Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Zurücknahme Fall 1)

Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Zurücknahme Fall 1)

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Falschparkerin F bekommt von Behörde B einen Kostenbescheid, nach dem sie die Abschleppkosten tragen muss. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt F. B zweifelt nun selbst an der Rechtmäßigkeit des Bescheids und hebt diesen noch vor der letzten mündlichen Verhandlung auf.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Zurücknahme Fall 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F wendet sich zunächst gegen einen wirksamen Verwaltungsakt. Statthaft war die Anfechtungsklage.

Genau, so ist das!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO). Der Kostenbescheid ist ein Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG. F begehrte die Aufhebung des Bescheids, sodass die Anfechtungsklage zunächst statthaft war.
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2. Die Anfechtungsklage ist auch weiter statthaft, wenn sich der Verwaltungsakt erledigt hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage setzt voraus, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht erledigt hat (vgl. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Der Begriff der Erledigung wird in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nicht näher ausgeführt, andere verwaltungsrechtliche Vorschriften helfen weiter. Nach § 43 Abs. 2 VwVfG ist ein Verwaltungsakt, der sich erledigt hat, nicht mehr wirksam - entfaltet also keine Rechtswirkung mehr.Voraussetzung der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ist es aber, dass ein wirksamer Verwaltungsakt vorliegt, gegen den der Kläger wegen seiner beschwerenden Wirkung vorgeht.

3. Der an F gerichtete Kostenbescheid ist ein Verwaltungsakt. Er hat sich durch die Rücknahme erledigt.

Ja!

Erledigung i.S.d. § 43 Abs. 2 VwVfG, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bedeutet, dass sich der Verwaltungsakt inhaltlich erschöpft hat und alle seine in die Zukunft weisenden Rechtswirkungen weggefallen sind. D.h., dass der vollzugsfähige Inhalt des Verwaltungsakts gegenstandslos geworden ist und eine Anfechtung daher sinnlos ist. § 113 Abs. 1 S. 4 spricht von der "Zurücknahme" des Verwaltungsakts als Fall der Erledigung. Gemeint ist damit die Aufhebung nach §§ 48f. VwVfG. B hat den Kostenbescheid nach § 48 Abs. 1 VwVfG zurückgenommen. Er entfaltet keine Wirkung mehr. Eine Anfechtung wäre sinnlos.

4. Erledigt sich der Verwaltungsakts vor Schluss der mündlichen Verhandlung, wird die Anfechtungsklage als unzulässig abgewiesen.

Genau, so ist das!

Erledigt sich der Verwaltungsakt, fällt damit grundsätzlich auch die Beschwer des Klägers weg. Dennoch kann es Fälle geben, in denen die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglich wirksamen Verwaltungsakts wichtig für den Kläger ist. Daher gibt es die Möglichkeit, die Klage in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage aufrecht zu erhalten (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Das Gericht muss den Kläger auf die Möglichkeit der Umstellung hinweisen (§ 86 Abs. 3 VwGO). Bei der Umstellung handelt es sich nicht um eine Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO, § 142 VwGO.

5. Der Kostenbescheid hat sich erledigt. Statthaft ist die Fortsetzungsfeststellungsklage.

Ja, in der Tat!

Hat sich ein angefochtener Verwaltungsakt, der sich vor Schluss der mündlichen Verhandlung erledigt, kann der Kläger die Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen. Diese ist darauf gerichtet, die Rechtswidrigkeit des ursprünglich wirksam bestehenden Verwaltungsakts festzustellen. Der Bescheid hat sich durch Rücknahme erledigt (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). F kann die Anfechtungsklage auf die Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen. Die Frage, ob der Kläger trotz der weggefallenen Beschwer des Verwaltungsakts rechtsschutzbedürftig ist, wird gesondert i.R.d. Rechtsschutzbedürnisses geprüft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

phiob

phiob

9.6.2022, 13:01:28

Die Frage ob die Klage vom Gericht abgewiesen wird bei Erledigung des VA finde ich etwas ungenau formuliert, da am Anfang noch die Frage nach einer Anfechtungsklage ist. Vielleicht sollte man hier lieber fragen, ob es bei Erledigung gar keine Möglichkeit EINER Klage mehr gibt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.7.2022, 16:25:55

Hallo phiob, würde die Klage nicht umgestellt, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten VA müsste die Klage abgewiesen werden wegen Unzulässigkeit. Die Klage kann nur aufrechterhalten werden, wenn sie zu einer Fortsetzungs

feststellungsklage

umgestellt wird. Wir haben die Frage aber nun etwas angepasst, sodass dies noch deutlicher hervorkommt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

17.11.2022, 23:45:53

Inwiefern kann man sich eine solche Umstellung vorstellen? Hat das Gericht den Kläger darauf hinzuweisen, dass seine AK abgewiesen wird und er jetzt in eine FFK umstellen muss? Muss der Kläger dann sofort sein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.11.2022, 09:44:25

Hallo tomvali, das Verwaltungsgericht hat auf sachdienliche Anträge hinzuwirken (§ 86 Abs. 3 VwGO). Daraus ergibt sich auch die Pflicht, den Kläger darauf hinzuweisen, dass seine Klage nunmehr unzulässig ist, sofern er den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt bzw. auf die FFK umstellt (BeckOK VwGO/Breunig, 63. Ed. 1.10.2022, VwGO § 86 Rn. 100). Das Gericht kann dem Kläger hierfür auch eine entsprechende Schriftsatzfrist einräumen (§ 173 VwGO iVm § 283 ZPO, sodass das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht zwingend in der Verhandlung dargelegt werden muss. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jurista

Jurista

8.10.2023, 16:45:40

Wer trägt denn dann die Kosten, wenn der Kläger auf Grund der sachlichen Unzulässigkeit unterliegt? Ursprünglich wäre ja die Anfechtungsklage statthaft

SE.

se.si.sc

8.10.2023, 18:23:57

Vorab: "Sachliche Unzulässigkeit" ist (jedenfalls in diesem Zusammenhang) eine unklare rechtliche Beschreibung und könnte Rückfragen hervorrufen, ob du "sachliche UnzuSTÄNDIGkeit" meinst. Mir ist auch nicht ganz klar, was du stattdessen meinst (ist es die fehlende

Statthaftigkeit

?), ggf. müsstest du die Frage nochmal präzisieren. Im Ergebnis sieht es so aus: Stellt der Kläger die Klage auf die Fortsetzungs

feststellungsklage

(FFK) um, kommt es iRd

Begründetheit

darauf an, ob der ursprüngliche Verwaltungsakt (VA) rechtswidrig war. Nach der Antwort richtet sich dann auch die Kostentragung (§ 154 I VWGO): VA rechtswidrig = Beklagte unterliegt = Beklagte trägt Kosten; VA rechtmäßig = Kläger unterliegt = Kläger trägt Kosten. Entscheidet sich der Kläger trotz des richterlichen Hinweises ausdrücklich dazu, die Klage nicht auf die FFK umzustellen (wenig clever und in der Praxis kaum vorstellbar), wird die Anfechtungsklage (als unzulässig) abgewiesen. Der Kläger trägt in diesem Fall die Kosten.

Dogu

Dogu

25.5.2024, 13:42:51

§§ 91, 173 VwGO etc.

LELEE

Leo Lee

27.5.2024, 09:34:26

Hallo Dogu, vielen Dank für den Hinweis! Beachte allerdings, dass die Normen bei Aufgabe 4 in der Antwort erwähnt werden :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Dogu

Dogu

27.5.2024, 09:57:25

Sorry


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