Unzulässige Wahlbeeinflussung durch Amtsträger

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kurz vor den Landtagswahlen lässt Bürgermeisterin B Folgendes in der Tageszeitung veröffentlichen: „Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahl rufe ich Sie als Bürgermeisterin dazu auf, zur Wahl zu gehen und die erfolgreiche Politik der Dr. K zu unterstützen, indem Sie sie zur Landrätin wählen.“

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Einordnung des Falls

Unzulässige Wahlbeeinflussung durch Amtsträger

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bs Aufruf könnte gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl verstoßen.

Ja!

Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) müssen Wählende in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung ohne jede unzulässige Beeinflussung von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite zu seiner Wahlentscheidung finden können. Bs Empfehlung, eine bestimmte Kandidatin zur Landrätin zu wählen, könnte die Entscheidungsfreiheit der Wählenden in unzulässiger Weise beeinflussen.
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2. Es ist gerade die Aufgabe von Amtsinhabern, Wahlkampf für Wahlbewerber zu betreiben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Gebot der freien Wahl untersagt es staatlichen und gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen. Zwar können Amtsinhaber informative Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Zulässige amtliche Öffentlichkeitsarbeit endet aber dort, wo offene oder versteckte Wahlwerbung beginnt. Der Grundsatz der freien Wahl gebietet grundsätzlich eine Neutralitätspflicht der Amtsinhaber.

3. Bs Aufruf ist von ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Nein, das trifft nicht zu!

Bürgermeister und Bürgermeisterinnen dürfen nicht nur als Wähler an der Wahl teilnehmen, sondern sich auch im Wahlkampf als Privatperson von ihrer Meinungsfreiheit (Art, 5 Abs 1 S. 1 GG) Gebrauch machen. Wie andere Bürger dürfen sie sich z.B. mit Anzeigen oder Wahlaufrufen aktiv am Wahlkampf beteiligen. Allerdings werden Wahlempfehlungen zu Gunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers, die ein Bürgermeister in amtlicher Eigenschaft abgibt, nicht vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gedeckt. Ein Bürgermeister darf die ihm kraft seines Amtes gegebene Einflussmöglichkeiten nicht in einer Weise nutzen, die mit seiner Neutralitätspflicht unvereinbar ist. B tritt hier gerade nicht als Privatperson auf, sondern nutzt das Gewicht ihrer amtlichen Funktion als Bürgermeisterin aus. Die Empfehlung verstößt gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl. Fälle, in denen Amtsträger öffentliche Äußerungen zulasten anderer Parteien oder zugunsten bestimmter Kandidaten tätigen, sind sehr klausurträchtig. Ein Schwerpunkt dieser Fälle liegt immer in der Abgrenzung, ob die Äußerung in amtlicher Funktion oder in privater Funktion getätigt wurde. Hier sind saubere Sachverhaltsarbeit und gute Argumentation der Schlüssel zum Erfolg.
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