+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft und übereignet K formwirksam eine Immobilie. V behauptet dabei wahrheitswidrig, die Immobilie werde sich (wg. Steuerersparnis und Mieteinnahmen) "von selbst tragen". V weiß, dass K aus diesem Grund den Kaufvertrag anfechten kann. Als K die Täuschung erkennt, tut er dies auch.
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Einordnung des Falls
Kondiktionsausschluss nach § 814: Kenntnis der Anfechtbarkeit (anfechtbar durch den Leistungsempfänger) = Kenntnis der Nichtschuld?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann den Kaufvertrag wirksam anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
V hat K widerrechtlich über Tatsachen getäuscht. K unterlag infolgedessen einem Irrtum, der ihn zur Abgabe der Willenserklärung veranlasst hat. Da V wusste, dass die Steuervorteile und Mieteinnahmen die Immobilienkosten nicht übersteigen und er K hierüber täuschen wollte, handelte er auch arglistig.
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2. K hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen an fremden Sachen oder Rechten. K hat durch die Übereignung (§§ 873, 925 BGB) durch V Eigentum an der Immobilie und somit einen Vermögensvorteil erlangt.
3. K hat das Eigentum an der Immobilie „durch Leistung“ des V (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erlangt.
Ja!
Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Zweckbestimmung der Leistung ist eine geschäftsähnliche Handlung. Das Vorliegen einer Leistung ist aus der objektiven Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen. V wollte mit der Übereignung seine Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag begleichen (solvendi causa). Er hat dazu bewusst und zielgerichtet das Vermögen des K gemehrt.
4. V hat die Leistung an K „ohne rechtlichen Grund“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erbracht.
Genau, so ist das!
Es gibt keine einheitliche Definition der Rechtsgrundlosigkeit, die für alle Leistungskondiktionen gelten würde. Es sind zu unterscheiden: (1) anfängliches Fehlen einer Verbindlichkeit (condictio indebiti), (2) Rechtsgrund bestand, ist aber nachträglich entfallen (condictio ob causam finitam), (3) Leistung verfolgt einen Zweck, der über Befreiung von einer Verbindlichkeit hinausgeht (condictio ob rem) und (4) Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistungsempfängers (condictio ob turpem vel iniustam causam). Zu 1:Bei der condictio indebiti fehlt der Rechtsgrund, wenn der mit der bewussten Vermögensmehrung verfolgte Zweck verfehlt worden ist. Die hM wendet in Fällen der Anfechtung die condictio indebiti an, da § 142 Abs. 1 BGB klarstellt, dass die Anfechtung das anfechtbare Rechtsgeschäft "von Anfang an" (ex tunc) entfallen lässt. Allerdings hat dies auch hier keine Auswirkung, da auch die aA, die hier einen Fall des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 sieht, § 814 Alt. 1 BGB dennoch ausnahmsweise zur Anwendung kommen lässt.
5. Der Anspruch des V auf Rückforderung von Besitz und Eigentum am Hausgrundstück ist ausgeschlossen (§ 814 Alt. 1 BGB), weil er wusste, dass er zur Übertragung nicht verpflichtet war (§ 142 Abs. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das Geleistete bei „Kenntnis der Nichtschuld“ nicht zurückgefordert werden. Voraussetzungen des Anspruchsausschlusses nach §
814 BGB sind: (1) Leistung zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit, (2) positive Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld (nach Parallelwertung in der Laiensphäre). § 814 Alt. 1 BGB stellt eine Ausprägung von Treu und Glauben dar. Dahinter steht die Ratio, dass der Leistende bei widersprüchlichem Verhalten (venire contra factum proprium) nicht schutzbedürftig ist. Die Kenntnis der Nichtschuld könnte hier über § 142 BGB fingiert werden. Gegen eine Anwendbarkeit von § 814 spricht aber, dass V zum Zeitpunkt seiner Leistung hierzu (noch) verpflichtet war. K kann zwar anfechten, muss dies aber nicht. Somit liegt kein widersprüchliches Verhalten seitens V vor, da er auf den Bestand seiner Verpflichtung keinen Einfluss hatte. Somit greift der Ausschluss nach seiner Ratio nicht.
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