Rügeobliegenheit innerhalb einer Lieferkette

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von Händler V für sein Geschäft 10 Fahrräder und stellt sie, ohne sie weiter zu begutachten, aus. Ein Fahrrad wird einen Monat später von Kundin D gekauft. D merkt beim ersten Fahren, dass der Rahmen völlig verbogen ist. Sie bringt es zu K zurück. K meldet V den Mangel.

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Einordnung des Falls

Rügeobliegenheit innerhalb einer Lieferkette

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Gewährleistungsansprüche sind ausgeschlossen, wenn K gegen ihre Rügeobliegenheit verstoßen hat (vgl. § 377 HGB).

Ja, in der Tat!

Der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit führt dazu, dass die Ware als genehmigt gilt und damit Gewährleistungsrechte entfallen (§ 377 Abs. 2 HGB). Dies setzt voraus: (1) Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (§ 343 Abs. 1 BGB), (2) Ablieferung der Ware, (3) Mangelhaftigkeit der Ware (§ 434 f. BGB), (4) Unterlassung der gebotenen Rüge (§ 377 Abs. 1, Abs. 3 HGB), (5) kein Ausschluss der Rügeobliegenheit (§ 377 Abs. 5 HGB)
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2. Liegt ein Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (vgl. § 343 Abs. 1 BGB) vor?

Ja!

Der Handelskauf ist ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB in Form eines Kaufvertrags (§ 433 BGB) über eine Ware, also eine bewegliche Sache. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB). Bei einem beidseitigen Handelsgeschäft sind beide Vertragsparteien Kaufleute. V und K sind beide Kaufleute. Sie haben einen Kaufvertrag über Fahrräder geschlossen, also über bewegliche Sachen. Dieses Geschäft gehört auch zu Vs und Ks Handelsgewerbe.

3. Wurde die Ware abgeliefert (§ 377 Abs. 1 HGB)?

Genau, so ist das!

Für die Ablieferung muss der Käufer in eine tatsächliche räumliche Beziehung zu der Ware kommen. Die Fahrräder wurden zu Ks Geschäft geliefert und ihm übergeben.

4. Sind die Fahrräder mangelhaft i.S.d. § 434 BGB?

Ja, in der Tat!

Das HGB enthält keinen selbstständigen Mangelbegriff. Auch beim Handelskauf bleibt es also beim allgemeinen kaufrechtlichen Mangelbegriff des BGB (§ 434 BGB). Danach ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven, den objektiven und den Montageanforderungen entspricht (§ 434 Abs. 1 BGB). Der verbogene Rahmen des Fahrrads entspricht nicht der üblichen Beschaffenheit und damit nicht den objektiven Anforderungen (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit) a BGB). Der Mangel lag auch schon bei Gefahrenübergang vor.

5. Um Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können, müsste K den Mangel ordnungsgemäß gerügt haben i.S.d. § 377 HGB.

Ja!

Eine ordnungsgemäße Rüge setzt (1) die Anzeige des Mangels und (2) die Rechtzeitigkeit der Anzeige voraus. Rügt der Käufer nicht ordnungsgemäß, verliert der Käufer seine Rechte aus §§ 434, 437 BGB. K hat den Mangel angezeigt. Problematisch ist jedoch, ob er dies auch rechtzeitig getan hat.Bei einer Schlecht- oder Zuwenig-Lieferung behält der Verkäufer also seinen Anspruch auf den vollen Kaufpreis. Ansprüche des Käufers aus unerlaubter Handlung (§§ 823ff. BGB) bleiben trotz fehlender Rüge erhalten.

6. Erfolgte die Rüge des K rechtzeitig (§ 377 Abs. 2 HGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Rüge muss grundsätzlich unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), erfolgen. Auch einen Zwischenhändler, der die Ware weiterveräußern möchte (sog. Lieferkette), trifft die Rügeobliegenheit. Bei dem verbogenen Rahmen handelt es sich um einen Mangel, der jedenfalls bei ordnungsgemäßer Untersuchung bemerkt worden wäre. K hätte den Mangel also unverzüglich nach Erhalt der Ware und nicht erst nach Reklamation des Kunden anzeigen müssen. Somit ist die Rüge hier verspätet.
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