Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)
Anwesenheitspflicht des Dolmetschers und wesentlicher Teil der Hauptverhandlung
Anwesenheitspflicht des Dolmetschers und wesentlicher Teil der Hauptverhandlung
17. April 2025
5 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Engländer E ist wegen Beleidigung angeklagt, versteht aber kein Deutsch. Der Strafrichter spricht kein Englisch. Der vom Gericht bestellte Dolmetscher verpasst seinen Zug und trifft erst nach Aufruf und Belehrung der Zeugen ein. Die Verhandlung wird mit ihm fortgesetzt und E verurteilt.
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Einordnung des Falls
Anwesenheitspflicht des Dolmetschers und wesentlicher Teil der Hauptverhandlung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da E kein Deutsch spricht, musste während der gesamten Verhandlung ein Dolmetscher anwesend sein (§ 185 GVG).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es liegt kein Verstoß gegen § 185 Abs. 1 GVG vor, da der Aufruf und die Belehrung der Zeugen nicht Teil der Hauptverhandlung sind.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Ein Verstoß gegen die Anwesenheitspflicht ist nur dann revisibel, wenn der Verfahrensbeteiligte während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung abwesend war (§ 338 Nr. 5 StPO).
Ja!
4. Da der Dolmetscher beim Aufruf der Sache und der Belehrung der Zeugen abwesend war, liegt ein revisibler Verstoß gegen § 185 GVG vor (§ 338 Nr. 5 StPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
don.dlaw
26.3.2024, 10:03:23
hey Ihr, mir ist nicht ganz klar, warum die Belehrung der Zeugen keine Auswirkung auf das Urteil haben können soll. So könnte eine fehlerhafte oder unzureichende Belehrung doch die Aussagereichweite der Zeugen beeinflussen und damit letztlich das Urteil? merci

Nora Mommsen
26.3.2024, 12:06:58
Hallo don.dlaw, danke für deine Frage! Wäre die Belehrung ausgeblieben, ist das durchaus eine andere Frage. Hier ist aber eine korrekte Belehrung der Zeugen erfolgt. Diese konnte nur für den Angeklagten nicht übersetzt werden, da der Dolmetscher noch nicht anwesend war. Dies ist nicht erheblich für die Urteilsfindung. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Hille93
7.1.2025, 12:05:10
"Der Aufruf und die Belehrung der Zeugen sind keine wesentlichen Teile der Hauptverhandlung, da ihr Inhalt keinen Einfluss auf das Urteil haben kann. Dass der Dolmetscher hier fehlte, war also unschädlich." Aber nach den Ausführungen von Nora würde das ja bedeuten: Belehrung richtig = kein wesentlicher Teil der HV Belehrung fehlerhaft = wesentlicher Teil Irgendwie ist die Argumentation nicht ganz sauber. Wesentlicher Teil (+), aber denklogisch könnte das Beruhen ausgeschlossen sein, wenn die Belehrung richtig erfolgte... Vielleicht so rum? 🤔
Entenpulli
27.8.2024, 14:42:16
Dürfte denn der Richter sein eigener Dolmetscher sein? Die Gerichtssprache ist ja Deutsch und er hat weder einen allgemein geleisteten Eid abgelegt noch könnte er ihn gegeüber sich selbst ablegen, oder? Dann käme es nämlich gar nicht darauf an, ob der Richter selbst Englisch spricht, oder?

flari0n
17.1.2025, 16:01:54
Ich glaube die Info gibt der Sachverhalt her, damit man unter § 185 Abs. 2 GVG subsumieren und zu dem Schluss kommen kann, dass die Zuziehung des Dolmetschers hier nicht entbehrlich ist. Aber ansonsten stimme ich dir zu, dass die Möglichkeit, dass die Richter:in selbst übersetzt, (z.B. wegen des insoweit fehlenden Eides, aber auch wegen eines fehlenden Kompetenznachweises) ein Störgefühl auslöst.