Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Verwaltungsvollstreckung

Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid

Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid

6. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

As Auto steht auf einem Parkplatz für Menschen mit Behinderung, ohne dass A die dafür notwendige Berechtigung besitzt. Polizistin P lässt das Auto daher durch ein Abschleppunternehmen auf einen anderen Parkplatz setzen. A erhält einen Kostenbescheid für die Maßnahme.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 1: Rechtswidriger sofortiger Vollzug und Kostenbescheid

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Welche die richtige Rechtsgrundlage für den Erlass des Kostenbescheids ist, richtet sich danach, ob das Umsetzen eine Vollstreckungsmaßnahme ist oder nicht.

Ja, in der Tat!

Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung müssen oft von den polizeirechtlichen Standardmaßnahmen abgegrenzt werden. Denn die Standardmaßnahmen enthalten häufig bereits die Ermächtigung, tatsächlich tätig zu werden (= Ausführungsbefugnis. Hier könnte das Umsetzen zum einen eine Sicherstellung (vgl. z.B. § 26 NPOG, § 43 PolG NRW, § 40 HSOG) oder aber eine Ersatzvornahme (vgl. z.B. § 10 VwVG auf Bundesebene oder landesrechtliche Vorschriften wie § 66 NPOG, § 74 HessVwVG) sein. In der weiteren Aufgabe verwenden wir die bundesrechtlichen Vorschriften der Vollstreckung. In der Klausur musst Du darauf achten, welches Recht Anwendung findet. Dies ergibt sich meistens aus dem Bearbeitervermerk.
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2. Es ist umstritten, wie die Ersatzvornahme von der Sicherstellung abzugrenzen ist.

Ja!

Nach einer Ansicht reicht die bloße (vorübergehende) Inbesitznahme des Gegenstandes, um von einer Sicherstellung auszugehen. Nach der Gegenansicht richtet sich die Abgrenzung der Sicherstellung von der Ersatzvornahme danach, ob es der Behörde darauf ankommt, den Gegenstand in Verwahrung zu nehmen. Dies ist z.B. in der Regel dann der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einen Platz des Abschleppunternehmens verbracht wird. Bei einer reinen Umsetzung liegt demnach nur eine Ersatzvornahme vor. Für die zweite Ansicht spricht insbesondere, dass wenn der Fahrer anwesend wäre, ihm aufgegeben werden könnte, sein Fahrzeug umzustellen. Nach der zweiten, vorzugswürdigen Ansicht, war das Umstellen eine Ersatzvornahme.

3. A muss die Kosten der Ersatzvornahme auch dann tragen, wenn diese rechtswidrig war.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Kostentragungspflicht (= Sekundärebene) der Ersatzvornahme beruht auf § 19 Abs. 1 VwVG. Tatbestandlich setzt diese Ermächtigungsgrundlage voraus, dass die Vollstrackungsmaßnahme auf der Primärebene (= „Amtshandlung”) rechtmäßig war. A müsste die Kosten nicht tragen, wenn das Umsetzen des Autos rechtswidrig war. An dieser Stelle prüfst Du in der Klausur inzident die Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung nach §§ 6 ff. VwVG.

4. Weil P die Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug durchgeführt hat, kann A auch die Rechtswidrigkeit des fiktiven Grundverwaltungsakt gegen den Kostenbescheid einwenden.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich hat die Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts keine Auswirkungen auf den Kostenbescheid. Eine Ausnahme besteht für den sofortigen Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) der Maßnahme. Denn ein Rechtsmittel gegen die sofortige vollzogene Maßnahme, kann diese nicht mehr verhindern. Anders ist es im gestreckten Verfahren (§ 6 Abs. 1 VwVG), in dem zunächst ein Verwaltungsakt ergeht, gegen den der Adressat Rechtsmittel einlegen kann. Hier handelt es sich um eine Maßnahme im Sinne von § 6 Abs. 2 VwVG, da P keinen Grundverwaltungsakt erlassen hat. Ist der fiktive Verwaltungsakt, den P im gestreckten Verfahren hätte erlassen müssen, rechtswidrig, ist auch der Kostenbescheid nach § 19 Abs. 1 VwVG rechtswidrig. Hier prüfst Du inzident die Rechtmäßigkeit des fiktiven Verwaltungsakt. Der fiktive Verwaltungsakt beruht in diesem Fall auf der polizeirechtlichen Generalklausel.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

WAY

WayneEnterprise

1.8.2024, 14:02:30

Liebes Team, Im Text findet sich zwar keine nähere Angabe, wie das Schild in Bezug auf den Behindertenparkplatz ausgestaltet ist, doch wird dieses regelmäßig bereits selbst eine eigene Wegfahranordnung enthalten. So auch in dem Fall, der am Ende verlinkt ist: „Mit dem Abstellen des Reisebusses am Taxenstand hat der Kläger gegen das mit dem Zeichen 229 angeordnete absolute Haltverbot für nichtberechtigte Fahrzeuge und das sich daraus zugleich ergebende Wegfahrgebot verstoßen, das in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar ist“

JAS

Jasmin

20.8.2024, 10:32:50

Du kannst mMn nur auf das Schild abstellen, wenn die für das Schild zuständige

Behörde

auch abgeschleppt hat. Hat aber die Polizei abgeschleppt (von der das Schild nicht stammt) dann liegt kein Grund-VA der Polizei vor und deshalb ist es der

Sofortvollzug

.

BEN

benjaminmeister

26.10.2024, 14:51:40

Müsste es nicht eigentlich nicht die Abgrenzung von Sicherstellung und Generalklausel sein? Für die Ersatzvornahme muss ja erstmal ein Verwaltungsakt ergehen oder zumindest ein fiktiver Verwaltungsakt vorliegen. Beides bedarf einer Rechtsgrundlage, was entweder dann die Generalklausel oder die Standardermächtigung Sicherstellung ist. Oder liege ich falsch?


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