Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2023
Fiktive Schadensabrechnung – Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des Unternehmergewinns? (BGH, Urt. v. 26.5.2023 - VI ZR 274/22)
Fiktive Schadensabrechnung – Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des Unternehmergewinns? (BGH, Urt. v. 26.5.2023 - VI ZR 274/22)
5. Februar 2025
7 Kommentare
4,7 ★ (7.264 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Ein PKW von K, dem Betreiber einer Kfz-Werkstatt, wird in einem von Fahrzeughalterin F schuldhaft verursachten Unfall beschädigt. K verlangt auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktive Reparaturkosten i.H.v €4.000, wovon 20% Unternehmergewinn sind. Den PKW hat K inzwischen unrepariert verkauft.
Diesen Fall lösen 81,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Fiktive Schadensabrechnung – Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des Unternehmergewinns? (BGH, Urt. v. 26.5.2023 - VI ZR 274/22)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen F dem Grunde nach ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Art und Umfang des Schadensersatzes, den K von F verlangen kann, richten sich nach den §§ 249 ff. BGB.
Ja!
3. Statt einer Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) könnte K von F die Zahlung des dazu erforderlichen Geldbetrags verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB).
Genau, so ist das!
4. Mangels tatsächlicher Reparatur scheitert Ks Anspruch auf Ersatz der veranschlagten Reparaturkosten jedoch gänzlich (§ 249 Abs. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. Im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB werden grundsätzlich nur die erforderlichen Herstellungskosten ersetzt.
Ja!
6. K wäre als Betreiber einer Kfz-Werkstatt zu einer kostengünstigen Eigenreparatur imstande. Könnte dies für einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) sprechen?
Genau, so ist das!
7. Ks Schadensersatzanspruch könnte aber nach § 254 BGB zu kürzen sein. Normiert § 254 Abs. 2 S. 1 BGB für den Geschädigten die Obliegenheit, den Schaden so gering wie möglich zu halten?
Ja, in der Tat!
8. Lässt ein Geschädigter, der selbst einen Reparaturbetrieb führt, das Unfalljurafuchs.de/definitionen/jqnv498/fahrzeug-%C2%A7-315b-abs-1-nr-1-stgb" class="underline">fahrzeug nicht in seiner eigenen Werkstatt reparieren, könnte ein Verstoß gegen § 254 Abs. 2 S. 1 BGB vorliegen.
Ja!
9. K hat das Auto tatsächlich gar nicht reparieren lassen. Könnte dies dafür sprechen, dass die konkrete Auslastungssituation von Ks Werkstatt i.R.v. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nicht berücksichtigt werden muss?
Genau, so ist das!
10. Unterstellt, Ks Werkstatt war nicht durch Fremdaufträge ausgelastet. Kann er nach der Argumentation des BGH auch die 20% Unternehmergewinn von F verlangen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Nocebo
17.1.2025, 14:47:49
Die
Obliegenheitwird hier teilweise als Pflicht, teilweise als
Obliegenheitbezeichnet. Nur Letzteres ist richtig und das sollte unbedingt vereinheitlicht werden.
Linne_Karlotta_
17.1.2025, 16:48:53
Hey @[Nocebo](222699), danke für Deine Anmerkung. Du hast Recht, dass der Begriff der
Obliegenheithier genauer ist. Allerdings verwendet der BGH tatsächlich selbst den Begriff der Schadensminderungspflicht in seiner Entscheidung. Ich habe einen entsprechenden Hinweis zur Begrifflichkeit in den Fall eingebaut. Viele Grüße – Linne, für das
Jurafuchs-Team
rama
18.1.2025, 22:59:36
Ich verstehe nicht ganz, warum hier ein fiktives Abrechnen doch möglich ist. Müsste nicht ein Ausschlussgrund vorliegen, weil im Werkvertragsrecht nicht (mehr) fiktiv abgerechnet werden kann?
Elisa
27.1.2025, 07:38:31
Hi, ihr schreibt zu der ersten Frage, dass F dem Grunde nach aus § 7 I StVG und § 18 StVG neben § 823 I und § 823 II i.V.m. §§ 1 ff. StVO haftet. Das habe ich so verstanden, dass sie nur dem Grunde nach haftet, weil die Versicherung haften würde (?). Dann schreibt ihr aber nicht der nächsten Frage: „Im Fall einer Haftung aus §§ 7, 18 StVG werden die §§ 249 ff. BGB durch §§ 9 ff. StVG modifiziert. Vorliegend sind diese Tatbestände jedoch nicht einschlägig.“ Das verwirrt mich. Sind also die §§ 7, 18 StVG doch nicht anwendbar, oder bezieht sich der Begriff der Tatbestände auf die Modifikationen der §§ 9 ff. StVG? Hab ich das „dem Grund nach“ falsch verstanden? Normalerweise müsste ich diese ganzen Diskussionen ja - wenn einschlägig - im § 7 I StVG durcharbeiten, weil ich den zuerst prüfe und dann in den folgenden Prüfungen nach oben verweisen.
kithorx
28.1.2025, 20:55:43
Das "nicht einschlägig" wird sich auf die §§ 9 ff. StVG beziehen, d.h. kein Vorliegen von StVG-Sonderregeln i.R.d. haftungsausfüllenden Tatbestands.
Lena W.
27.1.2025, 08:04:45
ich dachte immer, dass ein Unternehmer, der die Reparatur selbst durchführen würde unf such bei einem Dritten die 20% Gewinn verlangen würde, dies natürlich auch in dem Fall machen kann, wenn er selbst sein eigenes Auto repariert. Schließlich würde ich ansonsten den
Schuldner besser stellen, als er stehen würde. Es wsr ja so zu sagen ein Geschenk vom Himmel, dass er gerade einem KFZ Mechaniker mit eigener Werkstatt reingefahren ist und nicht einem anderen und genau aus diesem Grund seinen Anspruch zu körzen finde ich etwas ungerecht.
el_wolterino
27.1.2025, 12:44:58
Das Argument des Himmelsgeschenks lässt sich aber auch drehen: Würde man bei nicht voller Auslastung der Werkstatt die 20 % Prozent Gewinn zusprechen, würde der Unternehmer ja wirtschaftlich davon profitieren, dass ihm jemand auf die Karre fährt. Es lässt sich also sagen: Dann wäre der Unfall für ihn ein Geschenk des Himmels ;)