Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Verwaltungsrecht BT: Polizei- und Ordnungsrecht
Rechtmäßigkeit einer Anordnung gegen ein Wahlplakat mit dem Slogan „Migration tötet“? (BVerwG, Urt. v. 26.04.2023 – 6 C 8.21)
Rechtmäßigkeit einer Anordnung gegen ein Wahlplakat mit dem Slogan „Migration tötet“? (BVerwG, Urt. v. 26.04.2023 – 6 C 8.21)
14. April 2025
17 Kommentare
4,7 ★ (16.103 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Kreisverband der N-Partei (K) hängte zur Europawahl Wahlplakate mit dem Slogan „Stoppt die Invasion – Migration tötet“ auf. Die zuständige Behörde erließ daraufhin gegen K die Verfügung, die Plakate abzuhängen oder unkenntlich zu machen.
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Einordnung des Falls
Rechtmäßigkeit einer Anordnung gegen ein Wahlplakat mit dem Slogan „Migration tötet“? (BVerwG, Urt. v. 26.04.2023 – 6 C 8.21)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Verfügung erledigte sich durch Ablauf der zum Aufhängen von Wahlplakaten berechtigten Sondernutzungserlaubnis, nachdem K Klage erhoben hat. Ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. K möchte das Wahlplakat auch in zukünftigen Wahlkämpfen verwenden. Begründet dies eine Wiederholungsgefahr und damit ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse?
Ja!
3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn der Verwaltungsakt vor seiner Erledigung rechtswidrig war und den Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzte.
Genau, so ist das!
4. Als Rechtsgrundlage für die durch die Ordnungsbehörde erlassene Verfügung kommt die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel (im Originalfall § 14 Abs. 1 OBG NRW) in Betracht.
Ja, in der Tat!
5. Die Ordnungsbehörde hat K vor Erlass der Verfügung nicht angehört und die Anhörung auch später nicht nachgeholt. Ist der Verwaltungsakt deswegen zwingend formell rechtswidrig?
Nein!
6. Hätte das Gericht aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit der Verfügung den Verwaltungsakt zwingend aufheben müssen?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Der Tatbestand der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklausel (hier § 14 Abs. 1 OBG NRW) setzt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit voraus. Liegt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit u.a. dann vor, wenn das Schutzgut der Unversehrtheit der Rechtsordnung gefährdet ist?
Ja, in der Tat!
8. Ist der Slogan von Ks Wahlplakat vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) erfasst?
Ja!
9. Stellt der Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB) ein allgemeines Gesetz dar, das Eingriffe in die Meinungsfreiheit rechtfertigen kann?
Genau, so ist das!
10. Vor einer rechtlichen Würdigung einer in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) fallenden Äußerung müssen Behörden und Gerichte ihren Sinn zutreffend erfassen.
Ja, in der Tat!
11. Bei der Interpretation der Äußerungen kommt es stets auf das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen an.
Nein!
12. Der Wahlkampf ist ein Begleitumstand, der bei der Interpretation des Slogans zu berücksichtigen ist.
Genau, so ist das!
13. Der Slogan lässt sich einerseits so deuten, als würde behauptet, dass die in Deutschland lebenden Migranten töten, andererseits als würde die Migrationspolitik der Bundesregierung kritisiert.
Ja, in der Tat!
14. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) der K ist begründet und hat damit Aussicht auf Erfolg.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW
12.2.2025, 09:39:57
Moin, ich finde das Wort „Invasion“ wurde hier viel zu wenig berücksichtigt. Denn eine Invasion führt sofort zu einer negativen Konnotation des Anhangs „Migration tötet“. Eine Invasion stammt nämlich aus dem Militär und meint das Vordringen feindlicher Truppen. Daraus wird m.E. auch die feindliche G
esinnung der NPD gegenüber allen Migranten deutlich, sodass hier nicht nur konstruktive Kritik an der Migrationspolitik geäußert wird, sondern bewusst ein Feindbild geschaffen wird. Ähnlich wie bei der Entscheidung „
Soldaten sind Mörder“ wird somit nicht nur die Institution angegriffen, sondern die dahinerstehenden Personen. In diesem Fall alle Migranten.
