Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Entscheidungen von 2018

Reichtweite des öffentlichen Glaubens einer am Kfz-Kennzeichen angebrachten HU-Prüfplakette

Reichtweite des öffentlichen Glaubens einer am Kfz-Kennzeichen angebrachten HU-Prüfplakette

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist TÜV-Prüfer. Er bringt an einem Kfz-Kennzeichen nach erfolgter Hauptuntersuchung (HU) eine Prüfplakette an, obwohl er weiß, dass das Fahrzeug Mängel aufweist und die Plakette zu versagen wäre. Im Fahrzeugschein trägt er einen Termin für die nächste HU ein und stempelt diesen ab.

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Einordnung des Falls

Reichtweite des öffentlichen Glaubens einer am Kfz-Kennzeichen angebrachten HU-Prüfplakette

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A könnte sich wegen Falschbeurkundung im Amt strafbar gemacht haben (§ 348 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Der objektive Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt setzt voraus: (1) Täter: Zuständiger Amtsträger (2) Tatobjekt: Öffentliche Urkunde (= Urkunde mit Be- weiswirkung für und gegen jedermann) (3) Tathandlung: Falsche Beurkundung Der Täter muss im Übrigen vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft handeln.
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2. A ist ein Amtsträger (§§ 348 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Amtsträger ist, wer nach deutschem Recht (a) Beamter oder Richter ist, (b) in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder (c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (Legaldefinition, § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Ein TÜV-Prüfer ist in sonstiger Weise dazu bestellt, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, nämlich die Durchführung der Hauptuntersuchung, wahrzunehmen. A war daher Amsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB).

3. Handelt es sich bei der HU-Prüfplakette für sich genommen um eine Urkunde (§ 348 Abs. 1 StGB)?

Nein!

Eine Urkunde ist jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion) und die ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion). Die HU-Prüfplakette hat keinen Erklärungswert, solange sie nicht auf einem Kennzeichen angebracht ist. Sie stellt somit allein keine (öffentliche) Urkunde dar.

4. Wird die Prüfplakette am Kfz-Kennzeichen angebracht, liegt eine zusammengesetzte Urkunde vor.

Genau, so ist das!

Wenn eine verkörperte Gedankenerklärung mit einem Bezugsobjekt räumlich fest zu einer Beweiseinheit verbunden ist und sie zusammen einen einheitlichen Beweis- und Erklärungsinhalt in sich vereinigen, liegt nach h.M. eine zusammengesetzte Urkunde vor.Die auf dem Kennzeichen angebrachte Prüfplakette erbringt jedenfalls den Nachweis über den Termin der nächsten Hauptuntersuchung. Somit liegt in der Kombination eine zusammengesetzte Urkunde vor.

5. Die Reichweite der Beweiskraft der Prüfplakette beschränkt sich nach Auffassung des BGH auf den Termin der nächsten Hauptuntersuchung.

Nein, das trifft nicht zu!

Der genaue Umfang der Beweiskraft der Prüfplakette ist umstritten. BGH: Neben dem Nachweis über den Termin der nächsten HU. beinhalte die auf dem Kennzeichen angebrachte Prüfplakette auch den Nachweis, dass das geprüfte Fahrzeug bei der letzten Hauptuntersuchung als vorschriftsmäßig befunden wurde. Es ergebe sich insbesondere aus § 29 Abs. 3 S. 2 StVZO und der Anlage zur StVZO, dass das Fahrzeug bei Erhalt der Plakette keine erheblichen – wenn überhaupt nur geringe Mängel – aufweisen dürfe (RdNr. 9).Nach anderer Auffassung erstreckt sich die Beweiskraft nur auf den nächsten Hauptuntersuchungstermin. Dem folgt der BGH nicht. Mit der Änderung des § 29 StVZO im Jahr 1980 sei deutlich gemacht worden, dass die Plakette auch die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs bescheinige (RdNr. 10).

6. Hat A durch das Anbringen der Prüfplakette nach Auffassung des BGH eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet (§ 348 Abs. 1 StGB)?

Ja!

Der Amtsträger beurkundet falsch, wenn er eine öffentliche Urkunde ausstellt, die hinsichtlich einer vom öffentlichen Glauben umfassten, rechtlich erheblichen Tatsache eine inhaltliche Unrichtigkeit aufweist.Der vorschriftsmäßige Zustand des Fahrzeugs ist nach Auffassung des BGH vom öffentlichen Glauben der zusammengesetzten Urkunde umfasst. Da das Fahrzeug diesen Vorschriften nicht entspricht, hat A eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet. A handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.Im Gegensatz zu den Urkundsdelikten nach §§ 267 ff. ist hier also nicht allein die Richtigkeit des Ausstellers, sondern auch die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde entscheidend!
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