Öffentliches Recht

Verfassungsprozess-Recht

Verfassungsbeschwerde

Beschwerdefähigkeit juristischer Personen mit Sitz im EU-Ausland

Beschwerdefähigkeit juristischer Personen mit Sitz im EU-Ausland

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die in Frankreich ansässige B-SNC (OHG des französischen Rechts) stellt Maschinen in Bochum her. Die zuständige Umweltbehörde findet die Maschinen umweltverschmutzend und schließt kurzerhand den Betrieb der B-SNC in Bochum ein. Diese sieht sich in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt und erhebt Verfassungsbeschwerde.

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Einordnung des Falls

Beschwerdefähigkeit juristischer Personen mit Sitz im EU-Ausland

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Bestreiten erhebt die B-SNC Verfassungsbeschwerde. Damit diese zulässig ist, muss die B-SNC beschwerdefähig sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

Ja, in der Tat!

Fähig, eine Beschwerde zum BVerfG zu erheben (Beschwerdefähigkeit) ist jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt worden zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. Die Beschwerdefähigkeit entspricht damit der Grundrechtsfähigkeit.
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2. Können nur natürliche Personen Träger von Grundrechten sein?

Nein!

Auch inländische juristische Personen können Träger von Grundrechten sein, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG). Dafür muss es sich (1) um eine inländische juristische Person iSd Art. 19 Abs. 3 GG handeln und (2) das Grundrecht muss seinem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar sein.

3. Eine juristische Person ist grundsätzlich nur „inländisch“ iSd Art. 19 Abs. 3 GG, wenn sie ihren Hauptverwaltungssitz im Inland hat.

Genau, so ist das!

Die juristische Person ist „inländisch“, wenn sie ihren Sitz, d.h. den Ort der tatsächlichen Hauptverwaltung im Inland hat. Entscheidend ist somit das tatsächliche Aktionszentrum und nicht der formale satzungsmäßig bestimmte Sitz. Die B-SNC hat ihren Hauptverwaltungssitz in Frankreich und damit nicht im Inland. Danach wäre sie nach Art. 19 Abs. 3 GG nicht grundrechtsfähig. Auf die Staatsangehörigkeit der hinter der juristischen Person stehenden Personen kommt es beim Merkmal „inländisch“ dagegen nicht an.

4. Wenn die juristische Person ihren Sitz im EU-Ausland hat, ist Art. 19 Abs. 3 GG ist erweiternd dahingehend auszulegen, dass auch diese sich auf die Grundrechte berufen können.

Ja, in der Tat!

Nach seinem Wortlaut ist Art. 19 Abs. 3 GG nicht auf juristische Personen anwendbar, die ihren Sitz im EU-Ausland haben. Allerdings gebieten die unionsrechtlichen Diskrimminierungsverbote (Art. 26 Abs. 2, 18 AEUV) und der Anwendungsvorrang des Unionsrechts eine erweiternde Auslegung und eine Art. 19 Abs. 3 GG und somit auch eine Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf diese juristischen Personen. Auf juristische Personen, die ihren Sitz im Ausland und außerhalb der EU (nicht-EU-Ausland) haben, sind die Grundrechte dagegen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht anwendbar. Diese können sich aus – aus Gründen eines Verfahrensschutzes – aber auf die Justizgrundrechte berufen.

5. Ist die B-SNC beschwerdefähig im Rahmen der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, § 90 Abs. 1 BVerfGG)?

Ja!

Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. Auch inländische juristische Personen, d.h. solche mit ihrem Hauptverwaltungssitz im Inland oder EU-Ausland, sind grundrechtsfähig, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Grundrecht kollektiv ausgeübt werden kann, d.h. nicht an natürliche Eigenschaften des Menschen anknüpft. Die B-SNC hat ihren Hauptverwaltungssitz in Frankreich und damit im EU-Ausland. Sie fällt somit nach der unionsrechtlich gebotenen erweiternden Auslegung noch unter Art. 19 Abs. 3 GG: Zudem kann die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) kollektiv ausgeübt werden. Die B-SNC ist somit grundrechtsfähig nach Art. 19 Abs. 3 GG und damit beschwerdefähig.
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