Müslimanagerin
12.2.2025, 10:16:00
Ich finde das Urteil auch sehr fragwürdig. Selbst bei Berücksichtigung der Situation des Wahlkampfes vermittelt die Aussage zusammen mit der Bezeichnung als Invasion eine klare Botschaft: "Migration ist tödlich, denn Migrant*innen töten" Die Kritik der Bundespolitik steckt da freilich automatisch mit drin, ist aber aus meiner Sicht eine nebenbei, eher unterschwellig mitklingende Aussage und nicht der Kerngehalt.

MenschlicherBriefkasten
12.2.2025, 10:28:36
@[FW](139488) Auch diesbezüglich gilt das Prinzip, zu einer möglichst der
MeinungsfreiheitGeltung verschaffenden Deutung zu kommen. Deine Interpretation des Wortes "Invasion" ist eben nur eine Deutungsvariante. "Invasion" ist nicht zwingend in einem militärischen Kontext zu deuten. In der Naturwissenschaft spricht man bspw. von invasiven Arten. Weiter dazu: "Als biologische Invasion bezeichnet man allgemein die durch Menschen verursachte Ausbreitung einer gebietsfremden Art in einem Gebiet, in dem sie ursprünglich nicht heimisch war. " (Ingo Kowarik: Biologische Invasionen. Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa, S. 17.) Dass die NPD sich mit ihrer Verwendung des Wortes Invasion auf die tatsächlich stattfindende Einwanderung bezieht, ist jedenfalls nicht völlig abwegig, sodass dieser Deutungsvariante der Vorzug zu gegen ist i.S.d. Art. 5 I GG. @[Müslimanagerin](100047) Dass die Bezeichnung diese klare Botschaft vermittelt, ist wiederum nur eine Deutungsvariante. Wie gesagt, es ist aber jene Variante zu wählen, die unter die
Meinungsfreiheitfällt. In der Klausur könntest du wahrscheinlich trotzdem argumentieren, dass es hier offensichtlich sei.
Timurso
12.2.2025, 12:12:15
@[FW](139488) gerade wegen deinem Vergleich mit "
Soldaten sind Mörder": auch dort wurden, wie du sagst, die Soldaten (sogar noch viel expliziter) gemeint und dennoch war die Aussage von der
Meinungsfreiheitgedeckt. Warum sollte es deiner Meinung nach hier anders sein?

FW
12.2.2025, 12:28:02
@[MenschlicherBriefkasten](151200) Aber selbst wenn man auch der biologischen Variante folgt, wäre das ja erst recht verwerflich. Dann würde man ja Migranten indirekt als eine gebietsfremde Art bezeichnen. Das wäre ja noch viel schlimmer als nur von einer objektiven Invasion in Form eines
Eindringens ins deutsche Staatsgebiet zu sprechen. @[Timurso](197555) Und zu der Entscheidung des BVerfG. Ich hatte die Entscheidung anders im Kopf, vermutlich die Verurteilung des BGH wegen
Beleidigung, die durch das BVerfG aufgehoben wurde. Deswegen nehme ich das Argument zurück. Trotzdem sehe ich hier eine Strafbarkeit wegen § 130 I Nr. 2 Alt. 3 StGB, da die
Meinungsfreiheitder NPD nicht die Menschenwürde alle Migranten überwiegt.

MenschlicherBriefkasten
12.2.2025, 12:33:22
@[FW](139488) Was man "erst recht verwerflich" findet, spielt aber keine Rolle. Die
Meinungsfreiheitist sehr weitreichend, auch als "verwerflich" empfundene Aussagen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich der
Meinungsfreiheit. Und auch die Aussage mit der gebietsfremden Art ist mMn noch vom Schutzbereich umfasst.

