Gegenrechte aus § 242 BGB

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E hat sein Grundstück an B verkauft. B ist als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Später stellt E fest, dass die Auflassung mangels gleichzeitiger Anwesenheit beim Notar fehlerhaft war. E verlangt Grundbuchberichtigung. B macht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung geltend.

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Einordnung des Falls

Gegenrechte aus § 242 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da die Auflassung fehlerhaft war (§ 925 Abs. 1 BGB), ist B nicht Eigentümerin des Grundstücks geworden. Ist das Grundbuch deswegen unrichtig?

Ja, in der Tat!

Das Grundbuch ist unrichtig, wenn die aus dem Grundbuchinhalt ersichtliche Rechtslage (= formelle Rechtslage) nicht mit der wirklichen Rechtslage (= materielle Rechtslage) übereinstimmt. Dies ist der Fall, wenn ein bestehendes Recht nicht oder unvollständig eingetragen oder zu Unrecht gelöscht ist oder ein Recht eingetragen ist, welches in Wirklichkeit nicht oder nicht mehr besteht. Mangels wirksamer Auflassung (§§ 873, 925 Abs. 1 BGB) hat B das Eigentum nicht wirksam von E erworben. Das Grundbuch weist jedoch die B als Eigentümerin aus, obwohl nach der materiellen Rechtslage weiterhin E Eigentümer ist. Somit fallen formelle und materielle Rechtslage auseinander, sodass das Grundbuch unrichtig ist.
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2. Das Grundbuch ist unrichtig. Hat E daher gegen B einen Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB)?

Ja!

Der Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) setzt voraus, dass (1) das Grundbuch unrichtig ist, (2) der Anspruchsteller anspruchsberechtigt ist, weil er infolge der Unrichtigkeit materiell betroffen ist und (3) der Anspruchsgegner als Verpflichteter aufgrund der Berichtigung formell betroffen wird. Diese Voraussetzungen liegen vor, sodass der Grundbuchberichtigungsanspruch entstanden ist.

3. B hat gegen E einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks aus dem Kaufvertrag. Kommt daher der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) in Betracht, wenn E den Anspruch aus § 894 BGB gegenüber B geltend macht?

Genau, so ist das!

Dem Grundbuchberichtigungsanspruch kann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (dolo-agit-Einwand) aus § 242 BGB entgegengehalten werden, wenn dem Anspruchsgegner ein schuldrechtlicher Anspruch auf Herstellung des aus dem Grundbuch ersichtlichen Rechtszustandes gegen den Anspruchsteller zusteht. B hat aus dem Kaufvertrag einen Anspruch gegen E auf Übereignung des Grundstücks. Somit kann er von E die Auflassung und seine Eintragung ins Grundbuch verlangen. Mithin stellt es ein widersprüchliches Verhalten dar, wenn E nun einen Grundbuchberichtigungsanspruch geltend macht, obwohl er gerade dazu verpflichtet ist, den Rechtszustand herzustellen, den das Grundbuch aufweist. Somit kann B dem Anspruch den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten. Dies hat zur Folge, dass der Grundbuchberichtigungsanspruch des E nicht durchsetzbar ist. Weiteres Gegenrecht aus § 242 BGB ist beispielsweise die Verwirkung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FTE

Findet Nemo Tenetur

22.10.2024, 20:58:29

Wenn § 242 BGB hier vom

Anspruchsgegner

geltend gemacht werden muss, ist es doch eine Einrede, wenn ich das richtig verstanden habe? Ich komme mit Einreden und Einwendungen immer wieder durcheinander, weswegen ich die Formulierung “dolo-agit-Einwand” in der Erklärung etwas verwirrend fand. Falls es tatsächlich eine Einrede ist, wäre vielleicht die Formulierung “dolo-agit-Einrede” eindeutiger?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

31.10.2024, 15:54:30

Hallo @[Findet Nemo Tenetur](254807), man könnte das in der Tat präziser fassen, wir haben uns aber aus zwei Gründen dagegen entschieden: Erstens findet sich die neutrale Formulierung "dolo agit-Einwand" so auch verbreitet in Rspr und Literatur (zB BGH NZG 2023, 1076; BeckOK-BGB/Sutschet, 71. Ed, Stand 1.8.2024) und wir möchten diesen Sprachgebrauch abbilden. Zweitens ist die Frage nach Einrede oder Einwendung für den dolo agit-Fall gar nicht leicht zu beantworten. Sucht man zB bei beck online nach "dolo agit-Einrede" und nach "dolo agit-Einwendung", findet man für beides viele Ergebnisse aus Rspr und Literatur. Der Grund dafür ist, dass die Einordnung nicht immer einheitlich beurteilt wird, durchaus auch mal unterschiedlich zwischen den höchsten Bundesgerichten (instruktiv zB BAG NZA 2018, 1071, 1074 f mwN). In der Praxis mag es darauf iE tatsächlich einmal ankommen, wenn von einer Seite überhaupt kein Einwand in diese Richtung erhoben wurde. Ihr dürftet damit für Eure Prüfungen aber kaum Probleme bekommen. Der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit ist häufig nicht offensichtlich, darauf muss man also erstmal kommen. Das wissen auch diejenigen, die Eure Prüfungen erstellen. Deswegen werde sie idR die Personen in der Sachverhaltsdarstellung entsprechend vortragen lassen (wie auch wir in unserem Fall) - und dann wurde darüber geredet und es kommt zumindest iE nicht mehr darauf an, ob es jetzt eine Einrede oder eine Einwendung ist. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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