Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Konkurrentenstreit (Konkurrentenverdrängungsklage)

Wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Konkurrentenstreit (Konkurrentenverdrängungsklage)

25. Mai 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Gemeinde G veranstaltet alljährlich das „Fest für Schokoladenliebhaber und -liebhaberinnen“. Chocolatier-Meisterin K beantragt bei G die Zulassung für einen Standplatz. G lehnt den Antrag mit der Begründung ab, dass alle 25 Standplätze bereits vergeben sind.

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Einordnung des Falls

Wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Konkurrentenstreit (Konkurrentenverdrängungsklage)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K will vor Gericht erreichen, dass sie zum Fest zugelassen wird. Ist hierfür zunächst die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft?

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart bestimmt sich nach dem klägerischen Begehren (§ 88 VwGO). Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt.K will erreichen, dass G ihr einen Standplatz für das Fest zuweist. Bei der Zulassung handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG). Damit ist die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft. Es stellt sich die Frage, ob die Verpflichtungsklage hier ausreichend ist, um Ks Rechtsschutzbegehren zu erreichen. Diese Frage solltest Du aber erst im zweiten Schritt thematisieren, nachdem Du die Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage für sich genommen festgestellt hast.
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2. Alle Standplätze beim Fest sind bereits vergeben. Müsste G zunächst einen bereits vergebenen Standplatz „freimachen“, damit K zugelassen werden kann?

Ja!

Hier liegt ein Fall der begrenzten Kapazität vor, da es nur eine gewisse Anzahl an Standplätzen gibt und diese bereits alle vergeben sind. Die Gemeinde G könnte K also rein tatsächlich keinen Standplatz zuweisen. Zuerst müsste einem Konkurrenten die Zulassung zum Fest wieder entzogen werden, damit ein Platz „freigemacht“ wird, den K dann einnehmen könnte. Es ist umstritten, wie K dieses Ziel (prozessual) erreichen kann. Lehnt die Behörde einen beantragten Verwaltungsakt aus Kapazitätsgründen ab, musst Du im Rahmen der statthaften Klageart immer diskutieren, ob eine Verpflichtungsklage ausreicht, um das klägerische Begehren zu erreichen oder ob der Kläger zusätzlich den zugunsten des Konkurrenten erlassenen Verwaltungsakt anfechten muss.

3. Die Behörde könnte die rechtswidrige Zulassung eines Mitbewerbers nach § 48 VwVfG zurücknehmen, um einen Platz für K zu schaffen. Könnte das dafür sprechen, dass A die Zulassung des Mitbewerbers nicht extra anfechten muss?

Genau, so ist das!

Die Zulassung ist ein Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG zurückgenommen werden kann. Dies wäre eine Möglichkeit, wie die Behörde einen Platz auf dem Fest frei machen könnte. Eine Meinung hält es deshalb für ausreichend, dass in Fällen der Konkurrentenklagen bei begrenzter Kapazität der Kläger nur die Verpflichtungsklage erhebt und die Behörde dafür sorgen muss, dass ein Platz frei wird. Die Verpflichtung der Behörde sei nicht unmöglich, da ihr § 48 VwVfG zur Verfügung stünden. Grundsätzlich kann die Behörde auch rechtmäßige Verwaltungsakte über § 49 VwVfG aufheben. In dieser Konstellation ist aber i.d.R. kein Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 VwVfG ersichtlich bzw. wäre es i.d.R. wohl ermessensfehlerhaft, einen rechtmäßigen Verwaltungsakt aufzuheben, allein aus dem Grund, einen Platz für einen Mitbewerber einzuräumen.

4. Nach einer Ansicht kann K ihr Klagebegehren bereits dann erreichen, wenn sie nur die Verpflichtungsklage erhebt. Ist K danach klagebefugt, wenn sie einen möglichen Anspruch auf die Zulassung zum Fest hat?

Ja, in der Tat!

Im Rahmen der Verpflichtungsklage ist der Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), wenn er geltend macht, dass er möglicherweise einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hat. Bei dem Fest der Gemeinde handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung. Der Anspruch auf Zulassung eines Standplatzes ergibt sich aus den landesrechtlichen Vorschriften des Kommunalrechts über die Benutzung von öffentlichen Einrichtungen (z.B. Art. 21 GO, § 8 Abs. 2 GemO NRW, § 20 HGO). Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass K einen Anspruch auf die Zulassung zum Fest hat. Ein Anspruch auf Zulassung könnte sich – je nach Ausgestaltung des Sachverhalts – auch aus § 70 GewO ergeben.

5. K erhebt nun ausschließlich die Verpflichtungsklage und trägt vor, dass B die Zulassung eines Mitbewerbers zurücknehmen müsse. Ist die Rücknahme der Zulassung eines Konkurrenten in jedem Fall möglich (siehe § 48 Abs. 3, 4 VwVfG)?