BGB OK
12.2.2025, 17:11:47
@[FW](139488) ich glaube, dass du ganz schön subjektiv wirst. Gebietsfremd ist quasi der Inbegriff von Migration, es ist ja gerade der Wechsel aus der Heimat in ein neues Gebiet? Jedenfalls sehe ich alle Varianten dieser Äußerung als von Art. 5 I GG als gedeckt an. Ang
esichts der tatsächlichen Statistiken stellt sich sogar die Frage, ob hier nicht auch eine
Tatsachenbehauptung vorliegt, die zwar überspitzt ausgedrückt ist, aber doch auf einem erweislich wahren Kern beruht. In der Folge wäre eine Verletzung der Menschenwürde unter Bezug auf
Tatsachendann vielleicht sogar besonders dringen abzulehnen.
Natalie
12.2.2025, 19:08:08
@[Jurafuchs](137809) nicht jede gerichtliche Entscheidung ist zwingend richtig?! Ich finde es hier schwer nachvollziehbar von einer anderen Kernbedeutung auszugehen, als dass Migrant*innen töten und somit noch weiter Hass und Hetze zu schüren. Dass darin auch Kritik an der Migrationspolitik mitschwingt ist doch kein sinnvolles Gegenargument? Man hätte hier zumindest einmal klarstellen können, dass man das auch sehr gut anders sehen kann. Und zu meinem Vorredner @[BGB OK](284560) Was für Statistiken?! Migrant*innen töten nicht mehr oder weniger als Nicht-Migranten*innen. #Nazisraus

MenschlicherBriefkasten
13.2.2025, 10:16:31
@[Natalie](280642) Du solltest schon Aktivismus von Rechtswissenschaft unterscheiden können.

Simon
18.2.2025, 11:03:01
Ich halte das Urteil durchaus für juristisch zutreffend. Zunächst sollte man sich klar machen, dass Art. 5 I 1 Alt. 1 GG gerade dazu dient, auch unliebsame und streitbare Meinungen zu schützen, denn diese sind klassischerweise Gegenstand staatlicher Repression. Unabhängig davon, ob man dem Plakat inhaltlich zustimmt und trotz seiner geschmacklosen Aufmachung soll in einem demokratischen Rechtsstaat der Kampf um die "richtige" Meinung grundsätzlich inhaltlich und nicht mit staatlichen
Eingriffen geführt werden. Es gilt: "Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen" (Voltaire). Ang
esichts dessen ist § 1
30 StGBm.E. grundsätzlich restriktiv zu interpretieren. Das bedeutet auch, der Meinungsäußerung diejenige Deutung zu Grunde zu legen, die für die äußernde Person möglichst vorteilhaft ist (Ausfluss der Wechselwirkungslehre). Zwar sind die Worte "Invasion" und "tötet" überaus negativ konnotiert und abwertend. Allerdings ist die Aussage aus objektiver Empfängersicht durchaus derart auslegbar, dass damit nicht die migrierenden Menschen selber gemeint sind, sondern die Migration als gesellschaftliches Phänomen. So wurde eben nicht geschrieben "Migranten töten", sondern "Migration tötet". Zudem wird weder zu konkreten Maßnahmen (außer dem Wählen der Partei) aufgerufen, noch werden in anderer Weise Migrant*innen spezifisch adressiert. Des Weiteren finde ich es völlig zutreffend, hier die Umstände des Wahlkampfes mit einzubeziehen und Art. 21 I, 38 I 1 GG zu berücksichtigen: Wahlplakate sind ein wesentliches Mittel der Parteien, um Stimmen der Wähler abzugreifen und sich für ihre jeweilige Zielgruppe attraktiv darzustellen. Dabei kommt es vor allem auf Sprüche an, die prägnant sind, den Menschen ins Auge fallen und einprägsam sind. Insofern ist eine überspitzte Darstellung durchaus üblich und auch notwendig. In diesem Kontext ist m.E. auch das Wort "Invasion" zu sehen, das in eben dieser überspitzten Form den Zuzug von Menschen anspricht. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass das Wahlplakat durchaus auf tatsächliche Umstände Bezug nimmt (auch wenn es diese stark überzeichnet), denn schon allein aufgrund der größeren Anzahl von Personen infolge von Migration nimmt die absolute Anzahl an Straftaten und auch Tötungsdelikten zu. Summa summarum ist das Wahlplakat also durchaus als Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung zu verstehen. Natürlich ist eine andere (nachteiligere) Interpretation ebenso denkbar und vielleicht auch naheliegender. Die hohe Bedeutung, die Art. 5 I 1 Alt. 1, 21 I, 38 I 1 GG aber im Gefüge der verfassungsmäßigen Ordnung einnehmen, zwingt hier aber dazu, die für die Klägerin günstigere Auslegung zu unterstellen.

