Referendariat
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)
Ablehnung wegen Befangenheit - Grundfall, § 24 StPO
Ablehnung wegen Befangenheit - Grundfall, § 24 StPO
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T bestreitet in seiner Einlassung den vorgeworfenen Raub. Der Vorsitzende V fährt ihn heftig an, er solle „die Wahrheit ausspucken”. Den „Quatsch”, den er hier erzähle, glaube ihm kein Mensch. Das Gericht verwirft sodann As gestelltes Ablehnungsgesuch (§ 24 Abs. 1 StPO) und verurteilt ihn wegen Raubes.
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Einordnung des Falls
Ablehnung wegen Befangenheit - Grundfall, § 24 StPO
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 24 Abs. 2 StPO). Bestimmt sich die Frage, ob die Besorgnis der Befangenheit besteht, allein nach As subjektivem Eindruck?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wirkt ein im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO befangener Richter an der Verhandlung mit, stellt dies ohne Weiteres einen revisiblen Verfahrensfehler dar.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs kann A nur zusammen mit dem Urteil angreifen (§ 28 Abs. 2 StPO).
Ja!
4. Ein revisibler Verfahrensfehler liegt hier vor, wenn As Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen wurde.
Genau, so ist das!
5. Ist As zulässiges Ablehnungsgesuch, sachlich begründet, sodass ein ein revisibler Verfahrensfehler vorliegt (§ 24 Abs. 2 StPO)?
Ja, in der Tat!
6. Wurde ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen und wirkt der abgelehnte Richter bei der Entscheidung mit, ergibt sich aus § 338 Nr. 2 StPO ein absoluter Revisionsgrund.
Nein!
7. Ein absoluter Revisionsgrund liegt hier aber nach § 338 Nr. 3 StPO vor.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Nocebo
16.7.2024, 12:27:57
Warum ist das Ablehnungssuch hier begründet? Der Richter hat nicht geäußert, er sei von der Täterschaft überzeugt. Sondern nur, dass der Angeklagte aufhören solle, "Quatsch" zu erzählen. Bei einer absolut abwegigen Einlassung erscheint mir das keine Befangenheit zu begründen.
Entenpulli
12.8.2024, 14:56:18
Leuchtet mir ohne die Aussage zu kennen und nicht zu wissen, ob er sich nicht vlt erst eingelassen hat, nachdem schon zahlreiche Beweise das Gegnteil ergeben haben, auch nicht ein.
DrCS
21.9.2024, 13:57:38
@[Nocebo](222699) @[Entenpulli](169608) Bei der Prüfung der sachlichen
BEgründetheitdes Ablehnungsgesuchs kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern ob man aufgrund verständiger Würdigung davon ausgehen kann, dass der Richter bereits eine innere Haltung eingenommen hat, die ggf. seine Unparteilichkeit störend beeinflussen könnte. Mit seinen Äußerungen, es handele sich dabei um "Quatsch" und der zugleich nachdrücklichen Bekräftigung, der Angeklagte solle doch endlich die Wahrheit erzählen, besteht bei verständiger Würdigung ein Grund zur Annahme, dass er bereits - vor dem Schluss der Beweisaufnahme - eine bestimmte innere Haltung eingenommen hat, und zwar zum Nachteil des Angeklagten. Natürlich ist der Sachverhalt hier recht kurz, aber auch ein längerer Sachverhalt würde letztlich nicht rechtfertigen, vor dem Schluss der Beweisaufnahme bereits in der Form Position zu beziehen.
Nocebo
8.11.2024, 17:56:22
Vielleicht ist hier am Großstadt-Amtsgericht anders, aber viele Äußerungen der Angeklagten, die ich während der StA gehört habe, wären mit Quatsch noch extrem wohlwollend beschrieben worden und das haben auch nicht alle Richter mit sich machen lassen, wenn sie offensichtlich angelogen werden. Ich glaube hier prallen einfach Wirklichkeit und Anspruch aneinander.
DrCS
8.11.2024, 18:20:45
Das kann natürlich gut sein, da wird’s auch extrem auf den Einzelfall ankommen. Ich kann das nur für die
Schwurgerichtskammer beurteilen, bei der ich meine Strafstation gemacht habe und da muss ich sagen, dass jedenfalls jede einzelne Verhandlung komplett revisionsfest war und ich nur sehr emphatische, unvoreingenommene und extrem kompetente Richter:innen erlebt. Hab da tbh das Vertrauen in den Rechtsstaat wiedergewonnen 😄
Entenpulli
9.11.2024, 10:48:17
@[Nocebo](222699) Mit Großstadt hat das mMn nix zu tun, war bei mir im ländlichen Raum auch nicht anders. Viel entscheidender ist wohl, ob der Angeklagte mit oder ohne Verteidiger auftritt. Offensichtliche Lügen unterbinden die Verteidiger nach meiner Erfahrung recht effektiv.