Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Zurücknahme Fall 2)

Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Zurücknahme Fall 2)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Baubehörde B erteilt S eine Baugenehmigung unter der Auflage, dass S auch einen Sichtschutz zu Nachbar N errichtet. N geht gerichtlich gegen die Baugenehmigung vor. Während des Prozesses widerruft B die Baugenehmigung, weil S keinen Sichtschutz errichtet hat.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Zurücknahme Fall 2)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N befindet sich im laufenden Gerichtsverfahren. Statthaft war zunächst die Verpflichtungsklage.

Nein!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Begehrt der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts, ist die Verpflichtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Will er dagegen die Aufhebung eines erlassenen Verwaltungsakts erreichen, ist die Anfechtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Ns Klagebegehren war anfangs darauf gerichtet, die gegenüber S ergangene Baugenehmigung aufheben zu lassen. Er wollte die Aufhebung eines Verwaltungsakts erreichen. Statthaft war die Anfechtungsklage.
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2. Hat sich der angefochtene Verwaltungsakt vor Schluss der mündlichen Verhandlung erledigt, kommt nur noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht.

Genau, so ist das!

Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO). Voraussetzung ist, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht erledigt hat. Ein Verwaltungsakt ist dann erledigt, wenn sich der Verwaltungsakt inhaltlich erschöpft hat und alle seine in die Zukunft weisenden Rechtswirkungen weggefallen sind. Nach Erledigung des Verwaltungsakts kann die ursprünglich statthafte Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werden. Das Klageziel ist dann die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglich wirksamen Verwaltungsakts.

3. Die Baugenehmigung entfaltet trotz des Widerrufs der B noch Rechtswirkung.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Nach dieser Regelung führt der Widerruf eines Verwaltungsakts (§ 49 Abs. 1 VwVfG) zu dessen Unwirksamkeit. Der Verwaltungsakt entfaltet also keine Rechtswirkung mehr. Weiterhin sieht auch § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die "Zurücknahme" des Verwaltungsakts als Fall der Erledigung vor. S hat die mit der Baugenehmigung verbundene Auflage nicht erfüllt. Deswegen hat B die Baugenehmigung widerrufen (§ 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG). Die Baugenehmigung entfaltet keine Rechtswirkung mehr, hat sich also erledigt.

4. Es ist für N trotz des Widerrufs noch sinnvoll, an der Anfechtungsklage festzuhalten. Statthaft ist die Anfechtungsklage.

Nein!

Die Anfechtungsklage ist nur solange sinnvoll und statthaft, wie der Kläger gegen einen wirksamen Verwaltungsakt vorgehen will. Besteht der Verwaltungsakt gar nicht mehr, gibt es keine Regelung gegen die sich der Kläger wehren muss. Anders gesagt: An der Anfechtungsklage festzuhalten würde bedeuten, dass der Kläger etwas aus der Welt schaffen will, was gar nicht mehr in der Welt ist. Sinnvoll kann es dagegen sein, die Rechtswidrigkeit des ursprünglich wirksamen Verwaltungsakts i.R.e. Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) gerichtlich feststellen zu lassen. Statthaft ist die Fortsetzungsfeststellungsklage gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEAS

Geasoph

20.9.2021, 10:14:25

Hey! Ist die Statthaftigkeit nicht etwas komplizierter, da S lediglich die Nebenbestimmung anfechten will? LG :)

SELA

Severin Lask

23.9.2021, 15:25:25

Es geht in dem Fall nicht um S, sondern der N erhebt die Klage.


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