Sebastian Schmitt
24.3.2025, 07:49:21
Hallo @[FW](139488), vielen Dank Dir für den Beitrag und @[Müslimanagerin](100047), @[MenschlicherBriefkasten](151200), @[Timurso](197555), @[BGB OK](284560), und @Natalie für die Ergänzungen und die (weitestgehend) faire und vernünftige Diskussion. Du, FW, sprichst hier natürlich einige valide Punkte an, über die man durchaus diskutieren kann. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass wir es mit einer sehr wertungsabhängigen Frage iRd
Meinungsfreiheitzu tun haben. Erfahrungsgemäß wird dabei die ohnehin schon nicht immer trennscharfe rechtliche Abgrenzung (mitunter stark) von persönlichen und politischen Überzeugungen geprägt, in beide Richtungen des politischen Spektrums. Eine gute rechtliche Argumentation (auch bei Prüfungsaufgaben) zeichnet sich insoweit dadurch aus, dass man seine Ausführungen nicht auf einen "G
esinnungsaufsatz" darüber reduziert, was falsch/richtig und vernünftig/unvernünftig ist, sondern die vertretene Auffassung möglichst mit rechtlichen Kriterien unterfüttert. Wie man sich dann entscheidet, ist für die rechtliche (!) Güte der Argumentation in einem Fall wie hier nicht so entscheidend. Wie so etwas aussehen kann, hat vor allem @[Simon](131793) mit seinem Beitrag sehr schön gezeigt. Inhaltlich sind alle, die mit der Entscheidung und Argumentation des BVerwG Probleme haben, in guter Gesellschaft: Das OVG Münster hatte es in der Vorinstanz noch deutlich anders gesehen (Urt v 22.6.2021 - Az 5 A 1386/20, BeckRS 2021, 35199). Der Senat begründete das in erster Linie mit dem Kontext und den Hintergründen der Äußerung. Auch auf den Begriff der Invasion wird explizit eingegangen (BeckRS 2021, 35199, Rn 78). Konkret zu Deinem Beitrag, @Natalie, weil Du uns gezielt taggst: Dass jede gerichtliche Entscheidung "richtig" ist, haben wir nie behauptet, wobei ohnehin zu klären wäre, was "richtig" genau meint. Wir stellen hier lediglich eine (durchaus kontroverse) Entscheidung des BVerwG dar. Dass Du das Urteil auf einer persönlichen Ebene schwer nachvollziehen kannst, kann ich gut verstehen. Wie gesagt ist eine andere Einschätzung sicher gut vertretbar, wobei ein pauschaler Verweis auf die gesellschaftlichen und sozialen Folgen der Entscheidung rein rechtlich (!) ein eher schwaches Argument ist. Dass sich das persönliche Empfinden ohnehin nicht immer mit der rechlichen Bewertung deckt, lernen wir als Juristinnen und Juristen ja sowieso schon recht früh in der Ausbildung. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Timurso
12.2.2025, 12:05:50
Ist ein besonderes
Fortsetzungsfeststellungsinteressenicht nur bei der
Erledigung vor Klageerhebungerforderlich, während bei der echten Fortsetzungsfeststellungssituation bei
Erledigungnach Klageerhebung bereits jedes rechtliche oder wirtschaftliche Interesse ausreicht, was in der Regel durch die Gerichtskosten bereits erfüllt ist?
