+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bundesland B erlässt ein neues Gesetz. Dieses verbietet das Autofahren mit Niqab, also einem gesichtsverhüllenden Schleier, der lediglich die Augen frei lässt. Muslimin A ist empört, sie fühlt sich auch mit Niqab ausgesprochen sicher im Straßenverkehr.
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Einordnung des Falls
Niqab/Burka im Straßenverkehr
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Dass A auch im Straßenverkehr ihren Niqab trägt, fällt in den Schutzbereich ihrer Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
Ja, in der Tat!
Die Bekenntnisfreiheit als Teil des forum externum der Glaubensfreiheit umfasst die Freiheit des Einzelnen, seinen Glauben im Wege religiös geprägter Meinungsäußerung nach außen kundzutun. Ein solches Bekenntnis kann sowohl in Wort, Schrift als auch symbolisch, zum Beispiel durch das Beachten religiöser Kleidungsvorschriften, erfolgen. Dies gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum. Der eigene Glaube kann durch das Befolgen religiöser Kleidungsvorschriften sowohl privat als auch in der Öffentlichkeit nach außen kundgetan werden. Dieses Bekenntnis, hier das Tragen eines Niqabs durch A im Straßenverkehr, fällt in den Schutzbereich ihrer Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
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2. Das erlassene Verbot stellt einen klassischen Eingriff in den Schutzbereich von As Glaubensfreiheit dar.
Ja!
Nach dem klassischen Eingriffsbegriff muss das staatliche Handeln, das zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt, final, unmittelbar und durch Rechtsakt geschehen sowie mit Zwang durchsetzbar sein. Der Erlass des Niqab-Verbots im Straßenverkehr durch den parlamentarischen Gesetzgeber erfüllt als staatlich-hoheitliches Handeln der Legislative, das final und unmittelbar und im Zweifel mit Zwang durchsetzbar ist, den klassischen Eingriffsbegriff und greift damit in die Glaubensfreiheit von A ein.
3. Im Rahmen der Rechtfertigung ist As Glaubensfreiheit mit anderen widerstreitenden Verfassungsgütern in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen.
Genau, so ist das!
Die Glaubensfreiheit ist durch konkurrierendes Verfassungsrecht, also Grundrechte Dritter und Gemeinschaftsgüter von Verfassungsrang, einschränkbar. Im Rahmen der Abwägung gilt es, diese widerstreitenden Schutzgüter mit der Glaubensfreiheit in einen möglichst schonenden und gerechten Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz), sodass die widerstreitenden Güter jeweils größtmögliche Wirkung entfalten.
4. Ist das Niqab-Verbot im Straßenverkehr verfassungsrechtlich gerechtfertigt?
Ja, in der Tat!
Neben der Glaubensfreiheit auf der einen Seite streitet die Verkehrssicherheit als Ausprägung des Schutzes von Leben, Körper und Gesundheit aller Verkehrsteilnehmer als widerstreitendes Verfassungsgut auf der anderen Seite. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind diese widerstreitenden Interessen in einen schonenden und gerechten Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz). Im Rahmen der Abwägung ist einerseits anzubringen, dass das Niqab-Verbot im Straßenverkehr stark zeitlich und räumlich beschränkt gilt und daher eine eher geringe, leichter zu rechtfertigende Einschränkung der Glaubensfreiheit darstellt. Dem gegenüber steht ein erhöhtes Gefährdungspotenzial anderer Verkehrsteilnehmer und deren essentiellem Recht auf Leben, Körper und Gesundheit, verfügt eine Verkehrsteilnehmerin mit Niqab je nach Bewegung des Kopfes über ein eher eingeschränktes Blickfeld. Das Niqab-Verbot ist somit verhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Wie immer im Rahmen der Rechtfertigung kannst Du gerne so viele Abwägungsaspekte wie möglich in Deine Argumentation einfließen lassen. Die Rechtfertigung bildet immer den Kern Deiner Klausurlösung, hier holst Du die wichtigen Punkte!