Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Der Handelskauf (§§ 373ff. HGB)

Verdeckter Mangel und Zeitpunkt der Rüge (§ 377 Abs. 3 BGB)

Verdeckter Mangel und Zeitpunkt der Rüge (§ 377 Abs. 3 BGB)

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die K-GmbH kauft von der V-GmbH für ihr Büro 50 Steh-Tische. Diese werden von V geliefert und aufgebaut. Zwei Monate nach Ingebrauchnahme lassen sich die Tische aber nicht mehr in eine Sitzposition fahren. K stellt fest, dass minderwertige Achsen verbaut wurden. Dies teilt K sofort V mit.

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Einordnung des Falls

Verdeckter Mangel und Zeitpunkt der Rüge (§ 377 Abs. 3 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Liegt ein Mangel i.S.d. § 434 BGB vor?

Genau, so ist das!

Das HGB enthält keinen selbstständigen Mangelbegriff, sodass es beim allgemeinen kaufrechtlichen Mangelbegriff des BGB (vgl. § 434 BGB) bleibt. Danach ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven, den objektiven und den Montageanforderungen entspricht (§ 434 Abs. 1 BGB).Die minderwertigen Achsen verstoßen gegen die übliche Beschaffenheit und damit entsprechen sie nicht den objektiven Anforderungen (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit) a BGB). Dieser Mangel lag auch schon bei Gefahrenübergang vor.
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2. Die Gewährleistungsansprüche der K-GmbH sind ausgeschlossen, wenn die K-GmbH gegen eine bestehende Rügeobliegenheit verstoßen hat (§ 377 Abs. 2 HGB).

Ja, in der Tat!

Der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit führt dazu, dass die Ware als genehmigt gilt und damit Gewährleistungsrechte entfallen (§ 377 Abs. 2 HGB). Dies setzt voraus: (1) Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (§ 343 Abs. 1 HGB), (2) Ablieferung der Ware, (3) Mangelhaftigkeit der Ware (§ 434 f. BGB), (4) Unterlassung der gebotenen Rüge (§ 377 Abs. 1, Abs. 3 HGB), (5) kein Ausschluss der Rügeobliegenheit (§ 377 Abs. 5 HGB)

3. Liegt ein Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (vgl. § 343 Abs. 1 HGB) vor?

Ja!

Der Handelskauf ist ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB in Form eines Kaufvertrags (§ 433 BGB) über eine Ware, also eine bewegliche Sache. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB). Bei einem beidseitigen Handelsgeschäft sind beide Vertragsparteien Kaufleute. V und K sind beide Kaufleute. Sie haben einen Kaufvertrag über 50 Steh-Tische, also über bewegliche Sachen geschlossen. Diese gehören auch zu Vs und Ks Handelsgewerbe. Es liegt ein Handelskauf im Sinne eines beidseitiges Handelsgeschäft vor.

4. Die Ware wurde abgeliefert.

Genau, so ist das!

Für die Ablieferung muss der Käufer in eine tatsächliche räumliche Beziehung zu der Ware kommen. Nur so kann er auch die Beschaffenheit der Kaufsache prüfen. Laut Sachverhalt wurden die Steh-Tische geliefert und sogar aufgebaut. Sie wurden „abgeliefert“ i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB.

5. Um Gewährleistungs- und Nichterfüllungsansprüche geltend machen zu können, müsste K den Mangel ordnungsgemäß gerügt haben i.S.d. § 377 HGB.

Ja, in der Tat!

Eine ordnungsgemäße Rüge setzt (1) die Anzeige des Mangels und (2) die Rechtzeitigkeit der Anzeige voraus. Indem K der V den Mangel mitgeteilt hat, hat sie ihn „angezeigt“ i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB. Problematisch ist, ob dies auch rechtzeitig geschehen ist. Die Rüge selbst ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Regeln über Willenserklärungen zum großen Teil analog anwendbar sind.

6. Unabhängig von dem Mangel ist eine Rüge nach zwei Monaten nicht „unverzüglich“ (§§ 377 Abs. 1 i.V.m. 121 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nein!

Die Rüge muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), erfolgen. Die Unverzüglichkeit richtet sich dabei nach der Art des Mangels: Offene Mängel sind regelmäßig innerhalb von ein bis zwei Tagen bis zu einer Woche zu rügen, versteckte Mängel dagegen erst nach Erkennbarkeit des Mangels (§ 377 Abs. 3 HGB). Offene Mängel sind solche, die bei einer Untersuchung, die den Anforderungen des § 377 Abs. 1 HGB entspricht, sofort zutage treten. Verdeckte Mängel sind solche, die im Rahmen einer zumutbaren Untersuchung nach § 377 Abs. 1 HGB nicht festgestellt werden können.

7. Kann von K im Rahmen einer Untersuchung der Ware erwartet werden, dass sie einen Tisch aufschraubt und die Wertigkeit der einzelnen Bauteile untersucht?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zu einer unverzüglichen Rüge gehört auch eine unverzügliche Untersuchung der Ware. Allerdings kann von einem Käufer nur eine unverzügliche Inbetriebnahme und ein Test der Grundfunktionen erwartet werden. Eine genaue Untersuchung jedes einzelnen verbauten Teils einer Kaufsache ist nicht erforderlich und auch nicht zumutbar. Es war K nicht zumutbar die aufgebauten Tische auseinanderzuschrauben, um jedes Teil zu untersuchen. Durch die Inbetriebnahme hat sie ihrer Untersuchungspflicht genüge getan. Es hat sich erst nach zwei Monaten ein Fehler gezeigt, sodass ein versteckter Mangel vorlag (vgl. § 377 Abs. 3 HGB). Diesen hat K dann unverzüglich bei V. Es liegt also eine rechtzeitige Rüge vor.
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