Blackbird
12.2.2025, 14:40:46
Hallo Timurso, Du darfst die
Fortsetzungsfeststellungsklagenicht mit der (allgemeinen) Feststellungsklage verwechseln. Bei der Feststellungsklage genügt für das
Feststellungsinteressejedes schutzwürdige Interesse wirtschaftlicher, rechtlicher oder ideeller Art. Bei der
Fortsetzungsfeststellungsklagebrauchst du immer ein
Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Bei dieser Klageart geht es ja gerade darum, dass der (möglicherweise
rechtswidrige) VA schon erledigt ist ( Anfechtungssituation) oder der Erlass eines VA (
rechtswidrig) abgelehnt wurde/ unterlassen wurde, sich aber das Begehren erledigt hat (Verpflichtungssituation). Im Prinzip könnte das Gericht dann sagen: "Warum soll hier überhaupt noch etwas geprüft werden?" Eine Prüfung ist aber notwendig wenn eine der besonderen Fallgruppen vorliegt - gerade wenn die Gefahr besteht, dass wieder ein solcher VA erlassen wird (Wiederholungsgefahr) oder z.B bei einem schwerwiegenden Grundrechts
eingriff.
as.mzkw
12.2.2025, 16:21:02
Hätte man bzgl der Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs nicht auf
Art. 19 III GGeingehen müssen? Denn Parteien selbst sind ja keine natürlichen Personen.
milatequila
10.3.2025, 11:20:16
ich verstehe nicht ganz, warum "Migration tötet" keine unwahre
Tatsachenbehauptung darstellt und somit warum der Schutzbereich der
Meinungsfreiheitüberhaupt eröffnet ist. Schließlich handelt es sich ja um eine Aussage, die empirisch überprüfbar ist und bei der man von ausgehen kann, dass die "N-Partei" weiß, dass sie falsch ist, oder nicht? Danke!

Sebastian Schmitt
24.3.2025, 10:28:20
Hallo @[Mila0802](292210), das dürfte eine Auslegung sein, die zumindest für unseren Fall hier kaum mehr vertretbar ist. Die von Dir angenommene "
Tatsachenbehauptung" ist doch schon inhaltlich gar nicht klar: Welche (Art von) Migration ist denn gemeint (legale, illegale, jegliche)? Und wen "tötet" sie und wodurch/wie? Wir wissen natürlich, welche Partei diese Aussage getroffen hat und in welche Richtung sie vermutlich gemeint war. Das können wir aber rechtlich nicht ohne Weiteres unterstellen und so aus einer insgesamt recht wertungsoffenen Aussage eine Tatesachenbehauptung konstruieren. Jedenfalls handelt es sich hier nicht um eine "reine"
Tatsachenbehauptung, die unmittelbar dem Beweis zugänglich wäre. Im Anschluss müssten wir dann schauen, ob die Tatsache wirklich unrichtig ist, was sich logischerweise nicht beantworten lässt, ohne eine hinreichend klare
Tatsachenbehauptung zu haben. Aber selbst beim Wahrheitsgehalt müssten wir eher zurückhaltend sein und dürften keine zu hohen Anforderungen stellen, weil wir den Schutzbereich der
Meinungsfreiheitsonst unzulässig verengen würden (dazu Dreier/Kaiser, GG, 4. Aufl 2023, Art 5 Rn 61 mwN). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
milatequila
27.3.2025, 13:47:40
Hallo Sebastian, das leuchtet ein, Dankeschön!