Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten

Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs: § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG (Rechtswidriger Widerrufsvorbehalt)

Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs: § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG (Rechtswidriger Widerrufsvorbehalt)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

P betreibt eine Privatschule in Hamburg. Behörde B erlässt die staatliche Anerkennung der Schule mit dem Zusatz: „Die Anerkennung kann widerrufen werden, sobald mehr als ein Drittel der an der P-Privatschule tätigen Lehrkräfte die Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 HmbSfTG nicht mehr erfüllen.“

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Einordnung des Falls

Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs: § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG (Rechtswidriger Widerrufsvorbehalt)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein paar Monate später widerruft B formell rechtmäßig die Anerkennung mit Verweis auf den Widerrufsvorbehalt. Der Widerruf richtet sich nach § 49 Abs. 2 VwVfG.

Ja!

Besteht die Begünstigung nicht in einer Geld- oder teilbaren Sachleistung (§ 49 Abs. 3 VwVfG), kommt für den Widerruf des Verwaltungsakts nur § 49 Abs. 2 VwVfG in Betracht. Dieser nennt abschließend fünf Widerrufsgründe. Nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann die Behörde einen Verwaltungsakt widerrufen, wenn der Widerruf in einer speziellen Rechtsvorschrift zugelassen ist. Hierzu zählen formelle Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen. Ein Widerruf ist auch aufgrund eines Widerrufsvorbehalts (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) möglich. Ps Begünstigung besteht in der staatlichen Anerkennung der Privatschule. B stützt den Widerruf auf den Widerrufsvorbehalt in der Anerkennung. Der Widerruf richtet sich damit nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG Achte immer darauf, ob Du Bundes- oder Landesrecht anwenden sollst. Landesrechtlich einschlägig wäre hier die gleichlautende Vorschrift des § 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 HmbVwVfG.
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2. P ist der Meinung, der Widerrufsvorbehalt sei rechtswidrig. Die Rechtmäßigkeit des Vorbehalts richtet sich nach § 36 VwVfG.

Genau, so ist das!

Dabei unterscheiden § 36 Abs. 1 VwVfG und § 36 Abs. 2 VwVfG danach, ob es sich bei dem Hauptverwaltungsakt um eine gebundene Entscheidung oder um eine Ermessensentscheidung handelt. Gebundene Entscheidungen dürfen nur mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 HmbSfTG vorliegen, muss die Anerkennung ergehen. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung. Die Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehalt richtet sich nach § 36 Abs. 1 VwVfG.

3. Ist ein Widerrufsvorbehalt rechtswidrig, so ist auch der hierauf gestützte Widerruf immer rechtswidrig.

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist strittig ob der Widerruf nur erfolgen darf, wenn der Widerrufsvorbehalt rechtmäßig ist. Nach der h.M. musst der Widerrufsvorbehalt lediglich wirksam, also vor allem nicht nichtig sein. Auf die Rechtmäßigkeit des Vorbehalts käme es nicht an. Dies gelte insbesondere, wenn der Vorbehalt unanfechtbar geworden ist. Ist der Adressat der Ansicht, der Vorbehalt sei rechtwidrig, so müsse er diesen rechtzeitig anfechten. Nach der Gegenansicht muss der Widerrufsvorbehalt rechtmäßig sein. Denn es sei schwer nachvollziehbar, dass die Behörde aus ihrem vergangenen Fehlverhalten (= Erlass einer rechtswidrigen Nebenbestimmung) Vorteile für die Zukunft ziehen kann.

4. Nach der h.M. muss die Behörde die Rechtswidrigkeit eines Widerrufsvorbehalts aber bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen.

Ja!

Nach der h.M. setzt § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwVfG tatbestandlich nicht voraus, dass der Widerrufsvorbehalt rechtmäßig ist. Der Widerrufsvorbehalt muss lediglich wirksam, also vor allem nicht nichtig sein. Allerdings muss nach dieser Ansicht die Behörde die Rechtswidrigkeit des Widerrufsvorbehalts auf Rechtsfolgenseite im Rahmen des Ermessens  berücksichtigen. Ein Widerruf kann demnach wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig erfolgen. Sofern der Widerrufsvorhebalt rechtswidrig ist, musste B dies bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen des erfolgten Widerrufs berücksichtigen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sassun

Sassun

11.11.2024, 11:42:24

Es gab eine Aufgabe zu DauerVA und seitdem werden sie trotz teils einschlägiger Situation irgendwie nicht mehr berücksichtigt. Hier wäre ich ebenfalls davon ausgegangen, dass die Wirkung des VA nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt eintritt, sondern über einen bestimmten Zeitraum. Der VA erschöpft sich gerade nicht in einem einmaligen Gebot. Vielmehr ist das Rechtsverhältnis zur P-Schule doch vom Bestand des (mE) DauerVA abhängig.


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