Abwandlung 2: Ermessen

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Für Youtuberin Y wird es Zeit für den wohlverdienten Ruhestand. Sie lässt daher ohne Genehmigung eine glanzvolle Villa im Außenbereich für EUR 5.000.000 errichten. Baubehörde B ordnet die Beseitigung der (nicht genehmigungsfähigen) Villa an. Y hält dies für unverhältnismäßig.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 2: Ermessen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist der Tatbestand der Beseitigungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO) hier aufgrund doppelter Baurechtswidrigkeit erfüllt?

Ja!

Der Tatbestand der Beseitigungsverfügung erfordert einen Widerspruch von baulichen Anlagen, Grundstücken, Baumaßnahmen oder Bauprodukten mit dem öffentlichen Baurecht. Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht besteht dann, wenn das Vorhaben baurechtswidrig ist. Für den Erlass einer Beseitigungsverfügung ist formelle und materielle Illegalität doppelte Baurechtswidrigkeit erforderlich.Die glanzvolle Villa im Außenbereich ist ausweislich des Sachverhaltes weder genehmigt noch genehmigungsfähig. Damit ist der Tatbestand der Beseitigungsverfügung erfüllt.
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2. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Beseitigungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO) muss die Behörde die Beseitigung anordnen (gebundene Entscheidung).

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 79 Abs. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen anordnen. Damit räumt die Vorschrift auf Rechtsfolgenseite der Behörde Ermessen ein. Gemäß § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen pflicht- und sachgemäß entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Damit ist hier jedoch nicht verbunden, dass die Behörde frei entscheiden kann, ob sie tätig wird oder nicht. Vielmehr folgt aus dem Sinn und Zweck des Genehmigungserfordernisses (präventive Kontrolle) nach Rspr. und h.M. ein intendiertes Ermessen. Die Beseitigungsverfügung soll bei illegalen Vorhaben daher aufgrund des hohen ordnungspolitischen Anliegens des öffentlichen Baurechts die Regel sein.Eine weitergehende Abwägung des „Für und Wider“ einer Beseitigungsverfügung ist bei formell und materiell rechtswidrigen Vorhaben daher nur dann geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte ausnahmsweise für die (dauerhafte) Duldung des rechtswidrigen Zustands sprechen.

3. Y beruft sich auf die immensen Kosten und darauf, dass sie im Außenbereich niemanden stört. Ist die Beseitigungsverfügung deshalb unverhältnismäßig und ausnahmsweise zu dulden?

Nein, das trifft nicht zu!

Trotz der Eingriffsintensivität der Beseitigungsverfügung findet grundsätzlich keine weitreichende Abwägung des “Für und Wider” statt. Der Umstand, dass mit der Errichtung eines Vorhabens gewisse Werte geschaffen worden sind, steht einer Beseitigungsverfügung nicht entgegen. Diese Strenge ist im Interesse des Gemeinwohls notwendig. Der Bauherr hat es selbst in der Hand, seine Investitionen dadurch zu sichern, dass er sich eine Baugenehmigung erteilen lässt. Wer ohne Baugenehmigung baut, der trägt auch das Risiko dafür, dass sich sein Vorhaben als materiell illegal erweist bzw. nicht genehmigungsfähig ist.Die Beseitigungsverfügung stellt hier aufgrund des Wertes der Villa einen empfindlichen Eingriff dar, jedoch hat Y diese nachteiligen Folgen selbst zu tragen.Würde man dies anders sehen, so könnte das öffentliche Baurecht durch den Bau eines möglichst teuren Bauwerks umgangen werden.

4. Die Beseitigungsverfügung ist aber unverhältnismäßig, weil mildere Mittel in Betracht kommen.

Nein!

Die Beseitigungsanordnung darf nur erlassen werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Zu beachten ist allerdings, dass eine formell und materiell rechtswidrige Anlage nachträglich nicht genehmigt werden kann, sodass ein milderes Mittel als die Beseitigung in der Regel nicht in Betracht kommt.Hier ist ein milderes Mittel als die Beseitigung der Villa nicht ersichtlich, sodass die Beseitigungsverfügung verhältnismäßig und damit ermessensfehlerfrei ergangen ist.Im Einzelfall kann eine Beseitigung unverhältnismäßig sein, wenn rechtmäßige Zustände durch die Gewährung einer Ausnahme, Befreiung oder Auflage hergestellt werden können. Dabei darf die Behörde die strengen Anforderungen der § 31 Abs. 1, 2 BauGB und des § 66 NBauO nicht umgehen. Abweichungen und Ausnahmen dürfen nicht dazu dienen, rechtswidrige Zustände dauerhaft zu machen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Artimes

Artimes

24.2.2024, 10:24:29

Prüft man beim TBM „wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können“ also eine vollständige Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Tatbestandsebene (statt im Ermessen)? Oder ist davon lediglich die Erforderlichkeitsprüfung erfasst?


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