Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Verwaltungsvollstreckung

Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid

Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

As Auto steht auf einem Parkplatz für Menschen mit Behinderung, ohne dass A die dafür notwendige Berechtigung besitzt. Polizistin P lässt das Auto daher durch ein Abschleppunternehmen auf einen anderen Parkplatz setzen. A erhält einen Kostenbescheid für die Maßnahme.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Welche die richtige Rechtsgrundlage für den Erlass des Kostenbescheids ist, richtet sich danach, ob das Umsetzen eine Vollstreckungsmaßnahme ist oder nicht.

Ja, in der Tat!

Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung müssen oft von den polizeirechtlichen Standardmaßnahmen abgegrenzt werden. Denn die Standardmaßnahmen enthalten häufig bereits die Ermächtigung, tatsächlich tätig zu werden (= Ausführungsbefugnis. Hier könnte das Umsetzen zum einen eine Sicherstellung (vgl. z.B. § 26 NPOG, § 43 PolG NRW, § 40 HSOG) oder aber eine Ersatzvornahme (vgl. z.B. § 10 VwVG auf Bundesebene oder landesrechtliche Vorschriften wie § 66 NPOG, § 74 HessVwVG) sein. In der weiteren Aufgabe verwenden wir die bundesrechtlichen Vorschriften der Vollstreckung. In der Klausur musst Du darauf achten, welches Recht Anwendung findet. Dies ergibt sich meistens aus dem Bearbeitervermerk.
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2. Es ist umstritten, wie die Ersatzvornahme von der Sicherstellung abzugrenzen ist.

Ja!

Nach einer Ansicht reicht die bloße (vorübergehende) Inbesitznahme des Gegenstandes, um von einer Sicherstellung auszugehen. Nach der Gegenansicht richtet sich die Abgrenzung der Sicherstellung von der Ersatzvornahme danach, ob es der Behörde darauf ankommt, den Gegenstand in Verwahrung zu nehmen. Dies ist z.B. in der Regel dann der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einen Platz des Abschleppunternehmens verbracht wird. Bei einer reinen Umsetzung liegt demnach nur eine Ersatzvornahme vor. Für die zweite Ansicht spricht insbesondere, dass wenn der Fahrer anwesend wäre, ihm aufgegeben werden könnte, sein Fahrzeug umzustellen. Nach der zweiten, vorzugswürdigen Ansicht, war das Umstellen eine Ersatzvornahme.

3. A muss die Kosten der Ersatzvornahme auch dann tragen, wenn diese rechtswidrig war.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Kostentragungspflicht (= Sekundärebene) der Ersatzvornahme beruht auf § 19 Abs. 1 VwVG. Tatbestandlich setzt diese Ermächtigungsgrundlage voraus, dass die Vollstrackungsmaßnahme auf der Primärebene (= „Amtshandlung”) rechtmäßig war. A müsste die Kosten nicht tragen, wenn das Umsetzen des Autos rechtswidrig war. An dieser Stelle prüfst Du in der Klausur inzident die Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung nach §§ 6 ff. VwVG.

4. Weil P die Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug durchgeführt hat, kann A auch die Rechtswidrigkeit des fiktiven Grundverwaltungsakt gegen den Kostenbescheid einwenden.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich hat die Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts keine Auswirkungen auf den Kostenbescheid. Eine Ausnahme besteht für den sofortigen Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) der Maßnahme. Denn ein Rechtsmittel gegen die sofortige vollzogene Maßnahme, kann diese nicht mehr verhindern. Anders ist es im gestreckten Verfahren (§ 6 Abs. 1 VwVG), in dem zunächst ein Verwaltungsakt ergeht, gegen den der Adressat Rechtsmittel einlegen kann. Hier handelt es sich um eine Maßnahme im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG, da P keinen Grundverwaltungsakt erlassen hat. Ist der fiktive Verwaltungsakt, den P im gestreckten Verfahren hätte erlassen müssen, rechtswidrig, ist auch der Kostenbescheid nach § 19 Abs. 1 VwVG rechtswidrig. Hier prüfst Du inzident die Rechtmäßigkeit des fiktiven Verwaltungsakt. Der fiktive Verwaltungsakt beruht in diesem Fall auf der polizeirechtlichen Generalklausel.
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