Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Verwaltungsvollstreckung
Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid
Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid
2. Juli 2025
10 Kommentare
4,8 ★ (7.977 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
As Auto steht auf einem Parkplatz für Menschen mit Behinderung, ohne dass A die dafür notwendige Berechtigung besitzt. Polizistin P lässt das Auto daher durch ein Abschleppunternehmen auf einen anderen Parkplatz setzen. A erhält einen Kostenbescheid für die Maßnahme.
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Einordnung des Falls
Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Welche die richtige Rechtsgrundlage für den Erlass des Kostenbescheids ist, richtet sich danach, ob das Umsetzen eine Vollstreckungsmaßnahme ist oder nicht.
Ja, in der Tat!
2. Es ist umstritten, wie die Ersatzvornahme von der Sicherstellung abzugrenzen ist.
Ja!
3. A muss die Kosten der Ersatzvornahme auch dann tragen, wenn diese rechtswidrig war.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Weil P die Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug durchgeführt hat, kann A auch die Rechtswidrigkeit des fiktiven Grundverwaltungsakts gegen den Kostenbescheid einwenden.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
WayneEnterprise
1.8.2024, 14:02:30
Liebes Team, Im Text findet sich zwar keine nähere Angabe, wie das Schild in Bezug auf den Behindertenparkplatz ausgestaltet ist, doch wird dieses regelmäßig bereits selbst eine eigene Wegfahranordnung enthalten. So auch in dem Fall, der am Ende verlinkt ist: „Mit dem Abstellen des Reisebusses am Taxenstand hat der Kläger gegen das mit dem Zeichen 229 angeordnete absolute Haltverbot für nichtberechtigte Fahrzeuge und das sich daraus zugleich ergebende Wegfahrgebot verstoßen, das in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar ist“
Jasmin
20.8.2024, 10:32:50
Du kannst mMn nur auf das Schild abstellen, wenn die für das Schild zuständige
Behördeauch abgeschleppt hat. Hat aber die Polizei abgeschleppt (von der das Schild nicht stammt) dann liegt kein Grund-VA der Polizei vor und deshalb ist es der
Sofortvollzug.
benjaminmeister
26.10.2024, 14:51:40
Müsste es nicht eigentlich nicht die Abgrenzung von
Sicherstellungund
Generalklauselsein? Für die
Ersatzvornahmemuss ja erstmal ein Verwaltungsakt ergehen oder zumindest ein fiktiver Verwaltungsakt vorliegen. Beides bedarf einer Rechtsgrundlage, was entweder dann die
Generalklauseloder die Standardermächtigung
Sicherstellungist. Oder liege ich falsch?

Jakob G.
5.1.2025, 13:25:55
Hat mich zum Nachdenken gebracht :) Die Frage, was Rechtsgrundlage des Grund-VA ist, ist für den
Kostenbescheidaufgrund des vollstreckungsrechtlichen Trennungsgebots begrenzt relevant. Wichtiger ist, zu unterscheiden, ob es sich mit der
Sicherstellungum einen Grund-VA im sofortigen Vollzug (verkürztes Verfahren) handelt oder um eine Vollstreckungsmaßnahme im Vollzug zur Gefahrenabwehr handelt. Denn die Normen die zu prüfen sind, unterscheiden sich. Mit anderen Worten ist die Frage nicht, ob das polizeiliche Verhalten von der Standardbefugnis gedeckt ist oder ob daneben ausnahmsweise deren Sperrwirkung gegenüber der
Generalklauselnicht greift.

Major Tom(as)
8.11.2024, 09:53:03
Liebes Jurafuchs-Team, Ihr schreibt, § 19 I 1 VwVG setze "tatbestandlich" die Rechtmäßigkeit der Maßnahme voraus. Vielleicht wäre es hilfreich, hier im Vertiefungshinweis § 346 I AbgO anzuführen, schließlich verweist § 19 I 1 VwVG auf diesen und dort kann man tatsächlich herauslesen, dass eine Rechtmäßigkeit verlangt wird. Ich denke, das würde einigen helfen. Danke!

Jakob G.
5.1.2025, 13:04:53
Moin Major Tom(as), nach meiner Auffassung ist die "richtige Behandlung der Sache" nicht deckungsgleich ist mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahm. Sie ist vielmehr eine Auffangvorschrift für evident materiell oder formell
rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen. Das ergibt sich schon daraus, dass die für Jurist*innen ungebräuchliche Wortwahl "richtig" anstatt schlicht "rechtmäßig" gewählt wurde. Als Beispiele werden genannt - Vollstreckung zur Nachtzeit ohne Anordnung (§ 289 AO) - Vollstreckung ohne richterlichen Beschluss (etwa im Falle von § 16 VwVG, Ersatz
zwangshaft) - grobe Verstöße gegen Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO Koenig/Zöllner, 5. Aufl. 2024, AO § 346 Rn. 3, 4 Jakob PS. schöner Handle und Wahlspruch^^

Major Tom(as)
6.1.2025, 11:16:16
Hey Jakob, Danke dir für die Anmerkung :) Du hast natürlich Recht, dass die Wortwahl "richtig" nicht deckungsgleich mit "rechtmäßig" ist. Det Grund für meine Lesart: In Bayern gibt es Art. 16 V KG, der bzgl der Kosten quasi wortgleich §346 I AbgO abbildet. Diesen versteht man allg als Argument für die nötige Rechtmäßigkeit des Grund-VA. Aber vielleicht sind wir hier einer typisch bayrischen Besonderheit auf die Schliche gekommen - es braucht ja für so ein wichtiges Bundesland dringend immer mal wieder eine Abweichung ;) ( in diesem Fall aber mE sogar sinnvoll). Auf jeden Fall interessant! Weißt du, wie das in deinem Bundesland ist? LG, Anna PS: Dankeschön :)

yusdix
9.4.2025, 20:51:00
Würde man als fiktiven Grund-VA dann die
Sicherstellungoder die polizeiliche
Generalklauselprüfen? Es wird in den Hinweisen erwähnt, dass der fiktive Grund-VA rechtmäßig sein muss, jedoch erschließt sich nicht daraus, welcher einschlägig ist.
Timurso
10.4.2025, 12:40:07
Vorliegend wäre es keine
Sicherstellung, da kein dauerhafter Gewahrsam der Polizei an dem Auto begründet werden soll. Daher
Generalklausel.
okalinkk
3.6.2025, 23:55:27
ich dache, die
Sicherstellungbenötige nach hM eine Vollstreckung nach 6 ff VwVG, da sie gerade keine Ausführungsbefugnis enthält. Dann würde es sich doch aber bei der
Sicherstellungebenfalls um eine
Ersatzvornahme/ Vollstreckungsmassnahme handeln, sodass 19 VwVG einschlägig wäre?