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Wahlen und Wahlrechtsgrundsätze

Bundestagswahl, wenn die Regelungen der Wahlrechtsreform aus 2023 vollständig gelten würden

Bundestagswahl, wenn die Regelungen der Wahlrechtsreform aus 2023 vollständig gelten würden

14. Juli 2025

16 Kommentare

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Wahlrechtsreform 2023

2023: Nach der Wahlrechtsreform simuliert Lehrerin L an ihrer Schule eine Wahl. Schülerin S gibt ihre erste Stimme der Kandidatin K der Partei P. Das zweite Kreuz setzt S bei der Partei P. K erreicht in ihrem Wahlkreis die meisten Stimmen. P erreicht 10 % aller zu berücksichtigenden Stimmen und gewinnt Direktmandate in 65 Wahlkreisen.

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Einordnung des Falls

Bundestagswahl, wenn die Regelungen der Wahlrechtsreform aus 2023 vollständig gelten würden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach dem neuen Wahlrecht kommt es vorrangig darauf an, wie viel Stimmen die Parteien im bundesweiten Verhältnis erhalten haben (vgl. z.B. § 1 Abs. 2 S. 1 BWahlG).

Ja, in der Tat!

In diesem Fall geht es um die Wahlrechtsreform aus dem Jahr 2023 ohne Berücksichtigung des Urteils vom BVerfG (Juli 2024). Hier sollst Du erst einmal verstehen, was sich durch die Wahlrechtsreform geändert hatte. Was von diesen Änderungen „übrig geblieben“ ist, schauen wir uns im Anschluss an! Die neue Gesamtzahl der 630 Sitze im Bundestag (§ 1 Abs. 1 S. 1 BWahlG) wird über die Zweitstimme nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zunächst auf die Parteien bundesweit verteilt (§ 4 Abs. 1 S. 1 BWahlG). Eine Partei bekommt also so viele Sitze im Bundestag, wie sie im Verhältnis zu den anderen Parteien Stimmen erhalten hat. Ins Verhältnis werden nur Parteien gesetzt, die nicht von der Berücksichtigung ausgeschlossen sind. Es werden insbesondere alle Parteien aussortiert, die keine 5% der gültigen Stimmen erhalten haben (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BWahlG). Denn diesen steht ja kein Platz im Parlament zu. Die Sitze, die einer Partei zustehen, werden dann nach den Landeslisten besetzt. Zunächst wird bestimmt, wie viele Plätze einer Partei im Verhältnis zu allen anderen zu berücksichtigen Parteien zustehen. Die Partei P hat bundesweit 10 % aller zu berücksichtigen Stimmen erhalten. P stehen nach dem Ergebnis der Verhältniswahl 63 der 630 Sitze im Bundestag zu.
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2. Ks Einzug in den Bundestag ist durch ihren Sieg im Wahlkreis garantiert.

Nein!

Mit der Wahlrechtsreform hat der Gesetzgeber die bisherigen Elemente einer Personenwahl abgeschafft. In § 1 Abs. 2 S. 1 BWahlG ist nur noch von der „Verhältniswahl“ die Rede. Anders gesagt: Es gibt keine garantierten Direktmandate mehr. Ein Wahlsieg in einem Wahlkreis begründet nur dann einen Sitzanspruch, wenn dieser von dem Ergebnis der Verhältniswahl gedeckelt ist (= „Zweitstimmendeckung“). Nicht jeder Wahlkreissieger zieht automatisch in den Bundestag ein. Ks Sieg in ihrem Wahlkreis garantiert ihr noch keinen Sitz im Bundestag. Es kommt vielmehr noch auf das bundesweite Ergebnis ihrer Partei – der P – an. Vor der Wahlrechtsreform im Jahr 2023 wurden mit der Erststimme die Direktkandidaten gewählt. Jeder, der in seinem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhielt, zog danach in den Bundestag ein. Das galt sogar für Abgeordnete, deren Partei weniger als 5% der Stimmen erhielt (sog. Grundmandatsklausel). Mit der Reform wurde auch die Grundmandatsklausel abgeschafft.

3. Im Bundestag gibt es 630 Plätze. Von den 65 Wahlkreissiegern der P bekommen nur 63 einen Sitz im Bundestag.

Genau, so ist das!

Durch die Wahlrechtsreform wurde die Sitzanzahl des Bundestags auf 630 Abgeordnete festgelegt. Überhang- und Ausgleichsmandate wurden abgeschafft. Das bedeutet: Haben mehr Kandidaten einen Sieg in ihrem Wahlkreis erlangt, als ihrer Partei Sitze nach dem bundesweiten Verhältnis zustehen, bleibt ein bestimmter Anteil an Wahlkreisgewinnern unberücksichtigt (§ 6 Abs. 1 S. 1 BWahlG). Die Erststimme hat damit an Bedeutung verloren und wirkt sich vor allem nur noch darauf aus, in welcher Reihenfolge die Wahlkreissieger die verfügbaren Plätze besetzen (§ 6 Abs. 1 S. 2-4 BWahlG). Eine Partei erhält nicht mehr Sitze, als ihr nach der Verhältniswahl zusteht.P stehen 10% der 630 Plätze zu (= 63 Plätze). 2 der 65 Wahlkreissieger ziehen daher nicht in den Bundestag ein. Das neue BWahlG steht u.a. angesichts dieser Konsequenzen unter heftiger Kritik. Das BVerfG hat die Neuerungen teilweise für verfassungswidrig erklärt. Dazu später mehr!
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