Nein!

Eine Meinung hält es für ausreichend, dass in Fällen der Konkurrentenklagen bei begrenzter Kapazität der Kläger nur die Verpflichtungsklage erhebt und die Behörde mithilfe der §§ 48, 49 VwVfG dafür sorgen muss, dass ein Platz frei wird. Gegen diese Ansicht spricht, dass die Entscheidung der Behörde nach § 48 Abs. 3 VwVfG eine Ermessensentscheidung ist und die Rücknahme nur innerhalb der Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG möglich ist. Wenn eine Rücknahme nicht möglich ist, würde eine entsprechende Verpflichtungsklage an der fehlenden Klagebefugnis (oder zumindest am Rechtsschutzbedürfnis) scheitern, da der Anspruch des nicht zugelassenen Konkurrenten tatsächlich nicht durchsetzbar ist. Zudem könnte der betroffene Konkurrent gegen die Rücknahme durch die Behörde wiederum Anfechtungsklage erheben, was die begehrte Zulassung wiederum verzögern würde.

6. Könnte K die Aufhebung der Zulassung eines Mitbewerbers grundsätzlich auch dadurch erreichen, dass K die Zulassung im Wege der Drittanfechtungsklage anficht?

Genau, so ist das!

Einerseits kann die Behörde selbst die Zulassung eines Mitbewerbers aufheben (§ 48 VwVfG). Daneben kann der Kläger aber auch die gerichtliche Aufhebung der Zulassung anstreben, indem er diese mit der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) angreift. Aufgrund der Schwächen der Rücknahme (§ 48 VwVfG) durch die Behörde, verlangt die h.M., dass der Kläger neben der Verpflichtungsklage (gerichtet auf die eigene Zulassung) zusätzlich eine Anfechtungsklage (gerichtet auf die Aufhebung der Zulassung eines Mitbewerbers) erhebt. Damit läge ein Fall der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) vor.

7. Nach der h.M. folgen muss K grundsätzlich zusätzlich zur Verpflichtungsklage eine Anfechtungsklage erheben. Ist K in diesem Fall klagebefugt, wenn sie nur geltend macht, dass sie möglicherweise einen Anspruch auf die Zulassung hat?

Nein, das trifft nicht zu!

Im Rahmen der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist der Kläger klagebefugt, wenn er geltend macht, dass er möglicherweise einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hat. Im Rahmen der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist der Kläger klagebefugt, wenn er geltend macht, dass er möglicherweise durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist. K muss i.R.d. Verpflichtungsklage geltend machen, dass sie möglicherweise einen Anspruch auf Zulassung hat. Im Rahmen der (nach h.M. erforderlichen) zusätzlichen Anfechtungsklage muss K geltend machen, dass sie durch die Zulassung eines Mitbewerbers/mehrerer Mitbewerber möglicherweise in einem drittschützenden Recht verletzt wird. K könnte vorliegend in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 GG verletzt sein. Prüfst Du mehrere statthafte Klagearten, so kannst Du das in einer gemeinsamen Zulässigkeitsprüfung machen. Du solltest nur an den entsprechen Stellen bestehende Unterschiede deutlich machen. In der Begründetheit solltest Du die Prüfungen allerdings trennen.

8. Um ihre Erfolgschancen auf einen Standplatz zu erhöhen, müsste K alle 25 Zulassungen ihrer Mitbewerber anfechten. Ist ihr dies mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zumutbar?

Nein!

Damit K die besten Chancen hat, einen Mitbewerber zu verdrängen, müsste sie alle 25 Zulassungen ihrer Mitbewerber anfechten. Dies ist mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG unzumutbar. Die h.M. macht deswegen eine Ausnahme vom Erfordernis der Anfechtungsklage, wenn der Kläger eine Vielzahl von Zulassungen anfechten müsste (quantitative Unzumutbarkeit). Dann reicht die Erhebung der Verpflichtungsklage aus. Mit der Ausnahme der h.M. müsste K hier also nur eine Verpflichtungsklage erheben. K ist klagebefugt, da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass K einen Anspruch auf die Zulassung zum Fest hat. Hier wirken sich die Meinungen im Endeffekt also nicht auf die statthafte Klageart bzw. den daraus folgenden Maßstab für die Klagebefugnis aus. Eine weitere Ausnahme macht die h.M. bei qualitativer Unzumutbarkeit. Diese kann sich daraus ergeben, dass die Auswahlentscheidung der Behörde nicht hinreichend dokumentiert ist und der Kläger die Erfolgsaussichten seiner Klage nicht einschätzen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Kläger nicht bekannt ist, welche Personen die Behörde zugelassen hat.
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