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Entscheidungen von 2022

Offene Videoüberwachung eines Bahnhofsvorplatzes durch die Polizei

Offene Videoüberwachung eines Bahnhofsvorplatzes durch die Polizei

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Polizeipräsident der Stadt K ordnet das Anbringen von Videoüberwachungskameras auf dem Bahnhofsvorplatz an. Er begründet seine Entscheidung damit, dass der Platz ein Kriminalitätsschwerpunkt sei.

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Einordnung des Falls

Offene Videoüberwachung eines Bahnhofsvorplatzes durch die Polizei

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bürger B meint, die Videoüberwachung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft?

Ja, in der Tat!

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist statthaft, wenn in der Hauptsache nicht die Anfechtungsklage, sondern die Verpflichtungs-, die allgemeine Leistungs- oder die Feststellungsklage statthaft ist (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Die Anordnung des Polizeipräsidenten stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG dar. Demnach wäre in der Hauptsache nicht die Anfechtungsklage statthaft und folglich der Rechtsschutz nicht vorrangig nach §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist statthaft. Die Abgrenzung zwischen dem Eilrechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO und nach § 80 Abs. 5 VwGO solltest Du können. Das zuständige VG hat Bs Antrag, der Polizeibehörde (A) die Videoüberwachung des Platzes bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu untersagen, stattgegeben. Hiergegen wendet sich A im Wege der Beschwerde vor dem OVG.
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, soweit ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Ja!

Der Anordnungsanspruch meint den materiell-rechtlichen Anspruch, um den in der Hauptsache gestritten wird und der durch die einstweilige Anordnung gesichert bzw. vorläufig realisiert werden soll. Insoweit prüft das Verwaltungsgericht summarisch die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse das Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbar ist. Der Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft gemacht, wenn dargelegt wird, dass sie überwiegend wahrscheinlich vorliegen.

3. B müsste einen (Anordnungs-)Anspruch auf Unterlassung der Videoüberwachung haben. Dieser Unterlassungsanspruch kann sich unmittelbar aus einem Grundrecht ableiten, wenn dessen Verletzung droht.

Genau, so ist das!

Die Grundrechte schützen den Bürger vor ihnen zuwider laufenden Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen die durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt) entstehen. Der Bürger kann, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils beeinträchtigte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm nicht bereits das einfache Gesetzesrecht einen Anspruch vermittelt. Hier kommen gleich mehrere betroffene Grundrechte in Betracht, die B einen Unterlassungsanspruch vermitteln könnten und die das Gericht im Folgenden im Einzelnen prüft. Merke Dir, dass einfachgesetzliche Normen, aus denen sich ein Anspruch ergibt, in der Klausur vorrangig zu prüfen sind.

4. Ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch könnte sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ergeben. Greift die Videoüberwachung in den Schutzbereich dieses Rechts ein?

Ja, in der Tat!

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst die Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. Ein Eingriff ist jedes staatlich-zurechenbare Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, welches in den Schutzbereich fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht oder erschwert. Das durch die Videoüberwachung gewonnene Bildmaterial kann und soll dazu genutzt werden, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich Straftaten begehen. Zugleich kann und soll die Videoüberwachung zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken. Ein Eingriff liegt vor (RdNr. 18).

5. Jeder Grundrechtseingriff bedarf einer Rechtfertigung. § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PolG NRW kommt als rechtfertigende Norm in Betracht. Die Norm müsste dafür aber verfassungsgemäß sein.

Ja!

Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NRW kann die Polizei zur Verhütung von Straftaten einzelne öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung beobachten und die übertragenen Bilder aufzeichnen, wenn an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden, die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt und ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich ist. Damit die Regelung aber Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigen kann, müsste sie formell und materiell verfassungsgemäß sein.

6. § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PolG NRW ist formell verfassungsgemäß, insbesondere ist sie von der Gesetzgebungskompetenz des Landes aus Art. 70 Abs. 1 GG gedeckt.

Genau, so ist das!

Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit das GG nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Als solche käme hier das Strafrecht in Betracht, das gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG Teil der konkurrierenden Gesetzgebung ist. Dafür müsste die Norm im Kern der Strafverfolgung dienen. § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PolG NRW verfolgt aber überwiegend gefahrenabwehrrechtliche Zwecke (siehe z.B. den Gesetzeswortlaut „zur Verhütung von Straftaten“). Die Verwendung des Bildmaterials zu Strafverfolgungszwecken stellt nur einen Nebeneffekt dar. Damit ist sie dem Polizeirecht zuzuordnen, das mangels Zuweisung zu dem Bund in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt (RdNr. 30ff.). Zur Prüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit gehört neben (1) der Gesetzgebungskompetenz, (2) das Gesetzgebungsverfahren und (3) die Form.

7. Um materiell verfassungsgemäß sein, müsste § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PolG NRW insbesondere verhältnismäßig sein.

Ja, in der Tat!

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist das zentrale Element der materiellen Verfassungsmäßigkeit und sollte in Klausuren immer angesprochen und geprüft werden. Gerade polizeiliche Maßnahmen, die oft besonders intensiv in Grundrechte eingreifen, müssen immer verhältnismäßig sein. Damit eine Regelung verhältnismäßig ist, muss sie einen legitimen Zweck verfolgen und zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Das OVG hat hier zudem den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz, wonach Normen, die die Verwaltung zu Eingriffen in Rechtspositionen des Bürgers ermächtigen, so bestimmt zu fassen sind, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, geprüft (RdNr. 34).

8. Die offene Videoüberwachung verfolgt mit der Verhütung von Straftaten an öffentlich zugänglichen Orten einen legitimen Zweck und ist zu dessen Erreichung auch geeignet.

Ja!

Ein Zweck ist legitim, wenn er auf das Wohl der Allgemeinheit gerichtet ist. Eine Maßnahme ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn sie den verfolgten Zweck jedenfalls fördert. Der Zweck, die Begehung bzw. Vollendung von Straftaten an öffentlich zugänglichen Orten zu verhindern (und die mitbezweckte Strafverfolgungsvorsorge) sind auf das Wohl der Allgemeinheit gerichtet und damit legitime Zwecke. Zudem fördert die offene Videoüberwachung diese Zwecke wenigstens, indem sie potentielle Täter abschreckt und ein schnelles Eingreifen der Polizei ermöglicht (RdNr. 40ff.). In der Klausur kannst du bei derartig unproblematischen Prüfungspunkten auch den verkürzten Gutachtenstil verwenden.

9. Die offene Videoüberwachung des Bahnhofvorplatzes ist zudem zur Zweckerreichung erforderlich.

Genau, so ist das!

Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn kein gleich wirksames, aber weniger beeinträchtigendes Mittel zur Verfügung steht. Dem Gesetzgeber kommt hierbei ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. OVG: Als ein anderes Mittel käme hier die Erhöhung der Polizeipräsenz auf entsprechenden Flächen in Betracht. Diese Maßnahme, würde aber regelmäßig zu Lasten anderer Aufgaben der Polizei gehen und den Landeshaushalt zusätzlich belasten. Zudem wäre sie im Hinblick auf die bei der technischen Überwachung bestehenden Möglichkeiten der Überblicksansicht, des Zoomens und des Aufzeichnens weniger effektiv und damit nicht in gleicher Weise wirksam (RdNr. 50). In der Klausur kannst du hier Punkte holen, wenn du mildere Alternativmaßnahmen ansprichst und prüfst, ob sie gleich geeignet sind.

10. Ist die offene Videoüberwachung angemessen?

Ja, in der Tat!

Angemessen ist die Maßnahme, wenn sie nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck steht. Hierbei ist eine Güterabwägung vorzunehmen, in die die Wertigkeit des betroffenen Grundrechts, die Zahl der Betroffenen und die Intensität des Eingriffs einerseits und das Gewicht der verfolgten Ziele und Belange andererseits eingestellt wird (vgl. RdNr. 52). Einerseits stellt die fortlaufende Überwachung des öffentlichen Straßenraums einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Andererseits dient der verfolgte Zweck der Gefahren- und (nachrangig) der Strafverfolgungsvorsorge jedoch nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung bzw. Aufklärung von Straftaten, sondern auch dem Schutz von Rechtsgütern des Einzelnen und der Allgemeinheit. Insgesamt ist die offene Videoüberwachung somit auch angemessen (RdNr. 54ff.). Das OVG hat hier auch noch andere Argumente eingebracht. In der Klausur gilt: je mehr gute Argumente, desto besser! Denn so zeigst du, dass du die Güterabwägung der Angemessenheit beherrschst.

