der Willensauslegung: die Erforschung des tatsächlichen Willens. § 157 BGB legt dabei unsere Perspektive fest: die Perspektive eines objektiven Dritten (es wird einem also nicht zugemutet zu wissen, was unser Gegenüber denkt - Stichwort: Verkehrsschutz). In der Zusammenschau spricht man deshalb vom Abstellen auf den objektiven Empfängerhorizont. Nur weil § 157 BGB sich auf korrespondierende WE bezieht, besteht kein Grund diese Prinzipien nicht für jede WE für sich genommen anzuwenden. Ausnahme hiervon ist das Testament, wo allein der Willen des Erklärenden erforscht wird. Dort spielt Verkehrsschutz gerade keine Rolle.

CLAUD

Claudia

24.11.2021, 19:39:20

Kurz gesagt: 157 gilt bei allen empfangsbedürftigen Willenserklärungen

OLE

Olesja

17.11.2020, 08:42:17

Hi ich bin neu

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

17.11.2020, 08:43:58

Hi, herzlich Willkommen bei Jurafuchs und viel Spaß beim Lernen!

KJU

King Jura

2.12.2020, 19:35:53

Die Anwendbarkeit der Genehmigung setzt denklogisch voraus, dass die Erklärung (hier Kündigung) bereits existiert und dem Empfänger zugegangen. Die Genehmigungsfähigkeit der Erklärung (Kündigung) würde zu einem Schwebezustand dieser führen. Ib §§ 111, 180 wird dies ausdrücklich als nicht möglich erklärt. Daraus wird der allgemeine Rechtsgedanke gezogen, dass es in den übrigen Fällen auch nicht möglich ist.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

7.12.2020, 14:26:34

Hallo King Jura, interessanter Hinweis. Allerdings weisen die Vorschriften §§ 111, 180 BGB ja gerade wichtige Ausnahmen auf, die eben auch auf die Kündigungen anwendbar sind, weßhalb der Verweis auf die §§182ff. BGB dennoch wichtig ist. Vgl. zB Palandt § 180 Rn. 1; § 111 Rn. 3.

JO

Josi

10.4.2022, 18:11:15

Die Aufgabe ist etwas irreführend: Die Kündigung ist ein Rechtsgeschäft. Die Kündigungserklärung ist eine Willenserklärung. Der Genauigkeit halber sollte hier abgegrenzt werden, oder nicht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.4.2022, 16:37:44

Hallo Josi, die Begriffe Kündigung/Kündigungserklärung werden häufig synonym verwendet. Eine Abgrenzung bietet hier auch nur bedingt einen Mehrwert, da stets durch Abgabe der Kündigungserklärung das Rechtsgeschäft Kündigung vorliegt. Anders ist dies bei Rechtsgeschäften, die aus mehreren Elementen bestehen (zB Vertrag = Angebot und Annahme). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LAW

Law_yal_life

15.9.2023, 10:58:48

Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige WE? Daher ganz normal die WE VORSCHRIFTEN direkt anwenden - richtig? deswegen stellt sich doch auch keine Analogie Frage oder bei §§ 133, 157 BGB? ODER?

LAW

Law_yal_life

15.9.2023, 10:59:58

Vielleicht besser von Kündigungserklärung sprechen. Denn die stellt gerade die WE dar und eben nicht die Kündigung als solche. Die Kündigung ist das Rechtsgeschäft!

LELEE

Leo Lee

16.9.2023, 16:24:01

Hallo Prädikatskanditat, genauso ist es :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

MaxRaspody

MaxRaspody

23.11.2023, 16:00:33

Rechtsgeschaeft ist der Gesamttatbestand, der vorliegen muss, damit eine Rechtsfolge eintreten kann. Aus dieser Definition geht nicht hervor, ob das Vorliegen allein des Rechtsgeschaefts moeglicherweise nicht zum Eintritt der Rechtsfolge fuehren muss.

MaxRaspody

MaxRaspody

23.11.2023, 16:00:48

ist es immer und notwendigerweise eine WENN (Rechtsgeschaeft), DANN (Rechtsfolge) Beziehung? Oder kann es sein, das zusätzlich weiter Bedingungen zum (gültigen!) Rechtsgeschaeft hinzukommen müssen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.11.2023, 12:03:09

Hallo MaxRaspody, danke für deine Fragen. Rechtsgeschäft ist ein Überbegriff für unterschiedliche Arten von Rechtsgeschäften. Je nach Rechtsgeschäft gibt es unterschiedliche Tatbestände, die vorliegen müssen. Bei der Kündigung beispielsweise eine Willenserklärung, beim Vertragsschluss oder der Vertragsaufhebung oder Anpassung aber zwei Willenserklärungen. Manchmal braucht es auch weitere Anforderungen, beispielsweise ein Schriftformerfordernis. Dies kann alles Teil eines bestimmten Rechtsgeschäfts sein. Wenn sämtliche Voraussetzungen vorliegen und keine Hinderungsgründe bestehen, tritt die Rechtsfolge ein. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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