Kondiktionsausschluss nach § 814: Kenntnis der Anfechtbarkeit (anfechtbar durch den Leistungsempfänger) = Kenntnis der Nichtschuld?
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft und übereignet K formwirksam eine Immobilie. V behauptet dabei wahrheitswidrig, die Immobilie werde sich (wg. Steuerersparnis und Mieteinnahmen) "von selbst tragen". V weiß, dass K aus diesem Grund den Kaufvertrag anfechten kann. Als K die Täuschung erkennt, tut er dies auch.
Einordnung des Falls
Kondiktionsausschluss nach § 814: Kenntnis der Anfechtbarkeit (anfechtbar durch den Leistungsempfänger) = Kenntnis der Nichtschuld?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann den Kaufvertrag wirksam anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
2. K hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. K hat das Eigentum an der Immobilie „durch Leistung“ des V (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erlangt.
Ja!
4. V hat die Leistung an K „ohne rechtlichen Grund“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erbracht.
Genau, so ist das!
5. Der Anspruch des V auf Rückforderung von Besitz und Eigentum am Hausgrundstück ist ausgeschlossen (§ 814 Alt. 1 BGB), weil er wusste, dass er zur Übertragung nicht verpflichtet war (§ 142 Abs. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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gelöscht
26.3.2022, 14:59:34
Eigentlich liegt hier doch ein Fall von Unmöglichkeit vor. Wenn V wusste, dass er kein mangelfreies Haus liefern kann, warum liegt dann dennoch kein Fall von § 814 vor? Schließlich war er ja nur zur Leistung einer mangelfreien Sache verpflichtet…
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
28.3.2022, 16:06:19
Hallo streuner, spannende Frage! In der Verpflichtung zur mangelfreien Leistung steckt aber letztlich auch die Verpflichtung (zumindest) die mangelhafte Sache zu liefern und insoweit ggfs. eine geringere Gegenleistung in Kauf zu nehmen. Ist die Nacherfüllung -wie hier - unmöglich, so obliegt es dann dem Käufer, ob er zurücktritt/mindert/Schadensersatz verlangt. Eine Nichtschuld des Verkäufers iSd §
814 BGBliegt darin indes nicht. Diese setzt vielmehr voraus, dass der Vertrag nie bestand/nichtig war oder rückwirkend durch Anfechtung beseitigt wurde (vgl. Wendehorst, in: BeckOK-BGB, 61. Ed Stand:01.02.2022, § 814 RdNr. 6). Die
anfängliche Unmöglichkeitlässt indes die Wirksamkeit eines Vertrages unberührt (§ 311a Abs. 1 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
<isa_hh>
27.4.2023, 08:06:33
Mir ist unklar, warum bei § 814 damit argumentiert wird, dass K anfechten könnte aber nicht müsste - dann wiederum das Merkmal "ohne Rechtsgrund" aber bejaht wurde. Im Zeitpunkt der Leistung des V besteht der Rechtsgrund ja noch und würde ja weiterhin bestehen, wenn K nicht anfechten würde. Oder wird hier dann darauf abgestellt, dass lt. SV K anficht und ex tunc der Vertrag nichtig ist?
se.si.sc
27.4.2023, 08:34:11
Dein letzter Satz ist genau der Punkt: Zum Zeitpunkt seiner Leistung war V zu dieser Leistung noch verpflichtet, weil der Kaufvertrag noch bestand. Nach Ansicht des BGH kommen wir darüber auch mit § 142 II iVm
814 BGBnicht hinweg, weil V seine Verpflichtung nicht selbst und einseitig hätte beseitigen können. Kontrollüberlegung: Stellen wir uns mal vor, K möchte trotzdem am Vertrag festhalten, aus welchen Gründen auch immer. Dann wäre V weiterhin an den Vertrag gebunden. Er wusste nur/hätte wissen müssen, dass der Vertrag von K (!) angefochten werden konnte. Sobald K dann tatsächlich anficht, entfällt logischerweise der Rechtsgrund (rückwirkend), § 142 I BGB, an unserer Wertung iRd §
814 BGBändert das allerdings nichts. § 814 wäre hier aber zB dann anwendbar, wenn V selbst ein Anfechtungsrecht gehabt hätte, das erkannt hat und in diesem Wissen erst seine eigene Leistungshandlung erbringt.
<isa_hh>
27.4.2023, 12:00:39
Vielen Dank für diese Erklärung @[se.si.sc](199709)! Jetzt hat es Klick gemacht :)
![der unerkannt geisteskranke E](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__pwpz0aszavyj8pkrfl9fv2os3.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
der unerkannt geisteskranke E
25.7.2023, 10:23:48
Das leuchtet grundsätzlich ja ein, insbesondere bei Inhalts- und Erklärungsirrtum, da die andere Partei den Anfechtungsgrund entweder überhaupt nicht kennt, oder zumindest die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die andere Partei dennoch am Vertrag festhalten möchte. Das gilt aber bei arglistigem Verschweigen und widerrechtlicher Drohungen nicht. Wer einen anderen auf eine solche Weise zum Vertragsschluss bewegt geht ja gerade davon aus, dass die andere Partei den Vertrag ohne Täuschung oder Drohung nicht schließen würde! Diese Wertung ist in solchen Fällen also nicht überzeugend.
![Johannes Nebe](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__wvfhtvrzxqxafjjjfautk.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Johannes Nebe
6.3.2024, 19:45:07
In der Erklärung zu Frage 4 steht etwas, das ich nicht verstehe. Die Anwendung von § 812 I 1 Alt. 1 BGB habe keine Auswirkungen, da auch die aA, die einen Fall der condictio ob causam finitam sieht, § 814 Alt. 1 BGB anwende. Warum sollte dann § 814 Alt. 1 angewandt werden? Oder ist das Gegenteil gemeint, dass auch bei der aA § 814 Alt. 1 ausnahmsweise NICHT angewandt würde?