11. Die offene Videoüberwachung verletzt Bs Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).

Nein!

Die Videoüberwachung beruht auf einer verfassungsmäßigen Gesetzesgrundalge und ist formell sowie materiell verfassungsmäßig. Demnach ist der Eingriff in Bs Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Videoüberwachung gerechtfertigt.

12. Während Versammlungen auf dem Bahnhofsvorplatz sind die Videokameras erkennbar ausgeschaltet, allerdings nicht unmittelbar davor und danach. Ist Bs Versammlungsfreiheit hierdurch verletzt?

Genau, so ist das!

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) umfasst den gesamten Vorgang des Sich-Versammelns und wirkt daher auch insbesondere im Vorfeld der Versammlung. Die Versammlungsfreiheit kann auch durch faktische Maßnahmen beeinträchtigt werden, wenn diese in ihrer Intensität imperativen Maßnahmen gleichstehen und eine abschreckende oder einschüchternde Wirkung entfalten (RdNr. 204ff.). Die Videoüberwachung ist wegen der von ihr ausgehenden abschreckenden Wirkung auf die Versammlungsteilnehmer während und ebenso für die Zeit der unmittelbaren Vorbereitung und der Abreise von der Versammlung einzustellen. Damit liegt bzgl. Bs Versammlungsfreiheit ein Anordnungsanspruch, die Videoüberwachung für den Zeitraum kurz vor, nach und während der Versammlung zu unterlassen, vor.

13. Auch ein Anordnungsgrund ist bzgl. Bs Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gegeben.

Ja, in der Tat!

OVG: Ohne den Erlass der Maßgaben bestünde die Gefahr, dass B mit Blick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (RdNr. 214).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper

Edward Hopper

12.10.2022, 22:08:39

Wieso ist die Anordnung kein VA? Hätte jetzt auf eine allgemeinverfügung getippt. Oder fehlt regelungswirkung? Regelungswirkung kann doch hier die duldungspflicht sein?

Simon

Simon

12.10.2022, 23:24:43

Eine Allgemeinverfügung kann mE schon deshalb nicht vorliegen, weil bei Anordnung der Videoüberwachung kein (zumindest) bestimmbarer Personenkreis vorliegt. Wer sich auf dem Platz aufhalten wird ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar. Auch eine Regelungswirkung ist mE problematisch, da der Polizeipräsident ja nicht direkt ggü den Bürgern die Überwachung anordnet, sondern nur eine innerdienstliche Weisung erlässt. Die Beamten stellen bringen dann einfach die Kamera an. Eine Duldungsverfügung nur durch Aufstellen der Kamera anzunehmen, wirkt schon sehr gezwungen. Die Duldung der Maßnahme ergibt sich v.a. aus der tatsächlichen Situation, ist aber nicht rechtlicher Natur.

Edward Hopper

Edward Hopper

12.10.2022, 23:57:39

Das mit dem bestimmbaren Personenkreis: doch, alle Personen die sich auf dem Platz X aufhalten (analog wie z. B. Alkoholverbot auf dem Platz Y oder Geschwindigkeitsbegrenzung auf dem Gebiet Z - in den Beispielen liegt zweifelsohne VA vor) Regelungswirkung: naja so argumentiert kann man immer sagen jemand hat es intern angewiesen und die Baubehörde/OBehohrde hat es "nur ausgeführt". Die Schwierigkeit das zu fassen liegt darin, dass vom Bürger kein

aktives Tun

gefordert wird, sondern lediglich "Erdulden". Bei der Kombi Erdulden + Allgemeinverfügung schließt man sofort auf keine Regelungswirkung. H.m. sieht das wohl auch so aber das ist nicht zwingend. Früher wurde nämlich beim "Dulden" ein VA fingiert da damals Klage Erfordernis. Sozusagen: "Ich setze die Regelungswirkung dass du die Maßnahme zu dulden hast". In der heutigen VwGO ist VA nicht mehr zwingend Klage Erfordernis dementsprechend m. M. Dogmatisch allerdings ist das nicht falsch sondern ungewohnt und aus der Mode.

Simon

Simon

13.10.2022, 00:28:23

Bei Alkoholverbot und Geschwindigkeitsbegrenzung handelt es sich um benutzungsregelnde Allgemeinverfügungen. Auch dort liegt im Übrigen kein bestimmbarer Personenkreis vor. Bei der Videoüberwachung kann man aber wohl nur schwerlich von einer Benutzungsregelung ausgehen. Bzgl. Regelungswirkung stimme ich dir zu, darüber kann man streiten.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

29.11.2022, 15:48:00

Danke Edward Hopper und Simon für eure rege Diskussion. In der Tat haben die Gerichte vorliegend die fehlende VA-Qualität einfach angenommen und sich nicht eingehend damit beschäftigt. Dies lässt sich damit begründen, dass sich der Rechtsbehelf des Klägers bzw. Antragsstellers im einstweiligen Verfahren gegen die Anordnung des Polizeipräsidenten richtete. Diese ist in der Tat als innerdienstliche Anordnung ohne

Außenwirkung

. Der Aufnahme selber wiederum, von der dann durchaus außerhalb der Verwaltung stehende betroffen sind fehlt es an der Regelungswirkung. Den Rechtsschutz beeinträchtigt es seit Einführung der allgemeinen Leistungsklage in der VwGO nicht, sodass die Konstruktion einer Duldungspflicht schlichtweg nicht erforderlich ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AN

anto0212

17.12.2022, 11:07:12

Bei der Frage, ob das informationelle Selbstbestimmungsrecht verletzt ist, müsste es doch eigentlich heißen ja, oder? Denn der Eingriff wurde ja bejaht, er ist aber gerechtfertigt. Oder habe ich das falsch verstanden?

BerndStromberg

BerndStromberg

21.12.2022, 15:26:45

Eine Verletzung wäre bei einem ungerechtfertigten Eingriff zu bejahen. Weil er hier jedoch gerechtfertigt ist, ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht verletzt.

NAE3

nae3

10.2.2023, 22:48:16

Hi, ich verstehe nicht so ganz, wieso wir den Anordnungsgrund bzgl der Versammlungsfreiheit bejaht haben. Ich hätte die Dringlichkeit so ausgelegt, dass eine Veranstaltung unmittelbar bevorstehen muss?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.2.2023, 12:18:28

Hallo nae3, für den Anordnungsgrund ist erforderlich, dass schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Der Anordnungsgrund ist also gegeben, wenn ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist. Unter Berücksichtigung der Verfahrenslänge von Verwaltungsverfahren würde das bedeuten, dass der Antragssteller über mehrere Jahre mit den Beeinträchtigungen leben müsste. Im Hinblick auf die Bedeutung der Versammlungsfreiheit ist das Abwarten unzumutbar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Jeon Jungkook

Jeon Jungkook

7.3.2023, 10:51:09

Warum ist hier nicht der öffentlich-rechtliche Unterlassungs- und

Abwehranspruch

einschlägig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.3.2023, 13:59:30

Hallo Jeon Jungkook, beim Anordnungsanspruch prüfst Du in der Tat, ob ein (gewohnheitsrechtlich anerkannter)

öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch

vorliegt. Dieser setzt voraus: (1)

hoheitliche Maßnahme

, (2)Beeinträchtigung rechtlich geschützter Güter, (3) drohende oder andauernde Beeinträchtigung und (4) Rechtswidrigkeit (=keine Duldungspflicht). Im Hinblick auf die Beeinträchtigung kommen dann die Grundrechte als geschützte Rechtsgüter ins Spiel. Hier haben wir zwar sowohl eine Beeinträchtigung der inforationellen Selbstbestimmung, als auch der Versammlungsfreiheit. Da die Beeinträchtigung der informationellen aber gerechtfertigt ist, erfolgt sie nicht rechtswidrig. Insoweit liegt nur im Hinblick auf die Versammlungsfreiheit eine rechtswidrige Beeinträchtigung vor, die einen Anordnungsanspruch begründet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Sambadi

