Niqab/Burka im Straßenverkehr

24. Januar 2025

2 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bundesland B erlässt ein neues Gesetz. Dieses verbietet das Autofahren mit Niqab, also einem gesichtsverhüllenden Schleier, der lediglich die Augen frei lässt. Muslimin A ist empört, sie fühlt sich auch mit Niqab ausgesprochen sicher im Straßenverkehr.

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Einordnung des Falls

Niqab/Burka im Straßenverkehr

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Dass A auch im Straßenverkehr ihren Niqab trägt, fällt in den Schutzbereich ihrer Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

Ja, in der Tat!

Die Bekenntnisfreiheit als Teil des forum externum der Glaubensfreiheit umfasst die Freiheit des Einzelnen, seinen Glauben im Wege religiös geprägter Meinungsäußerung nach außen kundzutun. Ein solches Bekenntnis kann sowohl in Wort, Schrift als auch symbolisch, zum Beispiel durch das Beachten religiöser Kleidungsvorschriften, erfolgen. Dies gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum. Der eigene Glaube kann durch das Befolgen religiöser Kleidungsvorschriften sowohl privat als auch in der Öffentlichkeit nach außen kundgetan werden. Dieses Bekenntnis, hier das Tragen eines Niqabs durch A im Straßenverkehr, fällt in den Schutzbereich ihrer Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
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2. Das erlassene Verbot stellt einen klassischen Eingriff in den Schutzbereich von As Glaubensfreiheit dar.

Ja!

Nach dem klassischen Eingriffsbegriff muss das staatliche Handeln, das zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt, final, unmittelbar und durch Rechtsakt geschehen sowie mit Zwang durchsetzbar sein. Der Erlass des Niqab-Verbots im Straßenverkehr durch den parlamentarischen Gesetzgeber erfüllt als staatlich-hoheitliches Handeln der Legislative, das final und unmittelbar und im Zweifel mit Zwang durchsetzbar ist, den klassischen Eingriffsbegriff und greift damit in die Glaubensfreiheit von A ein.

3. Im Rahmen der Rechtfertigung ist As Glaubensfreiheit mit anderen widerstreitenden Verfassungsgütern in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen.

Genau, so ist das!

Die Glaubensfreiheit ist durch konkurrierendes Verfassungsrecht, also Grundrechte Dritter und Gemeinschaftsgüter von Verfassungsrang, einschränkbar. Im Rahmen der Abwägung gilt es, diese widerstreitenden Schutzgüter mit der Glaubensfreiheit in einen möglichst schonenden und gerechten Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz), sodass die widerstreitenden Güter jeweils größtmögliche Wirkung entfalten.

4. Ist das Niqab-Verbot im Straßenverkehr verfassungsrechtlich gerechtfertigt?

Ja, in der Tat!

Neben der Glaubensfreiheit auf der einen Seite streitet die Verkehrssicherheit als Ausprägung des Schutzes von Leben, Körper und Gesundheit aller Verkehrsteilnehmer als widerstreitendes Verfassungsgut auf der anderen Seite. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind diese widerstreitenden Interessen in einen schonenden und gerechten Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz). Im Rahmen der Abwägung ist einerseits anzubringen, dass das Niqab-Verbot im Straßenverkehr stark zeitlich und räumlich beschränkt gilt und daher eine eher geringe, leichter zu rechtfertigende Einschränkung der Glaubensfreiheit darstellt. Dem gegenüber steht ein erhöhtes Gefährdungspotenzial anderer Verkehrsteilnehmer und deren essentiellem Recht auf Leben, Körper und Gesundheit, verfügt eine Verkehrsteilnehmerin mit Niqab je nach Bewegung des Kopfes über ein eher eingeschränktes Blickfeld. Das Niqab-Verbot ist somit verhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Wie immer im Rahmen der Rechtfertigung kannst Du gerne so viele Abwägungsaspekte wie möglich in Deine Argumentation einfließen lassen. Die Rechtfertigung bildet immer den Kern Deiner Klausurlösung, hier holst Du die wichtigen Punkte!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HANDE

HanDerenoglu

6.12.2024, 16:14:35

Ich verstehe nicht wie das Tragen eines Niqabs die Rechtsgüter anderer gefährden soll? Die Augen sind doch frei - peripherer Blick sollte aufh möglich sein, was genau ist daran als Gefahr zu sehen?

LELEE

Leo Lee

8.12.2024, 08:07:39

Hallo HanDerenoglu, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Diese Fall ist an diverse Entscheidungen von verschiedenen Gerichten (OVG NRW 8 A 3194/21, OVG Rheinland-Pfalz 7 A 10660/23, OLG Düsseldorf IV-2 RBs 73/22, OVG NRW 8 B 1967/20) angelehnt. Und in den entsprechenden Entscheidungen wurde festgestellt, dass das Tragen des Niqabs die Sicht sowie die nonverbale Kommunikation mit anderen Fahrern - beide Aspekte sind sehr wichtig für die Sicherheit des Straßenverkehrs - erheblich beeinträchtigen. Wie im Fall erwähnt, kann bei entsprechender Argumentation auch eine andere Bewertung vertretbar sein. Allerdings ist unser Ausgangspunkt die Entscheidung der jeweiligen Gerichte, insofern bitten wir dich um Nachsicht :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

luisahrn

luisahrn

21.1.2025, 00:22:27

Die nonverbale Kommunikation wurde ausdrücklich ausgenommen soweit ich es aus einer anderen Fallaufbereitung entnommen habe. Nonverbale Kommunikation muss es im Straßenverkehr nicht geben. Auch kann, auch ohne Niqab nicht gewährleistet werden, dass ich den Autofahrer im anderen Auto so scharf erkennen kann, dass ich seine Mimik (außer Augen, Gestik ist der Trägerin ja ebenfalls möglich) erkennen können muss. Vielmehr wurde auf Sichtfeldeinschränkungen und Erkennbarkeit im Falle eines verkehrsverstoßes verwiesen


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