Vertiefung 4: Vertrauensschutz und Duldung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A hat vor 15 Jahren ein baurechtswidriges Wochenendhaus im Außenbereich errichtet. Baubehörde B kennt die rechtswidrigen Umstände seit dieser Zeit und ist bisher nicht eingeschritten. Als Baubehörde B plötzlich den Abriss anordnet, beruft sich A auf Bestands- und Vertrauensschutz.

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Einordnung des Falls

Vertiefung 4: Vertrauensschutz und Duldung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Baubehörde kann baurechtswidrige Zustände vorübergehend dulden.

Ja, in der Tat!

Die Baubehörde kann gegen eine illegale bauliche Anlage zunächst nicht einschreiten und sie vorübergehend dulden, sofern der Ermessensspielraum der Baubehörde nicht im Sinne einer Pflicht zum Einschreiten eingeschränkt ist (Ermessensreduktion auf Null). Eine solche Duldung soll eine möglichst effektive und flexible Verwaltungstätigkeit sicherstellen. Zu unterscheiden ist die stillschweigende Duldung (passive Duldung) von der aktiven Duldung. Im Rahmen der aktiven Duldung erklärt die Behörde ausdrücklich, dass sie den illegalen Zustand für eine bestimmte Dauer hinnimmt. Dies kann z.B. in Form einer Zusicherung (§ 38 Abs. 1 VwVfG) oder einem öffentlich rechtlichen Vertrag (§ 54 VwVfG) geschehen.Die Rechtsprechung ist bei der Annahme einer aktiven Duldung denkbar streng: nicht ausreichend ist schon eine jahrelange Untätigkeit der Behörde trotz Kenntnis. Vielmehr muss den entsprechenden Erklärungen der Baubehörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und über welchen Zeitraum die Duldung des illegalen Zustands erfolgen soll
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2. Baubehörde B hat das baurechtswidrige Wochenendhaus hier aktiv geduldet.

Nein!

Im Rahmen der aktiven Duldung erklärt die Behörde ausdrücklich, dass sie den illegalen Zustand für eine bestimmte Dauer hinnimmt. Dies kann z.B. in Form einer Zusicherung (§ 38 Abs. 1 VwVfG) oder einem öffentlich rechtlichen Vertrag (§ 54 VwVfG) geschehen. Die aktive Duldung kann einen Vertrauenstatbestand begründen, so dass die Behörde für den Duldungszeitraum daran gehindert ist, bauaufsichtlich einzuschreiten.Die Baubehörde B ist hier trotz Kenntnis der rechtswidrigen Umstände 15 Jahre lang nicht eingeschritten. Die bloße Untätigkeit reicht für die Annahme einer aktiven Duldung jedoch nicht aus, da sich hieraus nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, ob, in welchem Umfang und über welchen Zeitraum eine Duldung erfolgen soll.Auch die (rechtsirrige) Äußerung eines Behördenvertreters, dass ein Gebäude rechtmäßig sei, ist nicht als aktive Duldung zu werten.

3. Das Wochenendhaus ist angesichts seines langen Bestehens mittlerweile bestandsgeschützt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der aus Art. 14 Abs. 1 S.1 GG abgeleitete Bestandsschutz setzt voraus, dass der Bestand eines Vorhabens im Zeitpunkt seiner Errichtung oder später dem materiellen Recht entsprochen haben muss. Die bauliche Anlage muss daher zuvor einmal formell und materiell legal gewesen sein. Die langjährige Existenz einer baulichen Anlage erzeugt hingegen keinen Bestandsschutz.Ausweislich des Sachverhaltes hat A das Wochenendhaus schon vor 15 Jahren baurechtswidrig errichtet. Auch gibt es keine Anzeichen dafür, dass das Haus zwischenzeitlich baurechtskonform gewesen ist, sodass Aspekte des Bestandsschutzes nicht ersichtlich sind.

4. Die Befugnis zum bauaufsichtlichen Einschreiten wurde hier allerdings aus Vertrauensschutzgründen verwirkt und ist damit grob unbillig.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine verspätete und damit unzulässige Rechtsausübung (Verwirkung) kommt nur bei verzichtbaren subjektiven Rechten in Betracht, nicht aber bei hoheitlichen Eingriffsbefugnissen auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr. Eine Verwirkung bauaufsichtsrechtlicher Befugnisse ist damit ausgeschlossen. Aus einer länger andauernden Duldung (passiven Duldung) kann sich kein Gewohnheitsrecht mit dem Inhalt bilden, dass der Schwarzbau zeitlich unbegrenzt stehen bleiben dürfe – auf diese Weise würden sonst die gesetzlichen Bestimmungen über das rechtmäßige Bauen umgangen werden. Eine passive Duldung hindert die Baubehörde somit nicht daran, wieder baurechtmäßige Zustände herzustellen.Die Befugnis der B zum Erlass einer Beseitigungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO) kann nicht verwirkt werden. Die passive Duldung über 15 Jahre erweckt kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass ein ungenehmigtes und nicht genehmigungsfähiges Bauwerk nicht beseitigt werden muss.
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