Sambadi

16.4.2023, 01:19:22

Könnte man im Rahmen des

APR

noch darauf eingehen, dass der Eingriff nur oberflächlich ist, da es lediglich die Sozialsphäre betrifft? Wenn ich in einer Shopping-Mall oder anderen Privaten Einrichtungen befinde oder im Flughafen bin, sind da ja auch überall Kameras. Klar, hier wird der öffentliche Bahnhofsplatz gefilmt und nicht ein umschlossenes Gebiet, bei dem ich selbst entscheiden könnte, ob ich reingehe oder nicht, aber sind wir mal ehrlich - einkaufen muss ich früher oder später trotzdem und da ist es normal. Fände in so eine Konstellation eher die Frage spannend, wie lange die Behörde diese Aufnahmen speichern darf und ob sie die auch nach 72 Std oder wie viel das auch sind, wieder löschen muss.

DDoubleYou

DDoubleYou

7.8.2024, 01:26:02

Hello @[Sambadi](136933), nach § 15 II PolG NRW dürfen die gewonnenen Aufnahmen für höchstens 14 Tage gespeichert werden. Ob das nun zu lang oder angemessen ist, ist eine andere Frage :)

DDoubleYou

DDoubleYou

7.8.2024, 01:26:37

* § 15a II PolG NRW

SvzW

SvzW

17.8.2023, 19:54:51

Auch wenn man natürlich klausurtaktisch selten ein großes Problem bei der Geeignetheit macht, finde ich es tatsächlich problematisch ob die Maßnahmen überhaupt geeignet ist. Es gibt genug Studien usw. die zeigen, dass eine Videoüberwachung Straftaten nicht verhindern und damit eben nicht präventiv wirken. Finde es daher merkwürdig das unproblematisch anzunehmen. Das OVG hätte das mM zumindest kurz problematisieren können. Bzgl. der Aufklärung begangener Straftaten hängt es natürlich von der Qualität der Aufnahmen ab,

DOD

Dodo

17.9.2023, 02:50:53

Muss den zweck doch nur fördern. Denke das Argument passt eher zur Erforderlichkeit, allerdings wirkt da doch die Einschätzungsprägorative limitierend, Studien reichen da nicht aus denke ich

Hannah B.

Hannah B.

8.11.2023, 10:07:16

Am Anfang wird die formelle und

materielle Verfassungsmäßigkeit

der Norm geprüft. Bei dem Punkt Erforderlichkeit wird hier plötzlich auf die Einzelmaßnahme abgestellt („Bahnhofsvorplatz“). Müsste man nicht erst mal die

materielle Verfassungsmäßigkeit

der Norm komplett durchprüfen, bevor man zur Rechtmäßigkeit der Einzelmaßnahme springt?

Pilea

Pilea

20.11.2023, 19:54:12

Hier wurde in der Erforderlichkeit unter anderem darauf abgestellt, dass die Bewachung durch Polizeibeamte staatliche Ressourcen binden und den Landeshaushalt belasten würde. Ich dachte immer, damit darf der Staat nicht argumentieren, weil das eben zum Wesen der Finanzen gehört, dass der Staat sie irgendwie verteilen muss. Bringe ich da grad was durcheinander?

AN

An

24.11.2023, 09:54:02

Liebes Team, könntet ihr die POR norm ggf auch noch verlinken, das würde die Beantwortung der Frage insb. für Lernende aus anderen Bundesländern leichter machen. Dankeschön

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.11.2023, 12:21:04

Hallo An, danke dir für die Anregung! Wir bemühen uns redlich stets alle Normen zu verlinken, die in den Aufgaben vorkommen. Leider ist es gerade bei landesrechtlichen Normen so, dass die Websites so veraltet sind, dass die Verlinkung nicht gut funktioniert. Ich bitte um Nachsicht, wenn die Verlinkung mal nicht vorhanden oder fehlerhaft ist! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AN

An

25.11.2023, 11:57:42

Danke dir fürs Kümmern!

Charliefux

Charliefux

28.4.2024, 23:13:04

Die Normen sind leider immer noch nicht verlinkt 😬


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