+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) in vier Fällen (§ 53 StGB). verurteilt. Im Urteil heißt es unmittelbar nach der Darlegung der Strafzumessungsgründe: „Nach Gesamtwürdigung von Tat und Täter setzt das Gericht eine Gesamtstrafe von 3 Jahren Freiheitsstrafe fest.“

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Einordnung des Falls

Falsche Gesamtstrafenbildung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat der Angeklagte mehrere Straftaten in Tatmehrheit verwirklicht, muss das Gericht eine Gesamtstrafe bilden (§ 53 StGB).

Ja!

Die §§ 53, 54 StGB regeln die Straffestsetzung für den Fall, dass in einem Verfahren mehrere selbstständige Straftaten desselben Täters abgeurteilt werden. Danach sind die verschiedenen verwirkten Strafen nicht zusammenzurechnen, sondern es ist durch Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe (Einsatzstrafe, § 54 Abs. 1 S. 2 StGB) eine Gesamtstrafe zu bilden. Dies liegt darin begründet, dass hier die Addition der Einzelstrafen nicht angebracht ist, da die Belastung des Verurteilten bei aneinandergereihten Freiheitsstrafen oder kumulierten Geldstrafen exponentiell wächst und über das Maß seiner Schuld hinausgeht.
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2. Die Bildung der Gesamtstrafe ist hier rechtsfehlerhaft, da das Gericht keine Einzelstrafen gebildet hat.

Genau, so ist das!

Die Bildung der Gesamtstrafe erfolgt durch die Erhöhung der verwirkten schwersten Einzelstrafe (§ 54 Abs. 1 S. 2 StGB), nicht durch eine Gesamtabwägung für alle Taten. Das Tatgericht muss also zunächst die Einzelstrafen für die in Tatmehrheit stehenden Einzeltaten festlegen. Vorliegend wären also vier Einzelstrafen für die vier in Tatmehrheit stehenden Diebstähle zu bilden. Aus diesen Einzelstrafen wird dann die Gesamtstrafe gebildet. Nach der Formulierung des Urteils, das nur eine zusammenfassende Würdigung aller Taten vorgenommen hat, ist schon nicht erkennbar, dass Einzelstrafen gebildet wurden. Das Vorgehen des Tatgerichts entspricht hier dem Vorgehen im Jugendstrafverfahren (§ 31 Abs. 1 JGG), wo nur eine einheitliche Strafe festgesetzt wird.

3. Bildet das Gericht zwar Einzelstrafen, gibt sie aber nicht an, kann schon dies mit der Sachrüge geltend gemacht werden.

Ja, in der Tat!

Die Gesamtstrafe wird durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe gebildet (§ 54 Abs. 1 S. 2 StGB) und darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB). Auch bei der Auflösung einer alten Gesamtstrafe zur Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe (vgl. § 55 StGB) spielen die Einzelstrafen eine Rolle. Sie sind also kein reiner Rechnungsposten. Das Tatgericht muss die Einzelstrafen im Urteil angeben. Tut es dies nicht, liegt bereits deshalb ein Darstellungsmangel vor.

4. Das Revisionsgericht hebt hier das Urteil in der Rechtsfolge auf und verweist die Sache zurück (§ 354 Abs. 2 StPO).

Ja!

Die falsche Gesamtstrafenbildung zwingt regelmäßig zur Aufhebung der Gesamtstrafe und Zurückverweisung zwecks Verhängung der fehlenden Einzelstrafen und Bildung einer neuen Gesamtstrafe. Eine Ausnahme gilt laut BGH, wenn das Tatgericht versehentlich einzelne Einzelstrafen im Urteil nicht festgesetzt hat und das Revisionsgericht ausschließen kann, dass die nachträgliche Festsetzung der Einzelstrafen Einfluss auf die Gesamtstrafe hat. Dann kann es die Einzelstrafen auf das gesetzliche Mindestmaß festsetzen. Hier fehlen nicht nur einzelne Einzelstrafen, sondern das Gericht hat schon gar keine Einzelstrafen gebildet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei ordnungsgemäßer Gesamtstrafenbildung eine andere Gesamtstrafe gefunden wird.
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