Referendariat
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit I: Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen
Sachliche Zuständigkeit - Die Strafgewalt des Strafrichters
Sachliche Zuständigkeit - Die Strafgewalt des Strafrichters
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird wegen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) vor dem Strafrichter angeklagt. Im Verfahren stellt sich heraus, dass zugleich eine lebensgefährdende Behandlung vorlag (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Er wird zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. A rügt mit der Revision, das Schöffengericht sei zuständig gewesen.
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Einordnung des Falls
Sachliche Zuständigkeit - Die Strafgewalt des Strafrichters
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Revision hat Erfolg, wenn das Tatgericht sachlich unzuständig war.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Man unterscheidet zwischen sachlicher, örtlicher und funktioneller Zuständigkeit. Nur die sachliche Zuständigkeit ist eine Verfahrensvoraussetzung und von Amts wegen zu prüfen (§ 6 StPO).
Ja!
3. Da eine Strafe unter vier Jahren verhängt wurde, ist hier das Amtsgericht sachlich zuständig.
Genau, so ist das!
4. Ob der Strafrichter oder das Schöffengericht zuständig ist, betrifft nur die Frage der funktionellen Zuständigkeit und stellt somit keine Verfahrensvoraussetzung dar.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Hätte der Strafrichter das Verfahren während des Hauptverfahrens an das Schöffengericht abgeben müssen, da sich die Straferwartung geändert hat?
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mareici
30.12.2023, 12:07:50
Also die Frage, ob der
Strafrichteroder das
Schöffengerichtzuständig ist, ist eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, weil dem
Strafrichterweniger Rechtsfolgengewalt zugeteilt ist und er daher ein Gericht niederer Ordnung gegenüber dem
Schöffengerichtdarstellt. Entscheidet der
Strafrichteraber über seine Rechtsfolgengewalt hinaus, ändert das nichts an seiner Zuständigkeit, wenn die Rechtsfolgengewalt des Amtsgericht von 4 Jahren Freiheitsstrafe nicht überschritten wird. Also hat die interne Verteilung der Rechtsfolgengewalt eine untergeordnete Bedeutung? Ich verstehe leider nicht so ganz, warum einerseits mit der unterschiedlichen Rechtsfolgengewalt der Spruchkörper die sachliche Zuständigkeit betroffen sein soll, es im Ergebnis aber doch nicht darauf ankommt...Vielleicht könnt ihr mir da weiterhelfen :-) Vielen Dank schon mal!
Geithombre
14.6.2024, 15:07:12
Wenn ich es recht verstanden habe, ist es wie folgt: Im Grundsatz gilt bei Straferwartung vor HV
Strafrichterbis 2 Jahre,
Schöffengericht2–4 Jahre. Wenn jetzt in der HV neue Umstände offenbar werden, die eine höhere Straferwartung begründen (für uns dann § 265 StPO im Protokoll wichtig), kann der ursprünglich zuständige
Strafrichterweiter urteilen, solange das Strafmaß nicht 4 Jahre überschreitet. Das kann natürlich nur gelten, solange es sich weiterhin um ein Vergehen handelt, so wie im obigen Fall den §
224 StGB. Es müsste daher also 1) ursprünglich eine Straferwartung bis max. 2 Jahre bestanden haben 2) in der HV durch neue Erkenntnisse eine höhere Strafe bis max. 4 Jahre zu verhängen sein, ohne dass jedoch nun ein Verbrechen abgeurteilt wird. -> dann ist die eigentlich fehlende Zuständigkeit des
Strafrichters unschädlich, hat mit Sicherheit einen ökonomisch-zweckmäßigen Hintergrund.
Sebastian Schmitt
16.10.2024, 11:23:24
Hallo @[Mareici](208178), @[Geithombre](138034) hat Deine Frage hier schon sehr gut beantwortet. Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, zwischen der Zuständigkeit von
Strafrichtern und
Schöffengerichten zu differenzieren. Das dürfte sinnvoll sein, um "kleinere" Kriminalität von nur einem Richter abhandeln zu lassen, der sich auch heute noch um den Großteil verfolgten Straftaten kümmert. Weil sich der Gesetzgeber aber ebenfalls entschlossen hat,
Strafrichterund
Schöffengerichtbeide dem Amtsgericht zuzuordnen, gilt der Strafbann des Amtsgerichts nach § 24 II GVG für beide als Obergrenze. Die interne Aufteilung, wie sie ua § 25 Nr 2 GVG vorgibt, soll eben nicht dazu führen, dass der
Strafrichterbei Fällen zwischen 2 und 4 Jahren nachträglich nach § 270 I 1, 1. Hs StPO ans
Schöffengerichtverweisen muss. Früher wurde das durchaus diskutiert und von verschiedenen OLG unterschiedlich gesehen. Der BGH hat aber schon vor Jahrzehnten klargestellt, dass auch die
Strafgewaltdes
Strafrichters bis 4 Jahre geht (BGH NJW 1961, 2316). Wen die ausgetauschten Argumente und die historischen Hintergründe interessieren (der BGH argumentiert ua mit einer Verordnung von 1924), der kann sich diese Entscheidung gerne mal anschauen. Zu Prüfungszwecken reicht es aber völlig, wenn einem diese Besonderheit des Verhältnisses von
Strafrichterund
Schöffengerichtbewusst ist. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team