Reiner Schiebetermin, § 229 Abs. 1, 4 StPO

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird verurteilt. Das Gericht unterbrach den Prozess am zweiten Tag (07.12.) und bestimmte Fortsetzungstermin auf den 28.12. Hier blieb A erkrankt aus. Das ärztliche Attest wurde verlesen, eine mögliche Verhandlung ohne A (§ 231 Abs. 2 StPO) erörtert, von der „beabsichtigten Verlesung von Urkunden" abgesehen und Termin auf den 10.01. bestimmt.

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Einordnung des Falls

Reiner Schiebetermin, § 229 Abs. 1, 4 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Unterbrechung der Hauptverhandlung ist ein Abbruch des Prozesses mit der Folge, dass er von vorne begonnen werden muss (§ 228 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

§§ 228, 229 StPO enthalten Regeln zur Aussetzung und Unterbrechung der Hauptverhandlung. Die Unterbrechung ist ein verhandlungsfreier Zeitraum, der ersichtlich einer Fortsetzung der Hauptverhandlung unter Verwendung dort bereits gewonnener Erkenntnisse dient. Auch bei kurzen Verhandlungspausen liegt eine Unterbrechung der Hauptverhandlung vor. Demgegenüber liegt eine Aussetzung vor, wenn eine bereits begonnene Hauptverhandlung komplett abgebrochen wird mit der Folge, dass die Verhandlung vollständig neu beginnen muss. An einen Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 228, 229 StPO musst Du immer dann denken, wenn die Hauptverhandlung an mehr als einem Tag stattgefunden hat.
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2. Die Höchstdauer einer Unterbrechung ist zeitlich begrenzt (§ 229 StPO). Liegt ein revisibler Verfahrensfehler vor, wenn die Höchstdauer überschritten ist und der Prozess trotzdem zu Ende geführt wird?

Ja!

Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden (§ 229 Abs. 1 StPO). Die Frist verlängert sich auf einen Monat, wenn die Hauptverhandlung schon an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat (§ 229 Abs. 2 StPO). Dauert die Unterbrechung länger, handelt es sich um eine Aussetzung (§ 228 StPO) und der Prozess muss neu begonnen werden. In diesem Fall geht der bisherige Verhandlungsfortschritt verloren geht. Wird abgeurteilt, ohne dass der Prozess neu durchgeführt wurde, liegt ein Verfahrensfehler vor. Die Abgrenzung richtet sich nach der tatsächlichen Unterbrechungsdauer der Hauptverhandlung, nicht etwa nach der Bezeichnung durch das Gericht oder dessen Intention.§ 229 Abs. 3 StPO kennt auch die Hemmung der Unterbrechungsfristen. Lies dir die Norm einmal in Ruhe durch.

3. Mit einem Fortsetzungstermin beginnt die Unterbrechungsfrist erneut zu laufen (§ 229 Abs. 4 StPO).

Genau, so ist das!

Die Unterbrechung endet, wenn die Hauptverhandlung im Sinne des § 229 Abs. 4 StPO „fortgesetzt“ wird. Ein Fortsetzungstermin liegt nur vor, wenn zur Sache verhandelt und das Verfahren gefördert wird. Dies ist der Fall, wenn es zu Verfahrensvorgängen kommt, die die zur Urteilsfindung führende Sachverhaltsaufklärung betreffen. Auch die alleinige Befassung mit Verfahrensfragen ist ausreichend, wenn es um den Fortgang der Sachverhaltsaufklärung geht. Wird die Verhandlung nur „zum Schein“ fortgesetzt, um die § 229 StPO zu umgehen, liegt kein Fortsetzungstermin vor, selbst wenn die vorgenommenen Handlungen grundsätzlich zur Fristunterbrechung geeignet sind.

4. Die Hauptverhandlung wurde am 07.12. unterbrochen. War der Termin am 28.12. – drei Wochen später – ein fristwahrender Fortsetzungstermin (§ 229 Abs. 1, Abs. 4 StPO)?

Ja, in der Tat!

Ein Fortsetzungstermin liegt nur vor, wenn zur Sache verhandelt und das Verfahren gefördert wird.Die Verlesung des Attests und die Erörterung der Frage, ob gegen den ausgebliebenen A gegebenenfalls nach § 231 Abs. 2 StPO weiterverhandelt werden kann, betrafen den Fortgang der Sachverhaltsaufklärung. Sie führten zu der Feststellung, dass eine als erforderlich angesehene und in diesem Termin vorgesehene Beweisaufnahme (Urkundenverlesung) zu unterbleiben hatte, weil infolge der Abwesenheit des A die prozessualen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Damit ist der Termin win fristwahrender Fortsetzungstermin (§ 229 Abs. 1, Abs. 4 StPO). Ein Verfahrensfehler liegt somit nicht vor.
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