Verhältnis von Meinungs- und Kunstfreiheit

2. April 2025

7 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Künstler K verfasst ein Gedicht über die seiner Meinung nach fatale Schnelllebigkeit in der heutigen Gesellschaft. Dieses trägt er mit einem „Hauch von Nichts“ bekleidet auf dem Marktplatz der Stadt S vor. Die zuständige Behörde erteilt S einen Platzverweis. ‌

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Einordnung des Falls

Verhältnis von Meinungs- und Kunstfreiheit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hinsichtlich Ks Gedicht sind grundsätzlich die sachlichen Schutzbereiche der Meinungs- und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 GG) eröffnet.

Ja!

Die Meinungsfreiheit schützt die Äußerung und Verbreitung einer Meinung. Die Kunstfreiheit schützt die Schaffung („Werkbereich“) sowie Darbietung und Verbreitung von Kunst („Wirkbereich"). Durch seinen Gedichtsvortrag drückt K seine Meinung über die heutige Gesellschaft aus und zeigt gleichzeitig der Öffentlichkeit das von ihm geschaffene Kunstwerk. Beide Schutzbereiche sind betroffen.
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2. Sofern ein Verhalten in den Schutzbereich mehrerer Grundrechte fällt, sind diese stets nebeneinander anzuwenden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundrechtskonkurrenzen treten in zwei Facetten auf: (1) Fällt ein Freiheitsgebrauch in den Schutzbereich zweier Grundrechte, die in einem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen, so bemisst sich der Schutz allein nach dem spezielleren Grundrecht (lex specialis derogat legi generali) (z.B. ist Art. 8 Abs. 1 GG spezieller als Art. 2 Abs. 1 GG). (2) Fällt ein Freiheitsgebrauch in den Schutzbereich zweier Grundrechte, zwischen denen kein Spezialitätsverhältnis besteht (sog. Idealkonkurrenz), bemisst sich der Schutz nach beiden Grundrechten.

3. Die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit stehen hier gleichberechtigt nebeneinander.

Nein, das trifft nicht zu!

Ist eine bestimmte Handlung in einer anderen inbegriffen, dann geht jeweils der „überschießende Teil“ vor.Die Kunsftfreiheit schützt die Darbeitung und Verbreitung von Kunst und damit zugleich auch die Verbreitung einer darin enthaltenen Meinungskundgabe. Damit ist sie im Hinblick auf Ks Darbietung gegenüber der Meinungsfreiheit spezieller und verdrängt diese. Nicht jedes Kunstwerk enthält eine Meinung; nicht jede Meinungsäußerung stellt „Kunst“ dar. Die Schutzbereiche überschneiden sich also nicht immer.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

15.6.2024, 19:30:09

S.o.

LELEE

Leo Lee

17.6.2024, 14:16:42

Hallo Dogu, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat könne man die Definition auch um den von dir genannten Zusatz ergänzen. Achten allerdings darauf, dass sich die Definitionen unterscheiden können und wir uns für die „gängigste“ Definition entschieden haben. Die Tatsache, dass die

Kunstfreiheit

auch die

Meinungsfreiheit

erfasst, muss nicht zwingend wiederholt werden, da sich schon aus der systematischen Stellung ergibt, dass die

Kunstfreiheit

ein spez. Fall der

Meinungsfreiheit

ist. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von Jarass/Pieroth, Jarass Art. 5 GG Rn. 120 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Dogu

Dogu

17.6.2024, 14:27:53

@Leo Lee Missverständnis: Das ist ein Rechtschreibfehler in Eurer Aufgabe... ;)

Dogu

Dogu

19.7.2024, 08:55:51

Die Fehler sind leider immer noch im Text.

Iguanaiuris

Iguanaiuris

11.11.2024, 09:40:45

Wie würde man dies in einer Klausur einbetten? Könnte mir vorstellen, dass, wenn man nur die

Kunstfreiheit

prüft, angestrichen bekommt, dass die

Meinungsfreiheit

fehlt. Prüft man dann einfach die

Meinungsfreiheit

an und verneint in Hinblick auf die Spezialität dann den Schutzbereich?

LELEE

Leo Lee

16.11.2024, 07:28:35

Hallo Iguanaiuris, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Genauso ist es! Wenn mehrere spezielle (NICHT AHF) Grundrechte theoretisch einschlägig sind (hier ja, da

Kunstfreiheit

im Grunde ein Spezialfall der

Meinungsfreiheit

ist), aber ein Grundrecht zu

rücktritt

, dann würde ich dir der vollständigkeitshalber der Prüfung und Verneinung des SBs empfehlen (dies ist auch in den Lösungsskizzen i.d.R. so vorgesehen). Beachte i.Ü., dass dies NICHT gilt für Art. 2 I GG. Hier würde man ganz normal die spezielleren Grundrechte bejahen und dann in einem Satz Art. 2 I GG aufgrund Subsidiarität verneinen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

HAN

hannabuma

17.11.2024, 23:58:53

Werden dann auf der Rechtfertigungsebene iRd

Kunstfreiheit

trotzdem die Besonderheiten der Rechtfertigung iRd

Meinungsfreiheit

einbezogen, um diese Grundsätze nicht zu umgehen?


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