+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist Eigentümer einer alten und baufälligen Villa. Behördenmitarbeiter B hat Zweifel, ob die Anforderungen an die Standsicherheit erfüllt werden und eine gefährdungsfreie Nutzung möglich ist. B fordert A daher auf, einen rechnerischen Standsicherheitsnachweis für die Villa vorzulegen.

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Einordnung des Falls

Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bauaufsichtsbehörde kann die Benutzung von Anlagen untersagen (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NBauO). Ist dies die Ermächtigungsgrundlage für den von B angeforderten Standsicherheitsnachweis?

Nein!

Gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung untersagen, wenn bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen.Der von B angeforderte Nachweis enthält kein Gebot oder Verbot über die Nutzung der maßgeblichen Villa. Vielmehr handelt es sich um eine Maßnahme zur Vorbereitung einer denkbaren Nutzungsuntersagung – abhängig vom Ergebnis des Sicherheitsnachweises.
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2. Eine andere Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahme kommt nicht in Betracht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind, wenn bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Dieser – weit gefasste – Tatbestand ist Ermächtigungsgrundlage für sämtliche in Betracht kommenden bauaufsichtlichen Anordnungen zur Herstellung und Sicherung rechtmäßiger Zustände (bauaufsichtliche Generalermächtigung). Ermächtigungsgrundlage für die Anforderung des rechnerischen Standsicherheitsnachweises ist mangels speziellerer Befugnisse die bauaufsichtliche Generalermächtigung gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 NBauO.Achtung: die Generalermächtigung steht unter dem strikten Vorbehalt, dass ein Sachverhalt nicht durch eine Spezialermächtigung geregelt ist. Von ihr darf nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn die speziellen Befugnisse den jeweiligen Sachverhalt nicht regeln.

3. Der Tatbestand der Generalermächtigung (§ 79 Abs. 1 S. 1 NBauO) ist erfüllt.

Ja, in der Tat!

Der Tatbestand der Generalermächtigung setzt voraus, dass ein Vorhaben dem öffentlichen Baurecht widerspricht. Für den rechtmäßigen Erlass einer Gefahrenabwehrmaßnahme muss ein materieller Baurechtsverstoß nicht positiv festgestellt worden sein. Ausreichend ist vielmehr, dass hinreichende Indizien es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass ein dem öffentlichen Recht widersprechender Zustand besteht. Für die Wahrscheinlichkeitsprognose gilt dabei folgendes: je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Prognose gestellt werden können.Da die Villa baufällig ist, bestehen hinreichende Indizien dafür, dass eine gefährdungsfreie Nutzung nicht mehr möglich ist. Damit liegt ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht vor, sodass der Tatbestand der Generalermächtigung erfüllt ist.
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