Öffentliches Recht
Grundrechte
Allgemeine Grundrechtslehren
Grundfall zur mittelbaren Drittwirkung / Ausstrahlung der Grundrechte ins Privatrechtsverhältnis
Grundfall zur mittelbaren Drittwirkung / Ausstrahlung der Grundrechte ins Privatrechtsverhältnis
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Publizist P stellt sein Verlagsangebot radikal um: er verlegt nur noch Ernährungsbücher mit dem Themenschwerpunkt Steinzeit-Diät. Da er „Konflikte” befürchtet, entlässt er fristlos alle Vegetarier und Veganer, so auch Veganer V, der dagegen klagt. Arbeitsgericht A verkennt die Bedeutung der Weltanschauungsfreiheit grundlegend und weist Vs Klage ab.
Diesen Fall lösen 75,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Grundfall zur mittelbaren Drittwirkung / Ausstrahlung der Grundrechte ins Privatrechtsverhältnis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P ist als Arbeitgeber Grundrechtsadressat und damit im Verhältnis zu seinen Mitarbeitern unmittelbar an die Achtung der Grundrechte gebunden.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Im Verhältnis zwischen Privaten – wie zwischen P und V – können die Grundrechte jedoch mittelbare Wirkung entfalten.
Ja!
3. Veganismus, wenn stringent und ganzheitlich praktiziert, kann eine Weltanschauung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG darstellen.
Genau, so ist das!
4. Die Entlassung durch P stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der Weltanschauungsfreiheit von V dar.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Die Entscheidung des Gerichts, welche die Bedeutung von Vs Weltanschauungsfreiheit grundlegend verkennt und seine Klage abweist, greift in Vs Weltanschauungsfreiheit ein.
Ja!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philip
31.10.2024, 22:54:10
Ist damit z.B. gemeint, dass es weitere Gesetze gibt, die ein Verhalten, welches unter anderem auch gegen die Grundrechte einer Person geht, bestrafen? Z.B. eine Körperverletzung gem. §
223 StGBgeht gegen Art. 2 II 1 GG und somit ist man als Privatperson an die Grundrechte gebunden?
Leo Lee
3.11.2024, 12:03:05
Hallo Philip, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte betrifft private Beziehungen, also Verhältnisse zw. zwei Privaten und nicht zw. einem Privaten und dem Staat. Beim Strafrecht stimmt es zwar, dass
223 StGBgegen die Werte in Art. 2 II 1 GG verstößt. Allerdings geht es beim StGB um das Verhältnis zw. dem Angeklagten und dem Staat bzw. um die Schutzpflicht des Staates ggü. dem Opfer (was sich dann tats. auch aus Art. 2 II 1 GG ergibt), weshalb hier die Grundrechte wenn schon unmittelbar Anwendung finden würden. Dieser Grundsatz ist deshalb im Zivilrecht relevant, wo zw. zwei Privaten das Grundrecht eben nicht unm. gelten kann, da keine Partei hier den Staat darstellt oder repräsentiert. Es gibt zudem sehr wohl ein Gesetz, das allerdings nicht spezifisch ist, sondern eine Generalklausel darstellt (wie etwa 138 oder 242 BGB). Hier könnte man sich z.B. die Frage stellen ob das Verw
ehren einer Übernachtung eines NPD-Funktionärs im Hotel von 242 oder 138 BGB erfasst sein könnte, weil es zu den guten Sitten oder Treu und Glauben gehören könnte, dass man Menschen eben nicht aufgrund deren politischer Ansichten anders behandelt. Hierzu gibt es i.Ü. einen sehr guten und detailliert aufbereiteten Fall bei uns, den du unter
Examensrelevante RechtsprechungÖR --> Entscheidungen von 2019 --> "Erteilung eines Hausverbots für Parteifunktionär der NPD durch Hotelier" finden kannst. Alternativ kannst du auch den Titel der Aufgabe bei der Suche (unter dem Reiter "Entdecken") eingeben. Außerdem kann ich ebenfalls die Lektüre vom BeckOK-GG, Ogorek Art. 10 Rn. 78 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo