+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Deutschland schließt einen völkerrechtlichen Vertrag zum Schutz von Meeresschildkröten ab, den der Bundestag einfachgesetzlich umgesetzt hat. Bürger B meint, für ihn gelte das Völkerrecht nicht und hält die Tiere, trotz Verbot im Vertrag, weiter als Haustiere. Er beruft sich auf seine allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).
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Einordnung des Falls
GR-Bindung beim Vollzug von Völkerrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Völkerrechtliche Verträge stehen im Rang über jedem nationalen Recht.
Nein, das ist nicht der Fall!
Der Rang eines völkerrechtlichen Vertrages im nationalen Recht hängt von den diesbezüglichen Regelungen des jeweiligen Staates ab. In Deutschland haben Völkerrechtliche Verträge nach Zustimmung durch den Bundestag den Rang eines einfachen Bundesgesetzes inne (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) und stehen damit formal unterhalb des Grundgesetzes. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts hingegen, also etwa das zwingende Völkerrecht (_ius cogens_), stehen in Deutschland hierarchisch über dem einfachen Bundesrecht (Art. 25 S. 2 GG), nach h.M. jedoch trotzdem unter dem Grundgesetz.
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2. Völkerrechtliche Verträge begründen erst Rechte und Pflichten der Bürger, wenn sie in deutsches Recht umgesetzt wurden.
Ja, in der Tat!
Völkerrechtliche Verträge binden zunächst die beteiligten Staaten selbst. Rechte und Pflichten deren Bürger entstehen in Deutschland jedoch erst, sobald der Staat den Vertrag in nationales Recht umgewandelt hat (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG).
3. Nach der Umwandlung steht der völkerrechtliche Vertrag als einfaches Gesetz unter den Grundrechten und ist bei deren Anwendung und Auslegung unerheblich.
Nein!
Das BVerfG hat entschieden, dass völkerrechtliche Verträge trotz ihres Rangs als einfaches Bundesgesetz wegen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 2 GG) bei der Auslegung und Anwendung von einfachem deutschen Recht und den Grundrechten zu beachten sind. Das Völkerrecht dient daher als Auslegungshilfe Dieser Grundsatz reicht laut BVerfG jedoch nur so weit, wie methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar.
4. Nach Umwandlung des völkerrechtlichen Vertrages erlässt der Bundestag ein neues Gesetz. Gilt das spätere Gesetz?
Genau, so ist das!
Der sogenannte _lex-posterior Grundsatz_, wonach das spätere Gesetz dem früheren vorgeht, findet auch für völkerrechtliche Verträge Anwendung, die in einfaches Bundesrecht umgewandelt wurden. Entscheidet sich der Gesetzgeber also, später ein anderes Gesetz zu erlassen, geht dieses dem früheren Gesetz, hier dem völkerrechtlichen Vertrag, vor. Dem steht auch nicht die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes entgegen!
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Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 38.A. 2022, RdNr. 66, 73, Schmidt, Grundrechte, 26.A. 2021, RdNr. 4, 4c, 7, 7c, 7d.