Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeine Grundrechtslehren

Grundfall: Schutzpflichtendimension der Grundrechte 1 (bipolares Verhältnis)

Grundfall: Schutzpflichtendimension der Grundrechte 1 (bipolares Verhältnis)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Umweltaktivistin K wird auf Veranstaltungen über Monate vom rechtsradikalen gewaltbereiten R beschimpft, bedroht und tätlich angegangen. Im Internet kündigt R an, K „hängen“ zu wollen. R taucht regelmäßig vor Ks Wohnhaus auf. K bittet die Polizei um Schutz.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Schutzpflichtendimension der Grundrechte 1 (bipolares Verhältnis)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundrechte beinhalten eine Schutzfunktion.

Genau, so ist das!

Neben der negativen Abwehrfunktion und den positiven Funktionen auf Leistung, Teilhabe, Mitwirkung und Gleichberechtigung beinhalten die Grundrechte auch eine grundrechtliche Schutzfunktion. Grundrechte vermitteln den Grundrechtsträgern primär Schutz gegenüber dem Staat. Allerdings können Gefährdungen für grundrechtliche Gewährleistungen auch von Dritten ausgehen. Teilweise normiert bereits der Verfassungstext eine ausdrückliche Schutzpflicht (z.B. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zum Schutz der Menschenwürde). Das BVerfG anerkennt jedoch für alle Grundrechte eine staatliche Pflicht zum Schutz der grundrechtlichen Gewährleistungen vor Gefahren durch Dritte (sog. staatliche oder grundrechtliche Schutzpflicht).Schutzpflichten sollen den Bürger vor rechtswidrigen Gefährdungen oder Beeinträchtigungen grundrechtlicher Gewährleistungen durch Dritte bewahren. Denn hier hilft die negative Abwehrfunktion, die der Bürger gegenüber dem Staat hat, nicht weiter. Der Staat ist nämlich nicht an der Beeinträchtigung beteiligt. Die Schutzfunktion wird notwendig, um die Rechtsgüter des Bürgers vor Dritten – anderen Bürgern, Unternehmen, ausländischen Staaten – zu schützen.
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2. K kann sich im Hinblick auf die anhaltenden Gefährdungen für ihre körperliche Unversehrtheit durch R auf die Schutzpflicht berufen.

Ja, in der Tat!

Schutzpflichten schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen grundrechtlicher Gewährleistungen durch Dritte sowie vor massenwirksamen Schicksalsschlägen, wie etwa Naturkatastrophen. Wie genau der Staat die Bürgerin davor schützt, ist nicht durch das Grundgesetz vorgegeben. In der Rechtspraxis greifen Schutzpflichten primär dann ein, wenn es darum geht, Personen oder Unternehmen in die Schranken zu weisen, die durch ihr Verhalten andere gefährden.Indem R die K tätlich angeht und bedroht, gefährdet R die Gesundheit und das Leben der K und gefährdet damit die grundrechtlichen Gewährleistungen des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Angesichts der langen Dauer der Gefährdungen und der Verdichtung der Gefährdungslage durch die Ankündigung im Internet und das Auftauchen vor Ks Wohnhaus steigt auch die Intensität der Beeinträchtigung. Zum Schutz der grundrechtlichen Gewährleistungen vor R kann K sich gegenüber dem Staat auf ihre staatliche Schutzpflicht berufen. Vorsicht bei der Formulierung: Bei grundrechtlichen Schutzpflichten geht es um ein Dreiecksverhältnis, in dem der Staat einen Grundrechtsträger schützt vor Handlungen eines nicht-staatlichen Dritten. Dieser Dritte ist aber nicht an die Grundrechte gebunden – diese binden primär nur den Staat (Art. 1 Abs. 3 GG). Deshalb solltest Du nicht schreiben, dass der Dritte in die Grundrechte eines Grundrechtsträgers eingreift. Eine saubere Formulierung wäre z.B.: „Der Dritte gefährdet oder beeinträchtigt die grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundrechtsträgers. Der Staat ist zum Schutz dieser Gewährleistungen verpflichtet.“ Wie der Staat seinen grundrechtlichen Schutzpflichten nachkommt, ist nicht einfach zu bemessen. Hier gelten deutlich weniger strenge Maßstäbe als bei den Abwehrrechten (sog. Untermaßverbot, dazu mehr später). Je größer die Gefährdung, desto stärker die Schutzpflicht. Im vorliegenden Fall kann der Staat seiner Schutzpflicht etwa nachkommen, indem er K Polizeischutz einräumt, gegen R Strafverfahren einleitet und R den Aufenthalt vor Ks Wohnhaus untersagt.
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